Mit dem Wind bis ans Ende der Welt: WWU-Alumnus Eike Sauerbrey ist einer der wenigen „Kaphoorniers“

Damals Lebenstraum, heute eine schöne Erinnerung: Durch eine Umrundung der südamerikanischen Landspitze unter Segeln avancierte Dr. Eike Sauerbrey zum „Kaphoornier“ (Foto: WWU / Erk Wibberg)

Das Dreimast-Vollschiff Khersones bei der Kieler Woche 2005 (Foto: Losty/Wikipedia)

Münster(mfm/mw) – Drei Monate, zwei Weltmeere, ein Segelschiff: „Es war wie ein wahr gewordener Traum“, schwärmt Dr. Eike Sauerbrey. Dreizehn Wochen war der Mediziner an Bord der „Khersones“, um ein großes Ziel zu erreichen: die Umrundung der südlichen Landspitze auf der chilenischen Felseninsel Isla Hornos – besser bekannt als Kap Hoorn. Da die Passage mit der Kraft des Windes erfolgte, darf sich der Alumnus der Universität Münster zu den wenigen lebenden „Kaphoorniers“ zählen: zu den Seeleuten, die auf einem Segelschiff das Kap Hoorn umrundet haben.

Als südlichster Punkt Südamerikas - respektvoll auch als „Ende der Welt“ bezeichnet - ist das Kap Hoorn nicht nur unter Seefahrern berühmt und berüchtigt. An durchschnittlich 300 Tagen im Jahr stürmt es hier, an 280 regnet es. Unzählige Schiffe sind beim Versuch der Umrundung gesunken. Dieses Schicksal sollte aber nicht der Khersones widerfahren: Auf dem Schulschiff lernten ukrainische Kadetten als Offiziersanwärter Disziplin, Kameradschaft, Mut und vor allem Ausdauer. Einige wenige Glückspilze - wie der Hobbysegler Sauerbrey – durften als „Trainees“, also zahlende Mitsegler, für 10.000 Mark dabei sein. „Bevor die Segel überhaupt gehisst waren, hatte ich allerdings schon jede Menge Gegenwind“, erzählt der gebürtige Dresdener. Während die zukünftige Ehefrau die Idee befürwortete und ihrem Verlobten sogar einschlägige Segler-Literatur beschaffte, war dessen Chef über die 13-wöchige Fehlzeit nicht gerade begeistert. Letztlich gab es aber doch grünes Licht und Sauerbrey schipperte dort, wo Kolumbus und Cortés scheiterten, gemeinsam mit 60 Kadetten auf den Spuren Magellans.

Die Reise begann im November 1996 auf Teneriffa und endete drei Monate später im argentinischen Buenos Aires. Karibische Trauminseln, peruanischer Urwald und die Sonnenuntergänge am endlosen Horizont machten die Reise paradiesisch. „Oh, wie schön ist Panama!“, dachte sich der Anatom, als sich das Segelschiff am Panamakanal im morgendlichen Nebel ankernden Schiffen näherte. Das frühmorgendliche Pan(or)ama-Bild hatte Sauerbrey, weil für ihn die Reise nicht alleiniges Urlaubsvergnügen war: Freiwillig packte er mit an, schrubbte beispielsweise das Deck oder hielt - wie an jenem Morgen - die Frühwache. Seine Fitness dankte es ihm: „Nach der Reise war ich in der Form meines Lebens. Den 50 Meter hohen Fockmast konnte ich wie ein Affe aufentern“, schwärmt der heute 79-jährige.

Die Khersones ist mit 100 Metern Länge und ihrem rotem Anstrich nicht gerade unauffällig. Die Bekanntheit des Dreimast-Vollschiffes basiert aber nicht nur auf der imposanten Erscheinung, sondern auf einem TV-Ereignis, über das ganz Deutschland sprach: 1996 wurde der Segler durch die Fernsehshow „Wetten, dass…?“ bekannt: Gegenstand einer Wette war das Betätigen von Lichtschaltern mit Hilfe der Rahnocken (große, segeltragende Rundstangen) beim Durchfahren einer Lübecker Hebebrücke. Die verrückte Idee glückte. Nicht einmal ein Jahr später umrundete die Khersones mit dem Münsteraner Sauerbrey an Bord als erster Großsegler nach knapp 50 Jahren erfolgreich das Kap Hoorn.

„Ich wollte nach dem Abi zur See fahren, aber das hat nicht geklappt.“, sagt er. „Stattdessen studierte er in Hannover sowie an der WWU Medizin und wurde dann Mitarbeiter des Anatomischen Instituts in Münster, was er bis zur Rente blieb. Fest etabliert im Medizinerberuf konnte Sauerbrey mit 54 Jahren seinen Lebenstraum nachholen. Als aktiver Sänger des Marine-Shanty-Chors Münster ließ der „Kaphoornier“ die Erinnerungen an die Zeit auf hoher See später immer wieder aufleben. Ein ganz anderes Schicksal hatte indessen die Khersones: Durch die Annektierung der Krim fiel sie in die Hand der russischen Marine und dient, schenkt man inoffiziellen Internetquellen Glauben, dieser heute als Schulschiff. Trainees können nicht mehr anheuern.

Text: Maja Wollenburg

(Mit diesem Bericht setzt der Alumni-Verein „MedAlum“ der Medizinischen Fakultät Münster seine Reihe von Porträts ungewöhnlicher „Ehemaliger“ fort. Basis der Serie ist das Absolventenregister von MedAlum.)

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