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MARS macht Studierende mobil: Mediziner führen elektronisches Voting-System in die Vorlesungen ein
Münster (mfm/tb) – Die Vorlesung sei eine bewährte Methode, um Notizen der Vortragenden in Notizen der Studierenden zu verwandeln, sagt Professor Eric Mazur. Und fügt hinzu: Leider funktioniere das aber auch ohne den „Umweg“ durch die Gehirne der Zuhörer. Der an der US-Universität Harvard lehrende Physiker hat die Konsequenz aus dieser Erkenntnis gezogen – und in seinen Vorlesungen ein elektronisches Antwortsystem eingeführt. Ein solches gibt es seit Beginn des Sommersemesters auch an der Universität Münster: Als bundesweit erste Fakultät hat der Fachbereich Medizin für seine Studierenden flächendeckend eine Technik eingeführt, wie sie Fernsehzuschauern als TED („Tele-Dialog“) bekannt ist. Aus der kommunikativen Einbahnstraße der Vorlesung soll mit MARS - so die Bezeichnung des neuen Systems – ein in beiden Richtungen offener Weg der Lehre werden.
„Wenn alles schläft und einer spricht, so was nennt man Unterricht“. Der jedem Schüler bekannte Spruch kann im schlimmsten Fall auch bei der Vorlesung zutreffen. Diese Lehrform galt bereits als akademischer Standard, als der Buchdruck noch nicht erfunden und der Computer erst recht in weiter Ferne war. Genau das sei das Problem, meint der Studiendekan der Medizinischen Fakultät, Dr. Bernhard Marschall: „Natürlich kann und soll die klassische Vorlesung auch künftig eine tragende Säule der Lehre sein. Aber dann muss sie an die heutigen Möglichkeiten und vor allem an die Erkenntnisse der Lernforschung angepasst werden“.
Zu denen gehört beispielsweise, dass die Aufmerksamkeit der Zuhörer bei einer Vorlesung - und nicht nur da - nach 15 bis 20 Minuten stark nachlässt. In entsprechenden Intervallen sowie zu Beginn einer Vorlesung kommt bei den Medizinern nun MARS zum Einsatz. Der Anstoß für die Innovation, deren Name sich von „Muenster Audience Response System“ („Münstersches Publikumsantwortsystem“) ableitet, stammt aus dem Institut für Ausbildung und Studienangelegenheiten (IfAS) der Fakultät. In einer fast zweijährigen Pilotphase bereitete das IfAS - ohne von Mazurs parallelen Ideen zu wissen – in Zusammenarbeit mit einigen Fachdisziplinen die Einführung vor und testete die Praxistauglichkeit.
Bei MARS stellen die Referenten Fragen zu den gerade besprochenen Inhalten und können so erkennen, ob diese auch tatsächlich beim Publikum „angekommen“ sind. Das System sollte aber weder als Wachhaltemittel noch als eines zur reinen Wissensabfrage verstanden werden, wie Marschall betont: „Daher werden die Antworten auch nicht personenbezogen dokumentiert, selbst wenn das technisch möglich wäre“. Vielmehr ziele MARS darauf ab, die Studierenden zur Reflexion des Gehörten zu motivieren sowie zu dessen Verknüpfung mit bereits bekannten Inhalten. Somit handele es sich um eine so genannte „aktivierende Lehrmethode“, wie sie von der Didaktikforschung empfohlen werde. Damit ließen sich sowohl die Effizienz als auch die Akzeptanz einer Vorlesung steigern, wobei aber, so der Studiendekan, „ein Umdenken auf beiden Seiten, bei Vortragenden wie Zuhörern, notwendig ist“.
Um den Beteiligten den Einstieg in MARS zu erleichtern, entschied sich das IfAS für eine technisch sehr einfach zu handhabende Lösung: Für die Studierenden wurden bei einem australischen Hersteller 3.000 Handsender beschafft, die diese gegen ein Pfand ausgehändigt bekommen und über die gesamte Zeit ihres Studiums behalten. Da die Sender, die an eine kleine TV-Fernbedienung erinnern, nur das Format einer Scheckkarte haben und auch fast so flach sind, passen sie in jede Hand- oder Hosentasche. Auch das Gegenstück auf Seiten der Referenten wirkt eher unscheinbar: Die Empfangseinheit ist nur wenig größer als ein üblicher Datenstift, sieht auch so aus und passt an jeden Computer.
Das Einzige, was die Lehrbeauftragten dann noch selbst machen müssen: Sie bauen ihre Fragen an den gewünschten Stellen in ihre Bildschirmpräsentation zur Vorlesung ein. Die eingehenden Funksignale aus dem Publikum werden von MARS automatisch in eine Grafik umgewandelt, die das Verhältnis von richtigen und falschen Antworten veranschaulicht. Das Ergebnis kann der Vortragende wie jede andere Folie seiner Präsentation auf die Leinwand projizieren und es so öffentlich machen.
Entscheidend für die angestrebte Effizienzsteigerung durch MARS ist nach Ansicht von Marschall aber nicht dessen technische Seite. Wichtiger sei die konzeptionelle Mitwirkung der Lehrenden, denn, so der Chirurg: „Frage ist nicht gleich Frage. Im Idealfall steht nicht das bloße ‚Erinnern’, sondern das ‚Anwenden’ im Vordergrund“, appelliert er an die Lehrkräfte. Wenn die trotz der einfachen Handhabung Probleme mit MARS haben sollten, werden sie damit nicht allein gelassen: Bei einer eigens eingerichteten Hotline bekommen Ratsuchende Hilfestellung – mit Öffnungszeiten, wie sie sich mancher Referent wohl auch bei seinem Internetanbieter wünschen dürfte: täglich von 08.00 bis 23.00 Uhr.
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Lesetipp: Die verwendete Aussage von Prof. Eric Mazur nimmt Bezug auf dessen ebenso kompakten wie lesenswerten Artikel „Farewell, Lecture?“ in: Science, Vol. 323 (02.01.2009), p. 51. Online: https://www.sciencemag.org/cgi/content/full/323/5910/50
„Wenn alles schläft und einer spricht, so was nennt man Unterricht“. Der jedem Schüler bekannte Spruch kann im schlimmsten Fall auch bei der Vorlesung zutreffen. Diese Lehrform galt bereits als akademischer Standard, als der Buchdruck noch nicht erfunden und der Computer erst recht in weiter Ferne war. Genau das sei das Problem, meint der Studiendekan der Medizinischen Fakultät, Dr. Bernhard Marschall: „Natürlich kann und soll die klassische Vorlesung auch künftig eine tragende Säule der Lehre sein. Aber dann muss sie an die heutigen Möglichkeiten und vor allem an die Erkenntnisse der Lernforschung angepasst werden“.
Zu denen gehört beispielsweise, dass die Aufmerksamkeit der Zuhörer bei einer Vorlesung - und nicht nur da - nach 15 bis 20 Minuten stark nachlässt. In entsprechenden Intervallen sowie zu Beginn einer Vorlesung kommt bei den Medizinern nun MARS zum Einsatz. Der Anstoß für die Innovation, deren Name sich von „Muenster Audience Response System“ („Münstersches Publikumsantwortsystem“) ableitet, stammt aus dem Institut für Ausbildung und Studienangelegenheiten (IfAS) der Fakultät. In einer fast zweijährigen Pilotphase bereitete das IfAS - ohne von Mazurs parallelen Ideen zu wissen – in Zusammenarbeit mit einigen Fachdisziplinen die Einführung vor und testete die Praxistauglichkeit.
Bei MARS stellen die Referenten Fragen zu den gerade besprochenen Inhalten und können so erkennen, ob diese auch tatsächlich beim Publikum „angekommen“ sind. Das System sollte aber weder als Wachhaltemittel noch als eines zur reinen Wissensabfrage verstanden werden, wie Marschall betont: „Daher werden die Antworten auch nicht personenbezogen dokumentiert, selbst wenn das technisch möglich wäre“. Vielmehr ziele MARS darauf ab, die Studierenden zur Reflexion des Gehörten zu motivieren sowie zu dessen Verknüpfung mit bereits bekannten Inhalten. Somit handele es sich um eine so genannte „aktivierende Lehrmethode“, wie sie von der Didaktikforschung empfohlen werde. Damit ließen sich sowohl die Effizienz als auch die Akzeptanz einer Vorlesung steigern, wobei aber, so der Studiendekan, „ein Umdenken auf beiden Seiten, bei Vortragenden wie Zuhörern, notwendig ist“.
Um den Beteiligten den Einstieg in MARS zu erleichtern, entschied sich das IfAS für eine technisch sehr einfach zu handhabende Lösung: Für die Studierenden wurden bei einem australischen Hersteller 3.000 Handsender beschafft, die diese gegen ein Pfand ausgehändigt bekommen und über die gesamte Zeit ihres Studiums behalten. Da die Sender, die an eine kleine TV-Fernbedienung erinnern, nur das Format einer Scheckkarte haben und auch fast so flach sind, passen sie in jede Hand- oder Hosentasche. Auch das Gegenstück auf Seiten der Referenten wirkt eher unscheinbar: Die Empfangseinheit ist nur wenig größer als ein üblicher Datenstift, sieht auch so aus und passt an jeden Computer.
Das Einzige, was die Lehrbeauftragten dann noch selbst machen müssen: Sie bauen ihre Fragen an den gewünschten Stellen in ihre Bildschirmpräsentation zur Vorlesung ein. Die eingehenden Funksignale aus dem Publikum werden von MARS automatisch in eine Grafik umgewandelt, die das Verhältnis von richtigen und falschen Antworten veranschaulicht. Das Ergebnis kann der Vortragende wie jede andere Folie seiner Präsentation auf die Leinwand projizieren und es so öffentlich machen.
Entscheidend für die angestrebte Effizienzsteigerung durch MARS ist nach Ansicht von Marschall aber nicht dessen technische Seite. Wichtiger sei die konzeptionelle Mitwirkung der Lehrenden, denn, so der Chirurg: „Frage ist nicht gleich Frage. Im Idealfall steht nicht das bloße ‚Erinnern’, sondern das ‚Anwenden’ im Vordergrund“, appelliert er an die Lehrkräfte. Wenn die trotz der einfachen Handhabung Probleme mit MARS haben sollten, werden sie damit nicht allein gelassen: Bei einer eigens eingerichteten Hotline bekommen Ratsuchende Hilfestellung – mit Öffnungszeiten, wie sie sich mancher Referent wohl auch bei seinem Internetanbieter wünschen dürfte: täglich von 08.00 bis 23.00 Uhr.
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Lesetipp: Die verwendete Aussage von Prof. Eric Mazur nimmt Bezug auf dessen ebenso kompakten wie lesenswerten Artikel „Farewell, Lecture?“ in: Science, Vol. 323 (02.01.2009), p. 51. Online: https://www.sciencemag.org/cgi/content/full/323/5910/50