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Rachenabstrich statt Ruhepause: WWU Münster schult Hunderte von Medizinstudierenden für den Einsatz gegen Corona

Vorbereitung auf den Einsatz im Krankenhaus: Zwei Studierende trainieren im „Studienhospital“ der Universität Münster den tiefen Rachenabstrich (Foto: WWU/E. Wibberg)

Ebenfalls ein Teil des MediCOVID-Trainings ist der tiefe Rachenabstrich (Foto: WWU/E. Wibberg)

Münster (mfm/tb) – Die alten Zöpfe müssen ab – und manchmal auch ein Bart. Schon sechs Jahre trug Arne Beyer seinen Gesichtsschmuck, jetzt musste er ihn opfern. Von Trauer keine Spur: „Es gibt derzeit Wichtigeres“, lacht der 23-jährige. Er ist einer von Hunderten Studierenden, die die Medizinische Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) derzeit für eine Mitwirkung im Kampf gegen die Corona-Pandemie schult. Die bundesweit einzigartige Aktion trägt bereits Früchte: Die ersten Studierenden sind im Einsatz – in der Uniklinik Münster, aber auch in anderen Lehrkrankenhäusern der WWU. Dort müssen sie Schutzmasken tragen – und unter die passt kein Bart.

Mit einem Rundschreiben des WWU-Rektorats ereilte auch deren Medizinische Fakultät Mitte März die Nachricht: in ganz Nordrhein-Westfalen vorerst kein Lehrbetrieb an den Hochschulen. Einerseits die Aussetzung des Unterrichts, anderseits Studiengänge, die nützlich sein können bei der größten gesellschaftlichen Herausforderung der letzten Jahrzehnte und drittens Studierende, die aktiv werden wollten - Studiendekan Prof. Bernhard Marschall fügte alles drei zusammen: Er fragte bei „seinen“ rund 3.000 Studierenden der Human- und Zahnmedizin ab, wer sich freiwillig engagieren möchte und welche Vorkenntnisse dabei eingebracht werden könnten. Hintergrund: Viele Ärztinnen und Ärzte in spe haben vor ihrem Studium oder in diesem praktische Erfahrungen gesammelt; die Qualifikationen reichen bis hin zu abgeschlossenen Ausbildungen als Pflegekraft, MTA oder MFA.

„Die Resonanz war überwältigend. Bis jetzt haben sich über 1.800 Studierende gemeldet, die sich einbringen wollen“, freut sich Prof. Marschall. Personen mit abgeschlossener Pflegeausbildung fanden direkt in der Uniklinik Verwendung, für die anderen stampfte die Fakultät eine spezielle Fortbildung aus dem Boden. „Einen solchen Kurs aufzubauen, dauert üblicherweise bis zu einem halben Jahr. Wir haben es in einer Woche geschafft“, sagt Dr. Hendrik Friederichs, der das „Studienhospital“ der Uni Münster leitet und mit einem kleinen Team das „MediCOVID“-Programm aufgebaut hat. Dessen Ziel ist es, die Studierenden fit zu machen für die Aufnahme und Versorgung von Corona-Patienten. „Natürlich können wir uns auf die Vorkenntnisse der Studierenden stützen. Aber es wäre unverantwortlich, sie ohne eine spezielle Zusatzschulung in die Krankenhäuser zu lassen“.

MediCOVID besteht aus einem theoretischen Teil, den die Studierenden mittels einer eigens eingerichteten Website zu Hause absolvieren. Anschließend geht es zu einer praktischen Schulung ins „Studienhospital“. Trainiert werden dort vor allem drei Punkte: Händedesinfektion, das richtige An- und vor allem Ablegen der Schutzkleidung – „Ausziehen ist nämlich deutlich schwieriger“, so Friederichs – sowie der Abstrich für den Corona-Test. Auch der sei „weniger trivial, als man denkt“. Aufgenommen in die MediCOVID-Schulung werden vorerst nur Studierende ab dem fünften Semester, diese haben die im Studium obligatorische Hygiene-Schulung schon absolviert.

Am 19. März startete MediCOVID, nur einen Tag später gingen die ersten Studierenden zur Unterstützung in die Uniklinik. Auch an den ersten der rund 30 anderen Lehrkrankenhäuser der Universität Münster sind die Freiwilligen schon tätig, so in der St.-Barbara-Klinik in Hamm. „Wir haben auch eine Verantwortung für die Region“, betont Studiendekan Marschall. Am gestrigen Donnerstag (26.03.) hatten die ersten 100 Studierenden ihr Training durchlaufen. Bis nächsten Freitag werden es 500 sein. „Wenn die Zahl der Corona-Patienten exponentiell wächst, müssen unsere Kapazitäten eben exponentiell mitwachsen“, drängelt Dr. Friederichs. Wie es nach den 500 weitergeht? „Das entscheiden wir kurzfristig und anhand der aktuellen Lage“, kündigt Prof. Marschall an. Und für eine etwaige Fortsetzung bedürfe es auch noch einer technischen Klärung: Derzeit fehlen für das Training noch gut 350 Schutzmasken.

Mit MediCOVID übernimmt die Medizinische Fakultät der WWU Münster eine Vorreiterrolle – und würde die am liebsten schnell wieder abgeben: „Sinn einer Universität ist es, Wissen zu generieren und zu verbreiten. Unsere Erfahrungen aus dem MediCOVID-Programm stellen wir daher gern anderen Hochschulen zur Verfügung“, erläutert der Dekan der Fakultät, Prof. Frank Ulrich Müller - und ist zugleich stolz auf das studentische Freiwilligen-Korps: „Dieses tolle Engagement berührt uns sehr!“

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