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Nature setzt auf Kompetenz von Obst
Münster (mfm/tb) – Der Traumberuf war Bibliothekar keineswegs für ihn - denn eigentlich hatte Oliver Obst ein Fach studiert, das damit nur die Anfangsbuchstaben gemeinsam hat. Als Biologe stand er nach der Promotion aber vor dem Problem, keinen Job zu finden. Der Sachbearbeiter beim Arbeitsamt riet dem gebürtigen Mönchengladbacher, es doch dem Höheren Bibiotheksdienst zu versuchen. Obst folgte dem Tipp, wenn auch widerwillig. „Damals griff ich nach jedem Strohhalm“, so der heute 50jährige. Aus der damaligen Not hat er längst eine Tugend gemacht: Die Zweigbibliothek Medizin (ZB Med), eine Abteilung der Universitäts- und Landesbibliothek Münster, ist zu einem Aushängeschild ihrer Hochschule geworden, seitdem Dr. Obst 1996 ihre Leitung übernahm. Inzwischen kennt man den unermüdlichen Kämpfer für einen freien Wissenszugang auch im Ausland, wie sein neues Ehrenamt belegt: Mit Wirkung zum April wurde er in das Bibliothekskommittee („library committee“) von Nature berufen.
Die englischsprachige Fachzeitschrift veröffentlicht wöchentlich Themen aus verschiedenen, vorwiegend naturwissenschaftlichen Disziplinen. Neben der US-amerikanischen Publikation Science gilt sie als das weltweit angesehenste Journal für Naturwissenschaften. Ihr Impact Factor, Maßeinheit für Zitationen und damit den wissenschaftlichen Stellenwert einer Publikation, liegt mit 28,8 sehr hoch, und auch die Ableger von Nature weekly, so die Nature medicine, belegen meist Spitzenplätze in ihren jeweiligen Kategorien.
Die Bibliothekskommission der hinter diesen Zeitschriften stehenden Nature Publishing Group (NPG) dient dazu, zentrale Themen und Entwicklungen des heutigen Bibliotheksmarktes zwischen den Machern und Nutzern zu erörtern. So werden letztere von NPG als Sachverständige zu Rate gezogen, wenn es um die Strategie, Lizenzen und Produkte des Unternehmens geht. Einmal im Jahr treffen sich Kommitee-Mitglieder und Verlagsvertreter in New York.
Dorthin wird auch Dr. Obst Mitte April fliegen. Wie er zu der Berufung in das Gremium gekommen ist? Das weiß er selbst nicht: „Dazu habe ich nur Vermutungen“. Eine davon lautet, dass der Bibliotheksleiter 2008 am Abschluss eines Lizenz-Rahmenvertrages zwischen der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Nature-Verlag beteiligt war. Er ermöglicht es nun deutschen Forschern, Ärzten und Studenten, aber auch Privatpersonen, auf alle Artikel bis 2007 in der Nature und vier weiteren Nature-Titeln zuzugreifen – insgesamt 400.000. Insider vermuten noch weitere Gründe. Als Herausgeber des viel gelesenen - und sehr verlagskritischen - Weblogs „medinfo.netbib.de“ gelte Obst als Meinungsbildner in seiner Zunft. Und sein Wort habe in Deutschland – einem der weltweit wichtigsten Buchmärkte – auch deshalb Gewicht, weil die ZB Med schon zweimal als beste Medizin-Fachbibliothek bewertet wurde. Im laufenden Jahr, im dem seine Einrichtung erneut vom Centum für Hochschulentwicklung unter die Lupe genommen werden wird, strebt Obst eine weitere Top-Platzierung an. „Im meinem Jahreshoroskop steht: ‚Sie gehören zu den Besten und so soll es bleiben’. Das lässt doch hoffen“, schmunzelt der ZB-Med-Chef – der sonst allerdings nicht an Astrologie glaubt.