Operative Versorgung proximaler Humerusfrakturen bei älteren Patient*innen

Vergleich von winkelstabiler Plattenosteosynthese und inverser Schulterendoprothese

(Bildquelle: Stolberg-Stolberg et al, 2021.)

Bei Patient*innen mit Oberarmkopffraktur wird ein großer Anteil operativ versorgt. Neben der Frakturfixation mittels winkelstabiler Plattenosteosynthese (locked plate fixation – LPF) ist gerade bei älteren Patient*innen der Einsatz einer inversen Schulterendoprothese (reverse total shoulder arthroplasty – RTSA) immer beliebter. Dennoch herrscht selbst unter spezialisierten Schulter-Chirurg*innen kein Konsens darüber, wie die optimale (chirurgische) Versorgung aussieht. Die Studienlage ist uneindeutig und basiert auf wenigen kontrolliert randomisierten Studien mit kleinen Fallzahlen. Wegen der fehlenden Evidenz ist es daher wohl nicht verwunderlich, dass eine Übereinstimmung in der Therapiewahl zwischen Expert*innen kaum messbar ist.

(Bild: Jeanette Köppe)

Anhand der Abrechnungsdaten aller Bundesweiten Versichertendaten der AOK, haben wir die Versorgungslage älterer Patient*innen mit Oberarmkopffraktur untersucht. Insgesamt haben wir über 54.000 Patient*innen ausgewertet, die operativ entweder mit LPF oder RTSA versorgt wurden. Innerhalb der letzten 10 Jahre war ein deutlicher Zuwachs von inversen Schulterendoprotheesen zu beobachten [1].

In unserer Studie wurde deutlich, dass die inverse Schultrendprothese während des primären stationären Aufenthaltes mit höheren Risiko für Komplikationen (sowohl internistisch als auch chirurgisch) verbunden war [1], zudem war sowohl die Liegedauer als auch die mittleren Fallkosten erhöht, vor allem, wenn während der Hospitalisierung Komplikationen entstehen [2].

Nach der Entlassung zeigt sich jedoch ein anderes Bild: Im weiteren Verlauf nach der Entlassung wurde bei Patient*innen, die mit RTSA behandelt wurden, niedrigere Risiken für Komplikationen beobachtet [3].

Diese Studien machen deutlich, wie wichtig es ist den/die Patient*in ganzheitlich zu betrachten und bei der Wahl der Therapie nicht nur die Frakturmorphologie, sondern das gesamte Patient*innen-Profil mit allen Begleiterkrankungen zu berücksichtigen. Auch ist genau zu überlegen, für welche Patient*in eine knochenerhaltende Therapie mit Plattenosteosynthese in Frage kommt. Wir konnten beobachten, dass Patient*innen, die nach versagter Plattenosteosynthese mittels RTSA versorgt wurden, schlechtere Verläufe aufweisen, als die primär mit inverser Schulterendoprothese versorgten Patient*innen [4].

Publikationen:

[1] In-hospital Complications Are More Likely to Occur After Reverse Shoulder Arthroplasty Than After Locked Plating for Proximal Humeral Fractures
Clin. Orthop. Relat. Res. 479(10): 2284–2292, 2021.
J. Köppe & J. Stolberg-Stolberg, R. Rischen, A. Faldum, M.J. Raschke, J.C. Katthagen

[2] Einfluss von Komplikationen und Komorbiditäten auf Liegedauer und Kosten bei der operativen Behandlung der proximalen Humerusfraktur
Der Chirurg 92(10): 907–915, 2021.
J. Stolberg-Stolberg, J. Köppe, R. Rischen, M. Freistühler, A. Faldum, J.C. Katthagen, M.J. Raschke.

[3] The surgical treatment of proximal humeral fractures in elderly patients
Dtsch. Arztebl. Int. 118(48): 817–823, 2021.
J. Stolberg-Stolberg & J. Köppe, R. Rischen, M. Freistühler, A. Faldum, J.C. Katthagen & M.J. Raschke.

[4] Increased complication rates for salvage RTSA after failed locked plate fixation compared to primary RTSA in the treatment of proximal humeral fractures in elderly patients
J Shoulder Elbow Surg. 2023 (Epub ahead of print)
J. Köppe, J. Stolberg-Stolberg, R. Rischen, M. Freistuehler, A. Faldum, M.J. Raschke, J.C. Katthagen