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Wissensmanager wechselt ins Ehrenamt: Oliver Obst machte aus der ZB Med die beste deutsche Medizin-Bibliothek

Dr. Oliver Obst mit seiner Nachfolgerin Lisa Burscheidt (Foto: privat)

Bibliotheksrentner Dr. Oliver Obst genießt seine freie Zeit und das Abschiedsgeschenk seiner Arbeitskolleginnen und -kollegen - eine hölzerne Ukulele - in Italien (Foto: privat)

Münster (mfm/mw) - Von der früheren Klinik-Wäscherei zur Nummer Eins unter ihresgleichen: Die Zweigbibliothek Medizin (ZB Med) der Universitäts- und Landesblibliothek Münster (ULB) hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Seit sieben Rankings des Centrums für Hochschulentwicklung – und damit seit 18 Jahren – rangiert die Einrichtung ununterbrochen an der Spitze der deutschen Medizin-Fachbibliotheken. Der Mann hinter diesem Erfolg heißt Dr. Oliver Obst. Der genießt seine Bücher nun zu Hause – und das nicht wegen Home-Office: Der rührige Bibliothekar hat sich in den Ruhestand verabschiedet. Nach einem viertel Jahrhundert im Dienst der Studierenden, Ärzte und Forschenden der Universität Münster bleiben dem 63-jährigen viele Momente in Erinnerung, an die er sich gerne erinnert.

Das Gebäude Domagstraße 9 ist seit 1993, als die münstersche Universitäts- und Landesbibliothek darin eine „Filiale“ speziell für das Fach Medizin einrichtete, für viele Nutzer nicht mehr nur ein rot geziegeltes Gemäuer, sondern eine zweite Heimat. Stark dazu beigetragen hat ZB-Med-Chef Obst mit seinem Perfektionismus, seinem Tatendrang und vor allem seiner Kreativität. Auch das Team von zehn Festangestellten arbeitet jeden Tag daran, den Zugang zum medizinischen Wissen und zum sozialen Austausch stetig zu optimieren. Anspruch war und ist: Service, Service, Service. So ist die ZB Med – außerhalb von Corona - an 345 von 365 Tagen geöffnet, von 8 Uhr morgens bis 24 Uhr nachts. Barrierefreier Zugang zu hochqualitativer Fachinformation, soziale Gerechtigkeit durch gleiche Zugangsbedingungen für alle zu Tablet-Computern und Hausbesuche bei den Nutzern sind weitere Beispiele für die Kundenfreundlichkeit, die sich in dankbaren Mails und Nutzer-Kommentaren widerspiegelt.

„Dass uns als das CHE seit 2003 als die beste Medizinbibliothek einstuft, liegt an dreierlei: an dem eingespielten Team, der Unterstützung der Medizinischen Fakultät und der Zufriedenheit der Benutzer.“, sagt Obst bescheiden. Besonders ein Moment berührt den Neu-Rentner rückblickend: Beim „Tag der Lehre“ 2018 trat er in einem Science Slam mit eigenem Text an und teilte seine Erfahrungen aus 22 Jahren Beruf lyrisch mit der Zuhörerschaft. Die Menge im rappelvollen L10, dem mit 550 Plätzen größten Hörsaal der Mediziner, applaudierte noch lange nach seinem Abgang von der Bühne. „Vielleicht lag das auch am Ausschank von Glühwein; jedenfalls war das ein Moment, der mir bis heute Gänsehaut macht.“

Mit seiner Karriere folgte der gebürtige Mönchengladbacher und promovierte Biologe einer „familiären Vorbestimmung“ – was er aber erst im Nachhinein erfuhr. Das Arbeitsamt schlug dem Stellensuchenden einen Job im Bibliothekswesen vor. „‘Nie im Leben!‘ war meine erste Reaktion. Nach dem Vorstellungsgespräch habe ich mich aber doch dafür entschieden.“ Später fand er heraus, dass neben der Mutter auch die Großmutter und der Urgroßvater im Buchwesen tätig waren. Bereut hat er seine Entscheidung gegen die Pharmaindustrie und für die Bibliothek keine Sekunde, betont Obst. „Es ist wichtig, dass eine neutrale Institution wie die Bibliothek auf dem Campus besteht, eine, die zwischen den Disziplinen vermittelt und den Austausch fördert“.

Der Ex-Bibliotheksleiter hat den Wechsel vom Papier zum Digitalen miterlebt – und aktiv mitgestaltet. Er weiß, dass das eine das andere (noch) nicht vollständig ersetzen kann. Gut ein Drittel der ZB-Med-Nutzer greift zu Printmedien, das zweite arbeitet online und das letzte verbindet beides. Vielleicht lassen sich viele Vorlesungen und Seminare durch Webinare ersetzen. Aber eine Bibliothek als physischer Ort des (Wissens-)Austausches wäre in diesem Format - so die Überzeugung von Obst - undenkbar. „Seiner“ Einrichtung empfiehlt er daher, den Kurs beizubehalten: „Mach weiter so, verlier‘ die Bedürfnisse der Benutzer nie aus den Augen und sieh‘ zu, dass du weiterhin so ein schöner Treffpunkt bist und für manche sogar ein Zuhause auf Zeit“. Seine Nachfolge sieht er in besten Händen: Mit Lisa Burscheidt leitet eine Expertin die ZB Med, die vorher in einer Medizin-Bibliothek in London mit den Schwerpunkten Psychiatrie und Public Health gearbeitet hat.

Dem Medizin-Campus wird Obst im Ruhestand treu bleiben: als Ehrenamtler in der Palliativmedizin und als Berater für Doktoranden. Diese Aufgaben sind ihm ans Herz gewachsen. Genauso wird er seinem exotischen Hobby, dem Berittenen Bogenschießen, aktiv als “Mongolischer Reiter“ oder am Schreibtisch als Leiter des von ihm gegründeten Vereins, stärker nachkommen. „Man reitet freihändig in vollem Galopp über eine Bahn und schießt dabei mit einem Bogen auf Zielscheiben – nach vorne, zur Seite, nach hinten, oben und unten“, erklärt Obst. Eine andere Herzensangelegenheit setzte er mit seiner Frau gleich am ersten arbeitsfreien Tag in die Tat um: Die frischgebackenen Wohnwagen-Besitzer tourten um den Gardasee und genossen die Zeit mit den Enkelkindern. „Wenn ich mich doch langweilen sollte, findet meine Frau bestimmt Aufgaben im Garten, damit ich mich nicht aufs Sofa verziehe und in guten Büchern abtauche“, lächelt der Unruheständler.

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