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Der erste „Medizin-Professor“ war ein Tierarznei-Experte: Sammelband über Gründung der WWU erschienen

Im Festsaal der Universität überreichten Herausgeber Prof. Jürgen Overhoff (l.) und Dr. Dirk Paßmann (M.) vom Buchverlag Aschendorff WWU-Rektor Prof. Johannes Wessels ein druckfrisches Exemplar des neuen Sammelbands zur Frühgeschichte der Universität (Foto: WWU/Kathrin Nolte)

Münster (upm) - Neue Erkenntnisse zu den Wurzeln der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster bietet ein jetzt erschienener Sammelband. Dr. Jürgen Overhoff, Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Historische Bildungsforschung und einer der beiden Herausgeber des Bandes, sowie Dr. Dirk Paßmann, Leiter des Buchverlags Aschendorff, präsentierten die Publikation passend zu einem wichtigen Ereignis in der Universitätsgeschichte: Im Mai 1773 stellten Papst Clemens XIV. und Kaiser Joseph II. die Gründungsprivilegien für die Universität Münster aus – im Mai 2023 werden somit 250 Jahre vergangen sein.

„Die damals wie heute geltende Vision von universitärer Bildung, also Wissen zu schaffen, das der Allgemeinheit dienlich ist, finde ich beeindruckend“, betonte Rektor Prof. Johannes Wessels bei der Vorstellung des Bands. Noch im Jahr der Unterzeichnung hätten die ersten Universitätsvorlesungen begonnen, erläutert Jürgen Overhoff. „Bereits im Wintersemester 1773/74 trugen Professoren der Theologischen Fakultät und der Philosophischen Fakultät sowie der erste Professor der Juristischen Fakultät vor Studierenden ihre profunden Einsichten vor.“

Die neun Autorinnen und Autoren nehmen die bis ins Mittelalter zurückreichende Vorgeschichte der Universität, die Entwicklung des im 16. Jahrhundert gegründeten Jesuitenkollegs als akademische Vorläuferinstitution, die katholische Aufklärung als geistige Rahmung im Gründungsmoment sowie den Übergang von einer fürstbischöflichen Landesuniversität im Zeitalter des Ancien Régime hin zur preußischen Hochschule in den Blick. Dargestellt wird nicht nur die Sicht der Professoren, sondern auch die bislang unerforschte Perspektive der Studierenden. Berücksichtigt wird auch die Einbettung der Universität in die Stadtgesellschaft von Münster. „Die letzte Gesamtdarstellung des von 1773 bis 1818 reichenden Gründungs- und Aufbauzeitraums wurde vor mehr als einem Jahrhundert vorgelegt, weiterführende Studien zu Einzelaspekten vor einigen Jahrzehnten“, unterstreicht Dr. Sabine Happ, Universitätsarchivarin und Mitherausgeberin des Bands.

Anfänge der Uni-Medizin

Auch die Medizin gehörte zu den ersten Fächern der „alten“ WWU: Philipp Anton Fries brachte ab 1774 Landärzten und Hebammen - ein paar Studenten waren sicher auch dabei - Anatomie, Chirurgie und Gynäkologie bei. „Der war wohl ziemlich gut als Dozent, ist aber erst 1783 zum Professor ernannt worden und früh gestorben. Bis zu seinem Tod 1790 war er recht allein auf weiter Flur. Erst danach kamen die ‚richtigen‘ Medizin-Professoren“, erläutert Dr. Happ – und verweist auf ein Kuriosum: Erster Professor an der Medizinischen Fakultät war 1779 ein gewisser Georg Joseph Fehr, der sich aber nicht mit Menschen, sondern mit Tierarzneimitteln beschäftigte. Schließlich waren Pferde beim Militär und in der Landwirtschaft unverzichtbar und mussten fit sein.

1818 war dann ohnehin schon wieder Schluss mit der Universitätsmedizin in Münster. Eine 1821 gegründete „Chirurgenschule“ bestand nur bis 1843 – zuletzt mit sage und schreibe einem Studenten. Bezüglich ihrer Gründungsgeschichte beruft sich die Medizinische Fakultät daher nicht auf diese unsteten Zeiten, sondern auf ihre (Neu-)Gründung 1925. Im Jahr 2025 wird daher – im Schulterschluss mit dem UKM und mit vielfältigen Aktivitäten – das 100-jährige Jubiläum groß gefeiert.

Hintergrund

Der Band „Gründung und Aufbau der Universität Münster, 1773–1818“ ist aus einer Ringvorlesung hervorgegangen, die der Arbeitsbereich Historische Bildungsforschung und das Universitätsarchiv der WWU im Sommersemester 2021 konzipiert und organisiert hatten. An der Reihe mit dem Titel „(Fast) 250 Jahre Universität Münster“ nahmen Studierende sowie Dozenten unterschiedlicher Fächer und die Öffentlichkeit teil.

Originalpublikation

Overhoff, Jürgen und Sabine Happ (Hrsg.): Gründung und Aufbau der Universität Münster, 1773–1818. Zwischen katholischer Aufklärung, französischen Experimenten und preußischem Neuanfang (Veröffentlichungen des Universitätsarchivs Münster, 16), Münster 2023. 232 Seiten, 29,00 Euro. ISBN: ‎978-3402159019.

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