Ein Arzt im Generalsrang: Nobert Weller kam über die Bundeswehr in die Medizin – und ins Krisenmanagement

Machte als Mediziner Karriere bei der Bundeswehr – aber nicht am OP-Tisch: Generalstabsarzt Dr. Norbert Weller hat den zweithöchsten Dienstgrad der Sanitätsoffiziere der Bundeswehr (Foto: M. Laymann)

Münster (mfm/sw) – Als Arzt bei der Bundeswehr? Schnell schießen einem Bilder von Einsätzen in Kriegsgebieten - etwa Afghanistan oder Mali - in den Kopf: Ärzte, die unter Beschuss Verwundete behandeln und dabei ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen. Doch der Arztberuf bei der Bundeswehr ist mehr als das: Dr. Norbert Weller hat vor rund 40 Jahren seine Karriere in seiner - wie er es nennt - „medizinischen Heimat Münster“ begonnen - und ist jetzt Generalstabsarzt und Chef des Stabes in der höchsten Kommandobehörde im Sanitätsdienst. Höher hinauf geht es kaum für einen Mediziner, der zugleich Soldat ist. Erwartet hätte der gebürtige Unnaer das zu Beginn seines Studiums an der Universität Münster (WWU) nicht - damals träumte er noch von einer rein medizinischen Karriere in der Kardiologie.

Begonnen hat Wellers Berufsweg im Jahr 1980: Damals bewarb er sich um einen der bundesweit 200 Studienplätze in der Humanmedizin über die Bundeswehr, landläufig „Bundeswehr-Quote“ genannt. Neben den möglichen „Nachteilen“ - langjährige Verpflichtungszeit und geringere Verfügbarkeit an Universitäten und Weiterbildungsstätten -  liegen auch heute noch die Vorteile dieses Weges auf der Hand: finanzielle Unterstützung durch die Bundeswehr bereits während des Studiums, keine Wartezeiten auf einen Studienplatz – und der Numerus clausus ist nicht der Schlüssel für die Bewerbung. Wobei die schulischen Leistungen keineswegs eine untergeordnete Rolle spielen - im Gegenteil: Drei Tage dauert der anspruchsvolle Eingangstest im Assessmentcenter der Bundeswehr. Notendurchschnitt, naturwissenschaftliche Vorkenntnisse, sportliche Eignung sowie die Eignung zum Offizier werden in Köln auf Herz und Nieren geprüft.

Trotz der vorgeprägten Zukunft beim „Bund“ und der parallelen Offiziersausbildung in den Semesterferien fühlte sich Weller wie ein „normaler Student“ - war aber eben auch Sanitätsoffizieranwärter. Das bedeutet bis heute: Die dreimonatige Grundausbildung ist auch für angehende Ärztinnen und Ärzte Pflicht – und: Sie erlernen in den Semesterferien das „militärische Handwerk“, Führungstechniken sowie rechtliche Grundlagen. Dabei spielen der Umgang miteinander und mit dem Umfeld eine große Rolle: „Wir beschäftigen uns auch mit der Frage, wie und wo Soldaten in der Gesellschaft verortet sind“, erklärt der Generalstabsarzt.

Der Werdegang und die damit verbundenen Dienstgrade bei der Bundeswehr wirken auf Laien komplex – Weller durchlief mehrere Stationen und Städte bis zur heutigen Position als sogenannter „Chef des Stabes Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr“ in Koblenz, die er seit 2018 innehat. Die erste Station als Sanitätsoffizier und Assistenzarzt nach der Approbation 1986: das damalige Bundeswehrkrankenhaus in Hamm. In der östlichsten Ruhrgebietsstadt absolvierte Weller seine klinische Weiterbildung, die zunächst allgemeinmedizinisch ausgerichtet war. Nach Abschluss der ersten klinischen Weiterbildungsabschnitte erklomm der junge Mediziner weitere Stufen der Karriereleiter und wurde promoviert; seine kurativ tätige Zeit endete jedoch schon 1991 nach der Zeit als Truppenarzt in Münster – bevor sich die ersten Türen auf der Führungs- und Managementebene öffneten.

„Beim nationalen Lehrgang Generalstabs-/Admiralstabsdienst an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg ergab sich die Gelegenheit, in die Führungs- und Managementetage einzusteigen – was zuvor alles andere als geplant war“, erzählt der WWU-Alumnus rückblickend. Von dieser Stelle aus ergaben sich immer weitere Chancen, bis zu dem Punkt, an dem er heute steht. „Mein Herz schlägt – auch heute noch – für die Kardiologie“, so der 62-Jährige. „Und auch wenn alles anders gekommen ist und ich nicht mehr kurativ arbeite: Man hört nie auf Arzt zu sein“, lächelt Weller - und meint damit: „Man stellt sich auch mal gern in die Notaufnahme des Bundeswehrzentralkrankenhauses – und man hört auch nicht auf, wie ein Arzt zu denken“.  

Diese Einstellung half Weller auch im Auslandseinsatz. 1996 kam er mit der multinationalen Friedenstruppe ins frühere Jugoslawien und übernahm in Trogir, Kroatien, Aufgaben der sanitätsdienstlichen Führung. Bereits dort war der heutige Generalstabsarzt nicht als Truppenarzt eingesetzt, sondern als eine Art „Geschäftsführer“. Sein Aufgabengebiet umfasste die Koordination, die Planung der Kapazitäten und Einsatzorte bis hin zum Management der Hygienebedingungen sowie von Plan- und Schutzmaßnahmen: „Ich musste zum Beispiel abklären, ob es vor Ort spezielle Gesundheitsbedrohungen gibt“. Für seinen Einsatz erhielt er Einsatzmedaillen der Vereinten Nationen, der NATO und der multinationalen Friedenstruppe IFOR; zwei Jahre später folgte das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Silber.

Worin sieht Dr. Weller das Besondere am Medizinstudium und am Beruf des Mediziners bei der Bundeswehr? „Man lernt das medizinische und das militärische Handwerk“, betont der Soldat. „Immer mit dem Ziel: Die medizinische Behandlung im Einsatzgebiet entlang der geltenden Standards in Deutschland auszurichten. Aber auch besondere Umweltbedingungen müssen gemeistert werden – insbesondere in Afghanistan war das der Fall“. Dort gab es beispielsweise Risiken klimatischer und epidemiologischer Natur. „Es ist wichtig, sich mit den jeweiligen Anforderungen in den Regionen und der dortigen medizinischen Infrastruktur auseinanderzusetzen“, erklärt der Generalstabsarzt.

Insgesamt zehn Jahre verbrachte Weller in Münster – ein Viertel seines dienstlichen Lebens. In seine „medizinische Heimat“ kehre er immer gerne zurück, „und dies meine ich auch so“, betont der 62-Jährige. Denn: „Münster ist die ‚Schlüsselstadt‘ meiner Laufbahn in der prägenden Phase vom Student bis zum Stabsarzt“. Die Aa hat Dr. Norbert Weller gegen den Rhein getauscht und lebt heute auch privat im Rheinland. Dort blickt er zufrieden zurück: „Ich hatte viele Chancen und würde alles wieder so machen“.

Text: Stella Willmann

(Mit diesem Bericht setzt der Alumni-Verein „MedAlum“ der Medizinischen Fakultät Münster seine Reihe von Porträts ungewöhnlicher „Ehemaliger“ fort. Basis der Serie ist das Absolventenregister von MedAlum.)

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