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Visuelle Analyse für die Medizin: José Matute entwickelte neue Verfahren zur Interpretation großer Datenmengen

José Matute erklärt, wie seine Visualisierungen bei der Interpretation großer medizinischer Datenmengen helfen – beispielsweise, um Populationsverteilungen zu untersuchen (Foto: WWU/P. Leßmann)

Münster (upm/kk) - In Deutschland sind schätzungsweise rund 91 Prozent aller Todesfälle auf sie zurückzuführen: die sogenannten nicht übertragbaren Krankheiten. Dazu gehören beispielsweise Krebs, Alzheimer, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Tendenz ist steigend. Medizinerinnen und Mediziner beschäftigen sich schon lange mit der Entstehung, Verbreitung, Bekämpfung und den sozialen Folgen dieser epidemiologischen Erkrankungen. Dass eine Vielzahl von Faktoren für die individuelle Entwicklung dieser Krankheiten verantwortlich ist, ist den meisten Experten klar. Doch welche Muster oder Merkmale hinter diesen Verläufen und den Ursachen stehen, ist nicht immer eindeutig.

„In den vergangenen Jahren wurden umfassende Gesundheitsstudien durchgeführt, um Einflussfaktoren für die Entstehung und Behandlung nicht übertragbarer Krankheiten zu entdecken. Damit stehen Unmengen an Informationen und Daten zur Verfügung, die es zu interpretieren und zu vergleichen gilt. Die manuelle Verarbeitung wäre viel zu umfangreich – computergestützte Verfahren sind daher eine Notwendigkeit, um Ordnung und Verständnis zu schaffen“, erklärt Dr. José Matute. In seiner Dissertation am Institut für Informatik der WWU entwickelte er neue Verfahren zur interaktiven visuellen Datenanalyse in der Medizin. Mit einem interdisziplinären Ansatz schlägt die Forschungsarbeit des 30-jährigen gebürtigen Honduraners eine Brücke von den theoretischen und informatischen Grundlagen der Visualisierung zur medizinischen Bildanalyse und schlussendlich zu ihren praktischen Anwendungen.

„Das Besondere an diesem Verfahren ist, dass sehr große und heterogene – also verschiedene – medizinische Datensätze berücksichtigt werden können. Mit den bisherigen Methoden konzentriert man sich meist auf einen einzigen Datentyp, was die Komplexität bestimmter Erkrankungen und ihrer Verläufe nicht widerspiegelt,“ sagt Prof. Lars Linsen, Leiter der Arbeitsgruppe „Visualization and Graphics (VISIX)“ am Fachbereich Mathematik und Informatik, der José Matutes Dissertation betreut. Dessen Visualisierungsmethoden erlauben es, aus großen Datenmengen relevante Informationen zu gewinnen und diese für den Menschen effektiv und intuitiv erfassbar darzustellen.

Methodisches Vorgehen

In seiner Forschung berücksichtigte José Matute sowohl numerische Werte wie etwa Körpergröße, Gewicht und Alter als auch sogenannte kategorische Merkmale, zum Beispiel Geschlecht, Blutgruppe und Grad der persönlichen Zufriedenheit. Als Datenquelle dienten unter anderem medizinische Gutachten, Laboruntersuchungen, Interviews und Fragebögen. Die Datensätze flossen in die Visualisierungsmethoden ein und ermöglichten es, Faktoren zu erkennen, die einen positiven (präventiven) oder negativen (Risiko-)Einfluss auf die Entwicklung einer nicht übertragbaren Krankheit haben können.

Zunächst erarbeitete der Nachwuchswissenschaftler eine schnelle und einfach zu bedienende informatische Methode zur Berechnung von sogenannten „Principal Graphs“ (Hauptgraphen) aus Streudiagrammen, die zur Ermittlung der Stärke einer Beziehung zwischen zwei numerischen Variablen dient. Bei den Graphen handelt es sich um spezielle Kurven, die verwendet werden, um die in den Daten vorhandenen Trends zu beschreiben und Eigenschaften abzuleiten. Um mit komplexeren Kombinationen von Datentypen umzugehen, hat José Matute zwei bekannte Ansätze zur interaktiven Analyse numerischer Daten auf heterogene Datensätze erweitert. Diese Ansätze sind in der Lage, mehrere Datentypen bei der Analyse zu berücksichtigen und den Benutzer bei der Bewältigung visueller Analyseaufgaben strukturiert zu führen. „Mithilfe dieser neuen Methoden können wir Subpopulationen betrachten – also bestimmte Teile der Bevölkerung, die ein gemeinsames Merkmal aufweisen – und versuchen, das Auftreten von präventiven Faktoren für Krankheiten zu erkennen“, erläutert Prof. Henry Völzke von der Universitätsmedizin Greifswald. Er stellte José Matute die Daten für die Analyse zur Verfügung und brachte seine Expertise im Bereich der Epidemiologie ein.

Um die neuen visuellen Verfahren zu testen, entwickelte José Matute eine Reihe von Anwendungen: für die Planung von Aorten-Operationen, für die zweidimensionale Visualisierung komplexer Gefäßstrukturen und zur Analyse von Nieren-Segmentierungen. „Ich fand heraus, dass die visuellen Verfahren für die getesteten Bereiche vielversprechend sind. Vor allem die schnelle und effiziente Untersuchung großer Datensätze zur Gewinnung medizinischer Erkenntnisse ist ein großer Vorteil – sie sind damit von großer praktischer Relevanz“, fasst José Matute zusammen.

Quelle: Unizeitung wissen|leben, Nr. 2/2021