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„Wer ein Fahrrad besaß, war schon ein vornehmer Mensch“ - Erinnerungen an ein Medizinstudium in der Nachkriegszeit

Die Schutt-Lore kennt er noch aus eigener Anschauung: Anlässlich des Alumni-Tages der Fakultät besuchte Dr. Hegemann auch das Stadtmuseum (Foto: PC)

Als ältester Besucher fiel er uns auf beim Alumni-Tag der Medizinischen Fakultät: Dr. med. Rolf Hegemann aus Unna. Auf Bitte der "Campus"-Redaktion erinnerte er sich an seine Zeit als münsterscher Medizinstudent in düsterer Zeit und  den Wiederaufbau:

„Damit haben wir nach dem Krieg den Schutt abtransportiert.“ Dr. Rolf Hegemann blickt nachdenklich auf die alte Lore in Münsters Stadtmuseum. Die Feldeisenbahn, zu der das Ausstellungsstück gehörte, hat er 1946 als Medizinstudent gemeinsam mit Kommilitonen selbst vor dem Schloss verlegt. Bei einem Luftangriff im März 1945 war das historische Gebäude bis auf die Außenmauern zerstört worden – wie zuvor die gesamte Innenstadt. Nach dem Krieg hieß es daher für Arbeiter wie für Akademiker: anpacken, aufräumen, aufbauen. Die weiblichen Studenten waren zum „Steine klopfen“ eingeteilt: Von den noch brauchbaren Ziegeln schlugen sie mit einer Hacke die Mörtelreste ab und stapelten sie vor den Ruinen auf. Damit wurde das Schloss wieder aufgebaut, fortan Hauptsitz der Universität.
Genau sechs Jahrzehnte ist es her, dass Rolf Hegemann an der Medizinischen Fakultät Münster seine Promotion ablegte. Bis vor zwanzig Jahren praktizierte der mittlerweile 89-jährige danach als Orthopäde in Unna. Anlässlich des zweiten Alumni-Tages des Medizinischen Fakultät kehrte der Arzt an seine Alma Mater zurück. Und erinnerte sich dabei an gute wie an schlechte Zeiten.
Bevor der gebürtige Münsteraner 1949 seine Laufbahn als Mediziner beginnen konnte, war er wie die meisten Menschen seiner Generation zum Spielball der Geschichte geworden. Nach bestandener Abiturprüfung 1938 fängt er in seiner Heimatstadt ein Jurastudium an, geht nach Berlin und später für ein halbes Jahr nach Rom. „Die Zeit in Italien war eine der schönsten in seinem Leben. Die Universität habe ich allerdings nur selten von innen gesehen“, gibt der agile alte Herr mit einem Schmunzeln zu. Doch das unbeschwerte Leben währt nicht lang: Nach Kriegsausbruch wird der Student zunächst zum Arbeitsdienst und später von der Wehrmacht eingezogen. Als Soldat erlebt er das Grauen der Ostfront vor Moskau und wird später an den Fluss Dnjpr in die östliche Ukraine versetzt. Zweimal bringt man ihn verwundet in das deutsche Lazarett bei Dnipropetrowsk.
Dann - im Herbst 1943 - passiert ein kleines Wunder: Soldaten, die noch keine Offiziere sind - Hegemann ist Feldwebel – und nachweisen können, dass sie Medizin studieren wollen, dürfen zurück nach Deutschland. Hegemann hat Glück: Bei seinem letzten Heimaturlaub hat er sich in Jura exmatrikuliert und stattdessen für Medizin eingeschrieben. Doch der Weg von der Ostfront nach Münster ist weit. Schließlich kann er den Piloten einer Nachschubmaschine, einer JU 52, dazu überreden, dass er ihn auf dem Rückweg von Odessa nach Deutschland mitnimmt. (...)
Lesen Sie hier den zweiten Teil der Erinnerungen von Rolf Hegemann

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