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Das "Paper of the Month" 09/2020 geht an: Prof. Hans-Georg Hofer aus dem Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin

Die Autoren der Studie (v.l.n.r.): Prof. Hans-Georg Hofer (Erstautor), Prof. Ulrich R. Fölsch und Priv.-Doz. Dr. Ralf Forsbach (Fotos: privat)

Für den Monat September 2020 geht das "Paper of the Month" der Medizinischen Fakultät der WWU Münster an:
Prof. Hans-Georg Hofer aus dem Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin für die Publikation:

Toward Historical Accountability and Remembrance: The German Society for Internal Medicine and Its Legacies From the Nazi Past
BY: Hofer, Hans-Georg; Forsbach, Ralf; Fölsch, Ulrich R.
ANNALS OF INTERNAL MEDICINE    Volume: ‏ 173, Pages: 375-379; Published: SEP 2020

 

Begründung der Auswahl:
Diese Publikation behandelt ein historisch hochrelevantes Thema. Die Arbeit zeigt die Mitverantwortung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin und ihrer Funktionsträger an den Handlungen und Verbrechen in unserem Land in der Zeit zwischen 1933 und 1945. Hierzu werden beispielhaft einige Einzelschicksale jüdischer Mitglieder der Gesellschaft beschrieben. Weiterhin wird die Nachkriegsperiode beleuchtet und gezeigt, wie mit diesem Problem umgegangen, wie dieses verschwiegen oder diskutiert wurde.

 

Zu Hintergrund, Fragestellung und Bedeutung der Publikation:
Medizinische Fachgesellschaften und ihr Verhalten während und nach der NS-Zeit sind in den vergangenen Jahren verstärkt in das Blickfeld der historischen Forschung geraten. Im Fall der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) ist dies von besonderer Relevanz: Seit 1882 offeriert der Jahreskongress der Gesellschaft in Wiesbaden ein Forum für die wichtigsten medizinischen Themen der Zeit.

Auf der Grundlage umfangreicher Archivrecherchen geben wir neue Einblicke in die Geschichte der DGIM und ihre Bemühungen um eine Aufarbeitung ihrer Rolle und ihres Handelns während der NS-Zeit. Unter politischem Druck brachen 1933 etablierte Prinzipien innerhalb weniger Wochen zusammen. Den mehr als 200 verfolgten jüdischen DGIM-Mitgliedern wurde keine Solidarität entgegengebracht. Einige hochrangige Mitglieder der Gesellschaft waren an Medizinverbrechen beteiligt. Darüber hinaus analysiert der Artikel die Entwicklungen in der Nachkriegszeit und geht der Frage nach, warum es so lange dauern konnte, bis sich die DGIM dieser historischen Verantwortung gestellt hat. In jüngster Zeit hat die DGIM ein starkes Bekenntnis zu einer aktiven Erinnerungskultur entwickelt. 

Die Geschichte der DGIM ist ein herausragendes Beispiel für die stets fragile Beziehung zwischen Medizin und Politik – und für die Notwendigkeit, diese Beziehung von einem informierten und problembewussten Standpunkt aus zu reflektieren. Historisches Wissen ist unverzichtbare Voraussetzung für die Aneignung professioneller Haltungen und Werte.

 

Background and fundamental question of the publication:
Medical societies and their behavior during the Nazi era and in the postwar period have increasingly come into the focus of historical research in recent years. In the case of the German Society for Internal Medicine (DGIM), this has been of particular importance: Since 1882, the society's annual congress in Wiesbaden has provided a forum and focus for the key medical topics of the day. 

Based on wide-ranging archival research we provide new insight into the history of the DGIM and its efforts to come to terms with its role and actions during the Nazi era. Confronted with political pressure in 1933, established principles collapsed within weeks. No solidarity was shown to the more than 200 expelled and persecuted Jewish members. Light is also shed on the decisions of those who led the society during the Nazi era and on the involvement of high-ranking members in medical crimes. Furthermore, the article analyzes developments in the postwar period and considers why it took so long to hold up a mirror to the past. However, the past two decades have brought about both general and specific developments toward historical accountability and an active culture of remembrance. 

The history of the DGIM is an excellent example of the ever-present, fragile relationship between medicine and politics, as well as the continuous need to reflect upon it from a resilient point of view. Historical knowledge is a prerequisite for a more conscious adoption of professional attitudes and values, including empathy and tolerance.

 

Die bisherigen ausgezeichneten "Papers of the Month" finden Sie HIER.

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