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In geschwungener Reihe: „Fünf Kinder“ sollten einst die Sorgen vor dem Klinikbesuch nehmen

Die Skulptur „Fünf Kinder“ empfängt Patienten und Besucher am Eingang West des Zentralklinikums (Foto: WWU/MünsterView)

Münster (upm) - Nähert man sich dem Universitätsklinikum Münster über die Fußgängerbrücke des Parkdecks, Ebene 04, Aufgang Südwest, ragt rechts der westliche Turm des Zentralklinikums auf. Unterhalb der Brücke rollt der Verkehr, zwei Fahrspuren leiten die Besucherströme. Immer wieder erklingt ein quietschendes Geräusch, wenn ein Auto die metallenen Temposchwellen passiert. Im Schatten des monumentalen „Bettenturms“ liegt der Eingang West. Dort, vor Kopf des Vordachs, hinter einem hohen Laternenmast, sieht man aus der Ferne eine kleine winkende Hand, scheinbar in der Bewegung erstarrt. Beim Näherkommen erkennt man: Die Hand gehört zu einer Skulptur, zu einem von fünf bronzenen Kindern, die nebeneinander auf einem Betonsockel stehen und ihre Bäuche herausstrecken.

Die Figuren sind ein Werk von Hilde Schürk-Frisch. Die Bildhauerin studierte an der Kunstakademie in München und an der Akademie für bildende Künste in Berlin. Sie wurde mit ihrer Kunst später sehr erfolgreich und für ihre Arbeiten überregional bekannt. Hilde Schürk-Frisch kam 1915 in Ennigerloh als achtes von zwölf Kindern zur Welt. Sie verbrachte den größten Teil ihres Lebens in Münster, wo sie nach dem Zweiten Weltkrieg als freischaffende Künstlerin tätig war – als Kriegswitwe und Mutter von drei Kindern. Ihr Mann, der Jurist Dr. Josef Schürk, war in den letzten Kriegswochen 1945 gefallen. „Es ist eine bemerkenswerte Leistung, dass sie es geschafft hat, im Nachkriegsdeutschland als Künstlerin erfolgreich zu sein und gleichzeitig als alleinerziehende Mutter drei Kinder großzuziehen“, unterstreicht Dr. Eckhard Kluth, Kustos der WWU.

Die 2008 verstorbene Wahl-Münsteranerin schuf viele ihrer Arbeiten im Auftrag öffentlicher Einrichtungen, häufig auch Kirchenkunst. „Hilde Schürk-Frischs Kunst folgt aber nicht dem abstrakten Mainstream, sondern bleibt ihrer darstellenden Bildsprache treu“, ordnet Eckhard Kluth ihr Werk ein. Intensiv setzte sie sich mit dem Thema „Mutter und Kind“ auseinander und auch mit dem Menschen und seiner Beziehung zu Gott. In ihren Einzelskulpturen verarbeitete sie persönliche Erfahrungen und Empfindungen. „Auch wenn viele ihrer Arbeiten Auftragswerke sind, erkennt man doch immer ihre Handschrift“, sagt Eckhard Kluth.

Auch „Fünf Kinder in geschwungener Reihe“ entstand als Auftrag, nachdem die Künstlerin sich bei einem Wettbewerb im „Kunst-am-Bau“-Programm des Landes Nordrhein-Westfalen durchgesetzt hatte. 1957 wurde ihre Skulptur am Eingang zur damaligen Kinderpolyklinik an der Robert-Koch-Straße 41 aufgestellt. In dem roten Backsteingebäude ist heute das Institut für Hygiene untergebracht. Das Universitätsklinikum war Ende der 1950er-Jahre Teil der Universität, das Zentralklinikum war noch nicht gebaut. Im Zuge der Eröffnung der „Bettentürme“ Anfang der 1980er-Jahre brachte man die zwei Meter breite und 1,10 Meter hohe Bronzeskulptur an ihren jetzigen Standort.

„Die Gestaltung ist nicht realistisch, sondern erinnert an Kinderbuch-Illustrationen der damaligen Zeit“, erläutert Eckhard Kluth. „Denkbar ist, dass die Reihe der fröhlich lächelnden Kinder mit ihrer beschwingten Bewegung in Richtung Eingang den Eltern und Kindern die Angst vor einem Besuch der Polyklinik nehmen sollte.“

Zurück zum „Bettenturm West“. Auf der Holzbank zu Fußen der fünf Kinder sitzt an diesem sonnigen Vormittag ein Patient des Klinikums und telefoniert. Die Bronzeskulpturen scheinen fast nach hinten zu kippen, so sehr lehnen sich die Figuren ins Hohlkreuz. Die beiden Kinder am äußeren Rand ziehen die anderen weg vom Eingang des Krankenhauses, so sieht es zumindest beim Betrachten von der Seite aus. Oder winken sie die Besucher herbei? So wirkt es von vorn. Während wenige Meter entfernt Taxis an ihrem Wartestand warten, Menschen entlangschlendern oder hastig ihren Weg suchen, lächeln die Kinder – stumm.

Christina Hoppenbrock (aus der WWU-Uni-Zeitung wissen.leben)