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Studie zur männlichen Unfruchtbarkeit soll Entwicklung neuer Verhütungsmittel für Frauen vorantreiben
Das münstersche Forschungsteam vor dem Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA): Prof. Sabine Kliesch, Judith Grubel, Jule Brauckmann, Prof. Timo Strünker, Dr. Jessica Kurzella, Prof. Frank Tüttelmann, Dr. Rebecca Fricke und Dr. Christoph Brenker (v.l.n.r., nicht im Bild: Dr. Maria Schubert) (Foto: Uni MS/M. Ibrahim)
Münster (mfm/jg) – Ein internationales Konsortium unter Führung von Forschenden der Universität Münster erhält fünf Millionen Dollar Förderung von der Gates Foundation. Die Daten, die in der damit finanzierten großangelegten Studie erhoben werden, sollen nicht nur die Früherkennung männlicher Unfruchtbarkeit und deren Behandlung verbessern, sondern auch die Verhütungsforschung maßgeblich vorantreiben. Dazu haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Medizin, Biologie, Physik und Mathematik der Universitäten Münster, Birmingham und Dundee (beide: Großbritannien) zusammengefunden.
Fehlende Geschlechtergerechtigkeit ist nach wie vor ein globales Problem – das zeigt sich auch beim Thema Verhütung. Tatsächlich haben mehr als 200 Millionen Frauen weltweit keinen Zugang zu modernen Verhütungsmitteln. Die Entwicklung neuer nicht-hormoneller Verhütungsmethoden für Frauen ist daher nicht nur aus medizinischer Sicht erstrebenswert, sondern fördert auch die weibliche Selbstbestimmung. Ein vielversprechender Ansatz liegt darin, die männlichen Spermien im Körper der Frau zielgerichtet auszuschalten: Dafür muss man genau verstehen, wie Spermien funktionieren, zur Eizelle gelangen und diese dann befruchten – und vor allem, was dabei schiefgehen kann. Die Ursachen männlicher Unfruchtbarkeit wurden jedoch zu lange nicht intensiv erforscht. Um die Entwicklung von neuen Verhütungsmitteln voranzutreiben, müssen daher zunächst umfangreiche wissenschaftliche Daten zu diesem Thema erhoben werden.
Das internationale Forschungsteam möchte diese Lücke nun schließen: Dafür werden zunächst neue Methoden entwickelt und validiert, mit denen sich die Funktion von Spermien genau analysieren lässt. Mithilfe dieser neuen Analysemethoden werden dann systematisch die Spermien von 1.000 fruchtbaren Männern untersucht, die auf natürliche Weise Kinder gezeugt haben, und mit den Spermien von 1.000 unfruchtbaren Männern verglichen. So soll bestimmt werden, welche Spermienfunktionen besonders kritisch für eine erfolgreiche Befruchtung sind. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse sollen dann neue Konzepte für Verhütungsmittel getestet werden.
„Wir sind zuversichtlich, dass die Studiendaten ermöglichen, männliche Unfruchtbarkeit künftig früher zu erkennen und die davon betroffenen Paare klinisch noch besser versorgen zu können“, sagt Prof. Timo Strünker, Biologe am Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA) der Universität Münster sowie Koordinator des Konsortiums. Bei vielen unfruchtbaren Männern sind die Spermienparameter, die in der klassischen Samenanalyse, dem Spermiogramm, bestimmt werden können, nämlich im Normalbereich. Die Unfruchtbarkeit dieser Männer beruht demnach auf funktionellen Defekten der Spermien, die durch die derzeit verfügbaren Analysemethoden nicht erkannt werden können.
Nun werden in der aktuellen Studie erstmals mit mehreren neuartigen Analysetechniken die Spermien von fruchtbaren und unfruchtbaren Männern im großen Maßstab direkt verglichen. Die Studienteilnehmer werden in Deutschland, England und Schottland rekrutiert, was dazu beiträgt, dass die Ergebnisse weithin übertragbar sind. „Ein Fokus liegt darauf, detailliert zu bestimmen, wie der Spermienschwanz schlagen muss, damit sich die Spermien effektiv fortbewegen können“, erläutert Dr. Meurig Gallagher von der School of Medical Sciences, Universität Birmingham. „Dazu wird eine neue Analysesoftware namens 'FAST' eingesetzt, die in Birmingham entwickelt wurde und mit der sich das Schlagmuster genau auslesen lässt. Diese Analysen sind praktisch ein ‚Fitnesstest‘ für Spermien und geben Aufschluss über deren Leistungsfähigkeit.“
Das Verständnis, wie genau sich Spermien von fruchtbaren und unfruchtbaren Männern funktionell unterscheiden, hilft dann dabei, neue Wirkstoffe zu entwickeln: Diese sollen die Spermien im weiblichen Körper quasi ausschalten und so verhindern, dass sie die Eizelle befruchten. Die Entwicklung solcher innovativer, nicht-hormoneller Verhütungsmittel, die die Frau einnehmen kann, ist ein Anliegen von globaler Bedeutung.
Die Studie hat gerade begonnen und soll innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen werden. Geleitet und koordiniert wird sie von Prof. Timo Strünker, Prof. Sabine Kliesch, Dr. Christoph Brenker (alle: CeRA) und Prof. Frank Tüttelmann (Centrum für Medizinische Genetik) an der Universität und am Universitätsklinikum Münster. Durchgeführt wird sie in Zusammenarbeit mit Dr. Sarah Martins da Silva, Dr. Zoe Johnston und Prof. Christopher Barratt vom Ninewells Hospital und der Medical School der Universität Dundee sowie Prof. Jackson Kirkman-Brown (Centre for Human Reproductive Science) und Dr. Meurig Gallagher (Metabolism and Systems Science) von der Universität Birmingham.