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Ein Dentist fühlt der Regierung auf den Zahn: WWU-Alumnus Dr. Wieland Schinnenburg sitzt für die FDP im Bundestag

Dr. Wieland Schinnenburg im Plenarsaal des Bundestages: Nur eine seiner – eigentlich drei – Berufungen (Foto: Deutscher Bundestag/ A. Melde)

Münster (mfm/sw) – Juristen gibt es viele im Bundestag. Zahnärzte nur eine Handvoll. Und einen Politiker, der beides ist, gibt es nur einmal: Der heißt Dr. Wieland Schinnenburg, sitzt seit 2017 im höchsten deutschen Parlament - und ist Ehemaliger der Medizinischen Fakultät der Universität Münster (WWU). Die eigene Praxis in Hamburg musste das FDP-Mitglied aufgeben: Das Bundestagsmandat erlaubte nur eine parallele Tätigkeit – der 62-Jährige entschied sich für die besser mit dem „Hauptjob“ verträgliche Juristerei. Ob der gebürtige Ostfriese Schinnenburg weiterhin der Regierung auf den Zahn fühlt oder auch wieder Patienten, entscheidet er nicht allein, sondern auch die Bundestagswahl im Herbst.

Ein Studium der Zahnmedizin verlangt einem einiges ab – zehn Semester Regelstudienzeit, viel Stoff und am Ende das Staatsexamen. Hat man dies erfolgreich absolviert, hat man erst einmal genug von Uni und Lernen und startet ins Berufsleben – sollte man meinen. Nicht aber Wieland Schinnenburg: Nachdem er 1984 das Studium der Zahnmedizin an der WWU erfolgreich abschloss, nahm er fünf Jahre später ein Studium der Rechtswissenschaften an der Uni Hamburg auf. Ein Hauptgrund: sein politisches Engagement. „1981 bin ich in die FDP eingetreten und wurde in den Bundesvorstand der Jungen Liberalen gewählt. Dort waren sechs von neun Personen Juristen – ich war also als Zahnmedizinstudent eher ein Außenseiter“, erzählt der WWU-Alumnus, „Wenn dann davon die Rede war, dass etwas „verfassungswidrig“ war, konnte ich nicht mehr mitreden. Das wollte ich ändern“.

Dass er das Jurastudium auch mit beiden Staatsexamen abschließt, war vorerst gar nicht vorgesehen: Zunächst wollte der Zahnarzt nur Vorlesungen des Öffentlichen Rechts besuchen – „um mich für Diskussionen zu wappnen“, so Schinnenburg. Schnell fand dieser jedoch Gefallen am juristischen Denken und besuchte auch Veranstaltungen im Straf- und Zivilrecht. Heute hat der 62-Jährige die Schnittstelle zwischen seinen beiden Professionen gefunden und ist seit 2006 Fachanwalt für Medizinrecht. Die potenziellen – rechtlichen – Folgen eines Behandlungsfehlers lassen Dr. Schinnenburg in seiner Tätigkeit als Zahnarzt nicht ganz unberührt: „Über die Jahre habe ich ein Gefühl dafür entwickelt, welche Patienten potenziell „Ärger“ machen können. Außerdem lege ich besonders viel Wert auf die ordentliche Dokumentation meiner Behandlungen“, gibt der Bundespolitiker zu.

Ob das Jurastudium eine Abkehr von der Zahnmedizin bedeute? Keineswegs – der FDP-Politiker eröffnete im Jahre 1987 seine eigene Zahnarztpraxis, die er ab 1998 parallel zur eigenen Rechtsanwaltskanzlei führte. Im November 2017 legte er seine Tätigkeit als Zahnarzt jedoch vorläufig aufs Eis, um sich der Politik und nebenbei der anwaltlichen Tätigkeit zu widmen. Was die Berufe eint, ist die enge Zusammenarbeit mit Menschen – was sie allerdings unterscheidet, ist die Zeitspanne, bis die Arbeit Früchte trägt, denn „als Zahnarzt hat man viel schnellere Erfolgserlebnisse als in der Politik“, so Schinnenburg. Nicht zuletzt aufgrund der raschen Erfolge vermisst der 62-Jährige die Arbeit als Zahnarzt: „Wenn ich sehe, wie andere behandeln, juckt es schon in meinen Fingern, da würde ich gerne selbst den Bohrer in die Hand nehmen“.

Seine Berufserfahrung bringt er nun in seine politische Arbeit ein: Schinnenburg ist Mitglied im Ausschuss für Gesundheit sowie Sprecher für Sucht- und Drogenpolitik seiner Fraktion. Als Zahnarzt ist er Teil des Drittels im Gesundheitsausschuss, das „das Gesundheitswesen auch schon mal von innen gesehen hat“, so der WWU-Alumnus. Die mangelnde Erfahrung eines Großteils der Ausschussmitglieder sieht der Abgeordnete als ein Problem – und plädiert für mehr Vertrauen in die Ärzte und Zahnärzte im Land. Auch seine juristische Expertise ist gefragt: Als Mitglied des Unterausschusses für Europarecht musste er sich zunächst mit den Besonderheiten des Europarechts beschäftigen – um es jetzt mitgestalten zu können.

Nach Münster kam der gebürtige Ostfriese nur durch Zufall: Nachdem Dr. Schinnenburg den ersten Teil des Zahnmedizin-Studiums in Hannover absolvierte, stand für ihn fest, dass er noch einmal die Stadt wechseln möchte. Schmunzelnd erinnert er sich zurück an den holprigen Start in der Domstadt: „Nach dem Physikum haben meine Freunde und ich erst einmal unsere sieben Sachen gepackt und sind mit dem Auto in den Urlaub gefahren. Als ich zurückkam, lag die Zusage der WWU auf meinem Schreibtisch – ich musste sofort von Hannover nach Münster, um mich noch rechtzeitig zu immatrikulieren. Wohnungsnot gab es schon damals: Die erste Nacht habe ich in einem Bauwagen am Schlossplatz verbracht“. Rückblickend ist der heutige Bundespolitiker sehr zufrieden mit seiner Wahl, insbesondere mit der Zahnklinik, die schon damals sehr gut aufgestellt war. Mittlerweile hat es ihn wieder in den Norden, nach Hamburg, verschlagen, nach Münster kehrt er jedoch gern zurück – und das spätestens im Fünf-Jahres-Takt, wenn sich die Alumni seines Abschlussjahrgangs in der Stadt ihrer Alma Mater versammeln.

Text: Stella Willmann

(Mit diesem Bericht setzt der Alumni-Verein „MedAlum“ der Medizinischen Fakultät Münster seine Reihe von Porträts ungewöhnlicher „Ehemaliger“ fort. Basis der Serie ist das Absolventenregister von MedAlum.)

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