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Interdisziplinär gegen den Krebs: Die münstersche Strahlenbiologie entwickelt innovative Verfahren zur Tumorbehandlung

Die Doktorandinnen Isabel Falke und Maria Löblein bei der Analyse durchflusszytometrischer Messdaten (Foto: WWU/Michael Möller)

Das Team um Klinikdirektor Prof. Hans Theodor Eich (4.v.l) und Prof. Burkhard Greve (3.v.l.) vor dem Halcyon-Bestrahlungsgerät (Foto: WWU/Michael Möller)

Münster (upm) - In Deutschland leben rund 4,6 Millionen Menschen mit einer Krebsdiagnose; die Zahl der Neuerkrankungen liegt bei 510.000 Menschen pro Jahr. Nach wie vor gehört Krebs damit zu den Haupt-Todesursachen - obwohl sich die Heilungschancen aufgrund innovativer Therapien erheblich verbessert haben. Auf der Suche nach neuen Ansätzen und Methoden ist auch das Labor für Strahlenbiologie an der Medizinischen Fakultät der WWU: Prof. Dr. Burkhard Greve erforscht mit seinem Team die Auswirkungen von Strahlung auf biologische Systeme, etwa menschliche Zellen.

Die WWU ist deutschlandweit eine der wenigen Universitäten, die über ein strahlenbiologisches Forschungslabor verfügen. „Die Strahlenbehandlung von Tumorpatienten ist unverzichtbar. Unsere strahlenbiologische Expertise beschäftigt sich beispielsweise mit der Umrechnung und biologischen Beurteilung von Bestrahlungskonzepten und -zeiten, der Bewertung von Re-Bestrahlungen sowie der Dosisbegrenzung des gesunden Gewebes“, erklärt Burkhard Greve, der seit 16 Jahren das Labor leitet.

In der Robert-Koch-Straße gelegen, reiht es sich in weitere rote Backsteingebäude der Medizinischen Fakultät ein. Die Laborräume im zweiten Obergeschoss sind lichtdurchflutet und mit allerlei technischen Geräten bestückt. Eine Besonderheit ist der 3D-Biodrucker. Mit ihm lassen sich die unterschiedlichen extrazellulären Matrices herstellen und kombinieren. „Der Drucker ermöglicht es, synthetische Gefäß- und Gewebestrukturen zu erstellen und darin verschiedene Zellen einzubetten sowie zu kultivieren. Das bietet zudem den Vorteil, 3D-Modelle außerhalb von Tierversuchen zu erproben“, erläutert Dr. Fabian Troschel, der als sogenannter „Clinician Scientist“ neben seiner Arbeit in der münsterschen Uniklinik ein Forschungsprojekt über Brustkrebs leitet.

Im Labor untersucht er die Beschaffenheit und hohe Therapieresistenz des sogenannten „triple-negativen Mammakarzinoms“, einer besonders aggressiven Art des Brustkrebses. „Wir analysieren den Einfluss RNA-bindender Proteine auf die Ausprägung von Krebsstammzellen sowie die Resistenz gegen eine Bestrahlung“, erklärt der angehende Facharzt für Strahlentherapie. Für seine Forschung nutzt er ein multiparametrisches Durchflusszytometer, mit dem er in Sekundenbruchteilen einzelne Zellen einer Gewebeprobe auf ihre Merkmale prüfen kann. Dafür kommen verschiedene eingebaute Laser zum Einsatz. Mithilfe von Spiegeln und Filtern können die zuvor mit Fluoreszenz-Markern versehenen Zellen nach ihren Eigenschaften sortiert werden. Gleichzeitig zählt das System die Gesamtheit aller Zellen und bestimmt die gesuchte Teilmenge. Das Verfahren hilft Fabian Troschel unter anderem dabei, Krebsstammzellen aus der Probe zu extrahieren, sie zu kultivieren und mittels Bestrahlung auf ihre Therapieresistenz zu prüfen.

Labor und Klinik arbeiten Hand in Hand

Die Ergebnisse von Fabian Troschel und weiteren Forschungsprojekten des Labors unweit des Schlosses finden unmittelbar Anwendung in der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie der Uniklinik. „Der translationale Forschungsansatz zeichnet unsere Zusammenarbeit zwischen Patientenversorgung und dem Labor besonders aus“, erläutert Klinikdirektor Prof. Hans Theodor Eich. „Die Grundlagenforschung bildet dabei die Basis für diesen Prozess.“ Mehr als 2.000 Patienten werden in der Klinik jährlich behandelt. Für den Therapieerfolg maßgeblich sei die interdisziplinäre Vernetzung zwischen den verschiedenen Kliniken im Westdeutschen Tumorzentrum, einem Verbund der Unikliniken Münster und Essen, sowie die gute Zusammenarbeit mit externen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. Innerhalb der Klinik für Strahlentherapie spiele die kombinierte Expertise aus Medizin, Medizinphysik und Strahlenbiologie eine zentrale Rolle.

Labor und Klinik schöpfen durch ihre Interdisziplinarität und Kooperation weitere Potenziale aus, indem sie Studierende und wissenschaftliche Nachwuchskräfte frühzeitig einbinden. „Wir betreuen eine ganze Reihe an Masterarbeiten und Dissertationsprojekten. So profitieren einerseits die jungen Menschen von der praktischen Arbeit im Labor sowie den Einblicken in den Klinikalltag, andererseits befördern sie auch unsere Forschung“, betont Burkhard Greve. Das sieht auch der Medizinstudent Jan Vorwerk so: „Die Theorie im Studium ist wichtig, aber erst die Einblicke in die Praxis stärken das Verständnis von Tumorerkrankungen, Diagnostik und Therapie.“

Von der technischen Ausstattung der Klinik sind nicht nur die medizinischen Nachwuchskräfte, sondern auch die Wissenschaftler und Ärzte begeistert. Zu den innovativen strahlentherapeutischen Verfahren gehört neben einem Tomotherapiegerät und drei TrueBeam-Hochleistungslinearbeschleunigern auch ein Halcyon-Bestrahlungsgerät. „Unsere modernen Bestrahlungsgeräte ermöglichen eine sehr schnelle und hochpräzise Behandlung des Tumorgewebes und schonen dabei das gesunde Gewebe in der Umgebung des Tumors optimal“, erklärt Hans Theodor Eich. Bei der Bestrahlung wird automatisch über eine Computertomografie ein Bild des Körpers erzeugt, sodass die Experten die Bestrahlungsdosis und das exakte Zielgebiet der Bestrahlung noch präziser als ohnehin berechnen können.

Ausblick: Seltene Erden in der Strahlungsbiologie

Aktuell arbeiten die Wissenschaftler an einem neuen Projekt: Unter Leitung von Strahlen-Biologen und -Physikern aus der strahlentherapeutischen Klinik und in Kooperation mit der Fachhochschule für Angewandte Wissenschaften Steinfurt soll ein neues Verfahren entwickelt werden, das die therapieverstärkende Wirkung und die bildgebenden Eigenschaften von Nanopartikeln aus seltenen Erden untersucht. In der angestrebten medizinischen Anwendung könnten Nanopartikel zukünftig während einer Tumoroperation in die Wundhöhle gegeben und zusammen mit dem Gewebe bestrahlt werden. Die Teilchen werden ihrerseits angeregt und geben in der Folge DNA-schädigende UV-C-Strahlung ab, die das Tumorgewebe lokal weiter bekämpfen soll. Bis es jedoch so weit ist, bedarf es noch viel Arbeit im Labor. (K. Kottke / A. Bednarz)

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