Bedeutende Forschung zu vielseitigem Bakterium: Mikrobiologin Silke Niemann erhält DGHM-Förderpreis

Feiern die Vergabe des DGHM-Förderpreises 2022: Prof. Volkhard Kempf (Geschäftsführender Vorsitzender der DGHM-Stiftung), Dr. Silke Niemann (M.) und Laudatorin Prof. Bettina Löffler (Foto: DGHM)

Münster (mfm/jg) – Es sitzt in der Nase, im Mund, im Rachen. Breitet sich das Bakterium aus, kann es im schlimmsten Fall lebensbedrohliche Infektionen verursachen. Dr. Silke Niemann vom Institut für Medizinische Mikrobiologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) untersucht seit mehr als zehn Jahren, wie das Bakterium mit menschlichen Wirtszellen interagiert – für ihre Verdienste hat sie jetzt den mit 3.000 Euro dotierten Förderpreis der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) erhalten.

Die neben dem Hauptpreis wichtigste Auszeichnung der DGHM richtet sich zwar an Niemanns Forschungsleistungen insgesamt, um zwei Fokus-Themen hat sie sich aber besonders verdient gemacht. „Staphylococcus aureus ist ein normaler Bestandteil unserer Hautflora. Durch unglückliche, seltene Zufälle kann es aber zu schweren Erkrankungen wie Knochenentzündungen oder Endokarditis führen“, erläutert die Mikrobiologin. Schuld daran sind die vielen Pathogenitätsfaktoren des Bakteriums: Damit sind vor allem Toxine (Gifte), Enzyme und Proteine gemeint, die ihm ermöglichen, an Zellen des Menschen anzubinden, von ihnen aufgenommen zu werden oder diese zu zerstören.

Ein Beispiel: Bei einer Blutvergiftung, die auch durch eigentlich harmlose Infektionen entstehen kann, gelangt das Bakterium bis zum Herzen. Mittels besonderer Bindeproteine dockt es dort an spezialisierte Zellen der Herzklappen an und wird durch diese aufgenommen. Die Bakterien sind dann gut vor dem Immunsystem – wie auch vor Antibiotika – geschützt, vermehren sich und greifen die Zellen von innen heraus an. Die Folge: die Zerstörung der Herzklappen, das Versagen der Pumpenfunktion des Herzens. Das Krankheitsbild nennt sich infektiöse Endokarditis und ist auch beim Einsatz wirkungsvoller Antibiotika eine Erkrankung mit hoher Sterblichkeit.

Lange hat man angenommen, das Plasmaprotein Fibronektin fördere diesen Prozess, indem es eine Art Brücke zwischen Bakterien und Wirtszellen baue – bis Niemann mit ihrem Team zeigen konnte, dass dies durchaus nicht immer der Fall ist: „Bestimmte Wirtszellen – zum Beispiel Knochenzellen – bilden selbst besonders viel Fibronektin. In diesem Fall ‚hilft‘ das dem Bakterium aber nicht: Statt eine Brücke zu bauen, bildet hier das Protein ein sehr engmaschiges Netz, das das Bakterium nicht durchdringen kann und verhindert damit die Aufnahme durch die Wirtszelle“, so die Preisträgerin. „Wir müssen also die Mechanismen der Krankheitsentstehung differenziert betrachten – mit ihren Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf und damit auch auf die optimierte Behandlung“.

Ein weiterer Fokus Niemanns betrifft die nekrotisierende Pneumonie – eine besonders schwere, weil schnell und lebensbedrohlich verlaufende Form der Lungenentzündung mit Einblutungen und Absterben von Lungengewebe: „Lange war in der Diskussion, welche Rolle ein bestimmtes Toxin von Staphylococcus aureus, das Panton-Valentine-Leukozidin, bei dieser Erkrankung spielt. Wir haben nachgewiesen, dass dieses Toxin nicht die Gewebezellen selbst, sondern die für die Krankheitsabwehr verantwortlichen Immunzellen angreift. Dabei werden Substanzen freigesetzt, die wiederum folgenschwere Auswirkungen auf das Lungengewebe haben.“

Auch diese Erkenntnisse haben wichtige Konsequenzen für bestehende und insbesondere künftige Formen der Behandlung. Insgesamt wurde die Arbeit der Nachwuchswissenschaftlerin in über 45 Artikeln in renommierten Fachzeitschriften wie „Virulence“, „Clinical Microbiology and Infections“ und „mBio“ veröffentlicht.

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