In memoriam Prof. Hermann Freund (1882-1944)
Text: Prof. em. Konrad Löffelholz, Mainz
Prof. Dr. Hermann Freund war von 1924 bis 1936 der erste Direktor des Pharmakologischen Instituts der Medizinischen Fakultät der Universität Münster. Das Institut und die Deutsche Gesellschaft für Pharmakologie (DGP) haben zu seinem Gedenken vor dem Institut und vor seinem letzten Wohnhaus Stolpersteine setzen lassen. Nach seiner Entlassung 1936 zog er in die Annette-von-Droste-Hülshoff-Allee 16 und wohnte dort bis zu seiner Emigration 1939.
Hermann Freund wurde am 11. August 1882 in Breslau als Sohn eines angesehenen Rechtsanwalts und Ehrendoktors der Breslauer Universität geboren. Er studierte Chemie und Medizin und promovierte zum Dr. phil. (Breslau 1906) sowie zum Dr. med. (Heidelberg 1909). Er war als Arzt an der Psychiatrischen Klinik in Breslau und am Städtischen Krankenhaus in Wiesbaden tätig und habilitierte sich 1916 für das Fach Innere Medizin. Seine Ausbildung als Chemiker und Mediziner prädestinierte ihn für das Fach Pharmakologie, für das er 1919 die venia legendi erhielt. 1922 wurde er a.o. Professor am Pharmakologischen Institut in Heidelberg. Obwohl er aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Kriegsdienst im 1. Weltkrieg eingezogen wurde, erhielt er für seine Verdienste als Lazarettarzt in der Heimat das Kriegsverdienstkreuz des Großherzogs von Baden.
Am 1. Oktober 1924 wurde er zum Leiter des im Entstehen begriffenen Pharmakologischen Instituts in Münster berufen. Das Institut wurde zusammen mit der gesamten Medizinischen Fakultät 1925 offiziell eröffnet. Freund wohnte im Dachgeschoss des Instituts (Domagkstraße 12, damals: Am Westring 12). Am 30. März 1933, eine Woche vor Inkrafttreten des Beamtengesetzes, drang ein SA-Sturmführer und "Adjutant der SA-Standarte 13" in das Institut ein und untersagte Freund die weitere Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit und den Aufenthalt in den Diensträumen.
Die Universität akzeptierte zunächst diese Beurlaubung und ernannte Prof. Zipf zum kommissarischen Leiter. Der Protest zweier Schüler Freunds hatte Erfolg. Aufgrund seiner frühen verdienstvollen Beamtentätigkeit (siehe oben) konnte die Beurlaubung nach § 3.2 des "Beamtengesetzes" im Oktober 1933 aufgehoben werden. Er trat aus der jüdischen Gemeinde aus, vermutlich um jeglichen Zweifel an seiner politischen Zuverlässigkeit als deutscher Staatsbürger auszuräumen. Im September 1934 leistete er den Diensteid der Beamten auf Adolf Hitler. Freund war deutscher Patriot. Die antisemitischen Grausamkeiten waren für ihn undeutsche Propaganda. Berufsverbot und endgültige Entlassung erfolgten am 1. Januar 1936. Für einen jüdischen Wissenschaftler war es sehr ungewöhnlich, dass er bis dahin Vorlesungen vor gut besuchten Hörsälen halten konnte und 1936 noch zwei wissenschaftliche Arbeiten über seine Hauptforschungsgebiete (intermediärer Stoffwechsel, speziell Muskelstoffwechsel) publizierte (siehe Literatur). Kurz nach seiner Entlassung (20. März) zog er in die Annette-Allee 16. Kollegen und Freunde besuchten ihn nur noch im Dunkeln.
Literatur
Freund H (1936) Über die Muskelwirkung der Digitalisstoffe. Naunyn-Schmiedebergs Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie. Band 180, S. 189-208.
Freund H (1936) Angriffspunkte, Wirkungsrichtung und intermediärer Stoffwechsel. Naunyn-Schmiedebergs Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie Band 180, S. 416-436.
Huhn I, Kilian U (2010): Es wird alles gut werden. Der Briefwechsel zwischen dem jüdischen Pharmakologen Hermann Freund und seinem Schüler Willy König 1925 bis 1939. Münster, Aschendorff. Willy König war einer seiner ersten Schüler in Münster. Der Briefwechsel ist Ausdruck einer tiefen Freundschaft, ist eine wichtige Quelle zum Verständnis seines alltäglichen Lebens unter dramatisch wechselnden Umständen und vor allem auch seiner persönlichen Sicht der jeweiligen politischen Situation.
Löffelholz K, Trendelenburg U (2008): Verfolgte deutschsprachige Pharmakologen 1933-1945, Dr. Schrör Verlag, Frechen. ISBN 3-9806004-8-3. Die Autoren untersuchten das Schicksal Hermann Freunds und seiner deutschsprachigen Kollegen, die aus rassistischen oder politischen Gründen verfolgte wurden.
Möllenhoff G, Schlautmann-Overmeyer R (1995): Jüdische Familien in Münster 1918-1945. Biographisches Lexikon. Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster. Enthalten ist eine sehr detaillierte und sehr gut recherchierte Darstellung von Hermann Freunds Leben.