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Neustart in Münster: Mund-Kiefer-Gesichtschirurg Dr. Dr. Walid Ayad kam mit 17 aus Palästina in die Domstadt

Dr. Walid Ayad bei einer Untersuchung in Gaza (Foto: PCRF / Dirk Planert)

Münster (mfm/sm) – Mit der Zahl 13 und auf dem Frankfurter Flughafen fing für den Jugendlichen Walid Ayad ein neues Leben an: „Ich weiß es noch genau: Gerade aus dem Flugzeug ausgestiegen, gab es schon das erste Problem. Ich hatte keine Ahnung, wo ich meinen Koffer abholen musste und konnte auch noch kein Deutsch“, erinnert er sich, „Endlich kam jemand auf die Idee, mir die Nummer meines Gepäckbands aufzuschreiben – es war die 13.“ Heute, fast 40 Jahre später, verkörpert der in Gaza geborene Dr. Dr. Walid Ayad eine Erfolgsgeschichte geglückter Integration.

„Ich bin zum Studieren nach Deutschland gekommen – Medizin. Erst musste ich aber das deutsche Abitur nachholen“, erzählt Ayad. Danach habe er sich auf Studienplätze beworben und mehrere Unis zur Auswahl gehabt: „Fast wäre ich in Frankfurt angefangen – wegen des großen Flughafens. ‚Da kann dich die Familie leicht besuchen‘, dachte ich damals. Dann erzählte mir jemand von Münster und, dass die Lehre dort gut sei. Deswegen fuhr ich einfach mal hin, um mir Stadt und Campus anzusehen.“ Von diesem ersten Besuch an war es beschlossene Sache: Ayad startete sein Medizinstudium in der Domstadt: „Mir hat alles von Anfang an so gut gefallen, dass ich einfach geblieben bin. Und eines habe ich mir damals geschworen: Einen zweiten Neustart mache ich in diesem Leben nicht!“, lacht der Arzt.   

Gefragt nach seinen Erinnerungen an die Studienzeit erzählt der heute 54-Jährige, ein wilder Partygänger sei er nicht gewesen. „Aber wenn Sie mich umbringen wollen, dann lassen Sie mich allein. Das kann ich nicht ertragen. Ich hatte schon immer gerne Menschen um mich herum und konnte damals im Wohnheim mit zwei laufenden Radios und einem Fernseher konzentriert lernen. Das hat mir nichts ausgemacht.“ Zum Ende des Studiums, als es darum ging, sich für eine Fachrichtung zu entscheiden, probierte sich Ayad in der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie der Uniklinik aus: „Ich sah den Ärzten beim Operieren zu und durfte Instrumente halten. Die Arbeit der Kollegen faszinierte mich und ich wusste wieder: Das ist es, was ich machen will!“ Weil angehende Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen allerdings nicht nur Human-, sondern auch Zahnmedizin studieren müssen, schrieb sich Ayad daraufhin voller Eifer parallel auch für einen „Zahni“‑Platz in Münster ein: „In der Zeit habe ich kaum geschlafen, um alles zu schaffen“, verrät er, „Genau drei Wochen habe ich diese Doppelbelastung ausgehalten – dann konnte ich nicht mehr.“ Also fasste der Student einen neuen Plan: Erst das eine Studium abschließen, dann das nächste anfangen.

Heute, mit beiden Abschlüssen, mehreren Facharzttiteln und Zusatzweiterbildungen in der Tasche, führt der Arzt gemeinsam mit seiner Frau eine Praxisklinik in der Innenstadt. Für genügend Trubel sorgen dort jetzt seine Patienten und Zuhause die vier Kinder. Noch dazu opfert der Chirurg regelmäßig seinen Urlaub, um in Hilfseinsätzen sogenannte „Spaltkinder“ zu operieren: „Hier in Deutschland wird ein Säugling mit einer Kiefer- oder Gaumenspalte direkt nach seiner Geburt operiert und kann dann ein weitestgehend normales Leben führen. In ärmeren Ländern oder Krisengebieten können sich die Eltern eine OP aber oft nicht leisten. Die Kinder werden überhaupt nicht versorgt – da ist Hilfe bitter nötig. Und wenn ich nach so einem Einsatz wieder nach Hause komme, weiß ich noch mehr zu schätzen, was wir hier haben.“

Ein Zurück in seine Geburtsstadt Gaza kommt für Ayad und seine Familie heute nicht mehr in Frage: „Wieder nach Gaza zu gehen, wäre falsch. Ich selbst hätte mit dem Leben dort kein Problem, aber meine Kinder hätten dort keine Perspektive“, sagt er und fügt schmunzelnd an: „Außerdem habe ich mir ja geschworen: Noch einen Neuanfang gibt es nicht!“

(Mit diesem Bericht setzt der Alumni-Verein „MedAlum“ der Medizinischen Fakultät Münster seine Porträt-Reihe "Köpfe der Fakultät" fort. Mehr zu dem Verein erfahren Sie hier.)

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