Die Operative Behandlung der Oberarmkopffraktur – was passiert im Krankenhaus?

Autorin: Dr. Jeanette Köppe
(Foto: pixabay.com)

Ein männlicher Patient, 85 Jahre alt, kommt nach einem Sturz in die Notaufnahme. Diagnose: Oberarmkopffraktur – Deine Therapieentscheidung: Operation. Wie geht es jetzt weiter? Was passiert während der stationären Behandlung mit deinem Patienten? Welche Operationsmethode ist Risikoärmer?

Die Literatur hierzu könnte wohl uneindeutiger nicht sein, derzeit gibt es selbst unter Expert*innen keinen Konsens über die optimale Therapiestrategie.

Wir haben uns daher die Frage gestellt, wie ist die derzeitige chirurgische Versorgungssituation bei älteren Patient*innen mit proximaler Humerusfraktur in Deutschland und welche Therapie ist während des stationären Aufenthaltes mit weniger Komplikationen verbunden?

Auf Grundlage bundesweiter Abrechnungsdaten aller AOK-Versicherungen haben wir das Outcome von Patient*innen ab 65 Jahren mit proximaler Humerusfraktur untersucht, die entweder mit winkelstabiler Plattenosteosynthese (LPF) oder mit totaler inverser Schulterendoprothese (RTSA) behandelt wurden. Insgesamt haben wir mehr als 55.000 Patient*innen in die Studie aufnehmen können.

(Bild: Jeanette Köppe)

Es zeigt sich ein deutlicher Anstieg an inversen Schulterendoprothesen über den betrachteten Zeitraum. Während eine primäre Versorgung mit Prothese 2010 noch ehr selten passiert (8%), werden 2018 schon beinah die Hälfte (41%) aller älteren Patient*innen direkt mit einer inversen Schulterendoprothese versorgt – Tendenz in den letzten Jahren weiter steigend. Auch mit Blick auf das Comorbiditätsprofil der Patient*innen bekommt man den Eindruck, dass die behandelten Ärzt*innen großzügiger mit der Wahl einer Prothese geworden sind.

Dennoch bringt die inverse Prothese auch Nachteile mit sich, im Vergleich zur winkelstabilen Platte ist sie im Mittel mit höheren Kosten und einer längeren Liegedauer assoziiert [1].

Schaut man jetzt genauer auf das Outcome während des stationären Aufenthaltes wird deutlich, dass die inverse Schulterendoprothese mit höheren Komplikationen als die winkelstabile Platte assoziiert ist. Dieser Effekt ist insbesondere sichtbar, wenn man (multivariable) die unterschiedlichen Begleiterkrankungsprofile der beiden Patient*innengruppen berücksichtigt.  Der Effekt, dass die Prothesen etwas älter waren, damit ehr Multimorbid waren und bereits öfter eine Osteoporose bekannt war, ist also schon „rausgerechnet“.

(Quelle: DOI: 10.1097/CORR.0000000000001776)

Das höhere Risiko für diese Komplikationen während der primären Versorgung sind sicherlich zum Teil auf die schwere der Operation (längere Op-Zeiten, höherer Blutverlust, usw.) zurückzuführen.

Es zeigt, aber dass anhand des Patient*innen-Profils genau abgewogen werden sollte, welches Verfahren für welchen/welche Patient*in am besten geeignet ist. 

Auch für die Entscheidung, welche Behandlung für deinen Patienten die Richtige ist, ist die Primärversorgung das Eine, der Langzeitverlauf und die Frage, wie es nach der Entlassung weitergeht noch eine ganz andere Frage [2].

 

Originalarbeit:

In-hospital Complications Are More Likely to Occur After Reverse Shoulder Arthroplasty Than After Locked Plating for Proximal Humeral Fractures
Clin. Orthop. Relat. Res. 479(10): 2284–2292, 2021.
J. Köppe & J. Stolberg-Stolberg, R. Rischen, A. Faldum, M.J. Raschke, J.C. Katthagen