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Digitale Fachliteratur auf dem Vormarsch – und oft unter ihren Möglichkeiten: Studie zur studentischen E-Book-Nutzung

Allein in der Bibliothek: auch künftig wohl eher eine Ausnahme, wie eine Studie aus der ZB Med in Münster (her eine Innenaufnahme) nahe legt (Foto: FZ)

Münster (mfm/mk) – Das gedruckte Buch bleibt in Universitätsbibliotheken vorerst das Maß aller Dinge. Das dürfte auch daran liegen, dass E-Books ihre technischen Möglichkeiten meist noch nicht ausschöpfen, also nur ein Buch „in anderer Form“ sind und beispielsweise auf interaktive Elemente verzichten. Diese Schlüsse legt eine breit angelegte Umfrage an der Zweigbibliothek Medizin (ZB Med) der münsterschen Universitäts- und Landesbibliothek nahe.
Verena Salewsky, Bachelorstudentin an der Fachhochschule Köln, schrieb für ihre Studie alle rund 2.900 Studierenden der Human- und Zahnmedizin der Universität Münster an, knapp 650 gaben Auskunft. Für jeden Dritten von ihnen ist das Lehrbuch im elektronischen Format mittlerweile ein präsenter Begleiter des Studiums geworden. Den größten Vorteil sehen die meisten Nutzer darin, dass E-Books - die in der ZB Med seit genau zehn Jahren zum Angebot gehören - anders als beispielsweise nicht ausleihbare Bücher im Bibliotheksbestand rund um die Uhr verfügbar sind. „Das E-Book kann in seiner jetzigen Form das gedruckte Buch allerdings noch nicht ersetzen“, so Salewsky. Es stelle mehr eine Ergänzung mit spezifischen Eigenschaften dar.
Verena Salewksy absolvierte im Zuge ihres Studiums ein Praxissemester in der ZB Med, das die 28-jährige Studentin des Bibliothekswesens mit der E-Book-Umfrage abschloss. „E-Books nehmen sowohl auf Verlags- als auch Bibliotheksseite einen immer festeren Platz ein“, erläutert Salewsky, „Ich wollte nun wissen, wie die studentischen Nutzer dem gegenüberstehen und welche Bedürfnisse sie haben.“ Dafür entwarf sie einen Fragebogen mit 20 Fragen, in dem zunächst nach dem allgemeinen Ausleih- und dem Lernverhalten der Studierenden gefragt wurde. Hierfür arbeitete sie mit Dr. Oliver Obst zusammen, der die mehrfach ausgezeichnete Bibliothek leitet. In der Umfrage wurden spezifisch die Nutzung von E-Books und deren Vor- und Nachteile abgefragt.
Aus den Umfrageergebnissen lassen sich, vereinfacht gesagt, drei Benutzertypen im Hinblick auf das E-Book-Angebot der Zweigbibliothek ableiten. 30 Prozent der befragten Studierenden nutzen mindestens mehrmals pro Monat ein E-Book der ZB Med, 36 Prozent nehmen dieses Angebot nur einmal im Monat oder sogar seltener an. Und ganze 34 Prozent der Umfrageteilnehmer haben sogar bislang noch überhaupt kein E-Book der ZB Med zum Lernen benutzt. Die letzteren beiden Gruppen bevorzugen Buchstaben buchstäblich „schwarz auf weiß“ und bemängeln vor allem die fehlende Haptik der elektronischen Version. Außerdem sind sie mit dem angebotenen Druckbestand zufrieden. Interessant: Seltene Bibliotheksgänger greifen dennoch nicht häufiger von zu Hause aus auf E-Books zu als regelmäßige.
Die Vorteile des E-Books gegenüber seinem gedruckten Pendant liegen für die Nutzer vor allem im einfachen Zugriff, der von überall und rund um die Uhr möglich ist. Zudem werde die Recherche nach bestimmten Themen durch eine Volltextsuche erleichtert. Auch für eigene Zusammenfassungen ist die Kopieren-und-Einfügen-Funktion einiger E-Books praktisch. Die E-Book-Enthusiasten unter den befragten Studierenden gaben außerdem an, dass es so viel leichter sei, auch Grafiken oder Bilder zum besseren Verständnis in die Texte einzufügen.
Auch wegen dieser multimedialen Vorteile haben E-Books der ZB Med in den vergangenen Jahren immer mehr Leser gewonnen. Den Trend zeigt der Vergleich mit einer Studie von 2004. Mittlerweile nutzen knapp zwei Drittel der Studierenden das E-Book-Angebot der Bibliothek, in höheren Semestern sind es sogar mehr als 85 Prozent. An die Beliebtheit des gedruckten Lehrbuchs kommt das E-Book als Lernmittel trotzdem noch lange nicht heran. 93 Prozent der Befragten verwenden für ihren gesamten Lernprozess nahezu immer oder oft gedruckte Werke, 72 Prozent greifen hier vor allem auf ihre Vorlesungsskripte zurück. Etwa die Hälfte macht sich bei Internetquellen wie Wikipedia schlau und nur etwa ein Fünftel bevorzugt E-Books.
Dies könnte laut Verena Salewsky daran liegen, dass viele E-Books bloße digitale Kopien von gedruckten Werken sind: „E-Books sollten aber einen wirklichen Mehrwert gegenüber der gedruckten Version bieten“. So wünschten sich viele Studierende interaktive E-Books, die mit integrierter Lernsoftware ein individualisiertes Lernen ermöglichten. Außerdem könnten sich Studierende und Dozenten via E-Book miteinander vernetzen und auf wichtige Textpassagen aufmerksam machen. Es wäre zudem ein Leichtes, multimediale Inhalte wie Videos oder Sprachaufzeichnungen in das digitale Buch einzubinden. Gerade in einem Bereich wie der Medizin, in dem die Forschung schnell voranschreitet, könnte das E-Book durch das Potenzial der ständigen Aktualisierung ein Lernmittel werden, das immer auf dem neuesten Stand ist.
Noch allerdings machen viele Verlage die Vorteile der E-Books zunichte, indem sie beispielsweise die E-Books nur online und nicht zum Download zur Verfügung stellen. „Und wenn ein Download möglich ist, können die Studierenden häufig nicht komplette Bücher, sondern nur nach Seiten gesplittete Dateien laden, was lästig ist“, moniert ZB-Med-Leiter Dr. Oliver Obst. Auch die eigene Bearbeitung der E-Books sei noch nicht optimal den Bedürfnissen der Nutzer angepasst. So könne das E-Book das gedruckte Buch als Lernmittel noch nicht ersetzen, schlussfolgern Salewsky und Obst aus der Umfragestudie: „Erst wenn E-Books interaktiv, vernetzt und multimedial nutzbar sind und so auf alle Studierenden eingehen, werden sie dem gedruckten Buch vorgezogen werden.“

Link zur Studie

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