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Dem größten Protein des Körpers auf der Spur: WWU-Forscher beweisen Rolle von Titin bei Muskelkontraktion

Die Titin-Forschungsgruppe besteht aus Weikang Ma, Anthony Hessel, Michel Kühn, und Devin Nissen (l.) sowie den Arbeitsgruppenleitern Prof. Thomas Irving (r. oben) und Prof. Wolfgang Linke (r. unten). (Foto: AG Linke)

Münster (mfm/mew) – Der Begriff „Titin“ wird den meisten Menschen nicht viel sagen – schade eigentlich. Denn bei Titin handelt es sich um das größte Protein des Körpers. Mit seinen ca. 35.000 Aminosäuren ist das Muskelprotein zwar riesig, trotzdem ist seine Bedeutung noch unzureichend verstanden. Wissenschaftler des Instituts für Physiologie II der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster haben es sich zur Aufgabe gemacht, das Wissen zu diesem besonderen Protein zu erweitern. In einer jetzt im Journal der National Academy of Sciences der USA (PNAS) veröffentlichten Studie konnten sie mit einem innovativen Ansatz beweisen, dass das Titin eine direkte Rolle bei der Muskelkontraktion spielt. Diese Erkenntnisse könnten einen neuen Anhaltspunkt zur Heilung bestimmter Muskel- und Herzerkrankungen bieten.

Gegenstand der Untersuchungen im Physiologie-Institut von Prof. Wolfgang Linke ist die sogenannte quergestreifte Muskulatur. Zu dieser zählen alle Muskeln, die wir aktiv ansteuern und bewegen können, zum Beispiel die Beinmuskulatur, aber auch das Zwerchfell und der Herzmuskel. Für die Bewegung von Muskeln ist eine Kontraktion notwendig, die über dicke und dünne Fasern, auch Filamente genannt, vermittelt wird. Dieser Mechanismus ist schon seit längerem bekannt und vielfältig erforscht. Allerdings hat - wie nun in Münster bewiesen wurde - auch das Protein Titin eine essentielle Rolle für die Muskelkontraktion: Titin kann man sich wie eine Sprungfeder vorstellen, die die dünnen und dicken Filamente im Muskel zusammenhält. Bei einer Dehnung des Muskels spannt sich die Feder an und übt Kräfte auf die Filamente aus.

Dr. Anthony Hessel, Erstautor der Studie, erläutert die Untersuchungsmethode: „Um die Auswirkungen der von Titin ausgelösten Kräfte auf den Muskel genauer zu erforschen, haben wir in Muskelzellen die Funktion vor und nach Durchschneiden von 50 Prozent der Titinfeder-Moleküle verglichen. Dabei wurde sichtbar, dass bei verminderter Titin-Federkraft der Muskel signifikant an Kontraktionskraft verliert.“ Dies konnten die Forscher damit erklären, dass die Titin-Zugkraft die winzigen molekularen Myosin-Motoren entlang des dicken Filaments direkt beeinflusst. Außerdem fiel den Forschern ein Effekt auf, der bisherige Annahmen über die Muskelkontraktion in Frage stellt. Prof. Linke erklärt: „Unsere Untersuchungen zeigen, dass Titin nicht nur auf die dicken Filamente einwirkt, sondern auch auf die dünnen. Dies setzt eine Art von Brücke zwischen den dicken und dünnen Filamenten voraus, die durch Dehnung des Titins verändert wird, potenziell das Myosin bindende Protein C.“

Für die Untersuchungen wurde eine spezielle Röntgentechnik mit Teilchenbeschleuniger benötigt, die millionenfach stärkere Strahlung als die beispielsweise vom Zahnarzt bekannte auslöst. Um diese Technik für ihre Experimente zu nutzen, reisten die Wissenschaftler mehrmals zur Advanced Photon Source des US-amerikanischen Energieministeriums in Chicago. Die aktuell veröffentlichte Studie ist der erste Teil einer Reihe von Studien zu diesem Thema, die im kommenden Jahr veröffentlicht werden sollen.

PubMed-Link zur Studie

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