News

Kreislaufstillstand in der Mensa: „STORM“ konfrontiert Studierende mit Notfallsituation

Eigentlich hatten sie nur Essen gehen wollen: Petzer Ratzlaf, Jan van Wüllen und Jan-Hendrik Klein-Waldmann (v.l.), Medizinstudenten im 9. Semester, machten bei der Reanimationsübung alles richtig (Foto: WWU/tw)

Münster (mfm/tw) – Herzmassage zum Mittagstisch: In der münsterschen Mensa am Ring sind Medizinstudenten am Montag [12.12.] von einem Kreislaufstillstand überrascht worden. Ein bewusstloser Patient ohne Pulsschlag und Atmung, Erste Hilfe ohne Zeit zum Nachblättern –  das kann Münsters Studenten künftig immer und fast überall treffen: Der Kreislaufpatient ist chronisch krank, hält sich gern im Umfeld der Medizinischen Fakultät auf und macht sich vielleicht schon bald auf den Weg in andere Uni-Städte.
Die Krankheit ist seine Berufung, denn der Notfallpatient ist eine Simulationspuppe. Mit dem Kunststoffkörper aus dem Ersthelfer-Kurs hat der SimMan 3G aber nur wenig gemein; die kabellose Spezialpuppe der Firma Laerdal kostet nicht ohne Grund rund 70.000 Euro: Sie atmet hörbar und realistisch, hat fühlbaren Pulsschlag an den relevanten Körperstellen, spricht auf Herzmassagen und Beatmung an; die Pupillen reagieren ähnlich wie bei echten Menschen, sogar verabreichte Medikamente erkennt der SimMan. Damit ist er die Schlüsselfigurvon STORM („Student´s Training on Resuscitation in Münster“), einem neuen Aktionsprogramm, durch das Medizinstudenten die Angst vor der Reanimation verlieren sollen.
„Wir wollen die Studenten überraschen“, erläutert Projektleiter Dr. Klaus Hahnenkamp von der Uni-Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin: „Ein Kreislaufstillstand kann überall und jederzeit auftreten. Rasche und richtige Hilfe entscheidet über Leben und Tod sowie über die Lebensqualität überlebender Patienten.“ Im Studium wird die Herz-Lungen-Wiederbelebung zwar regelmäßig trainiert, trotzdem seien die jungen Mediziner häufig unsicher – auch, weil die Bedeutung nicht präsent sei. Die Überraschungsaktionen sollen deshalb Interesse am Lernen wecken.
Hahnenkamp dazu: „Die Studierenden  erfahren, dass eine Wiederbelebung jederzeit notwendig sein kann. Wenn sie sich dabei unsicher fühlen und trainieren möchten, können sie freiwillig Veranstaltungen besuchen. Dazu bieten wir zusätzlich zur regulären Lehre eine regelmäßige Vorlesung und eine interaktive Webseite mit Leitlinien, Lehrvideos, Hintergrundinformationen, Erfahrungsberichten und Fallfragen zur Reanimation.“ Außerdem sollen sich die Studenten über die Webseite in Kleingruppen zu individuellen Schulungen an der – aus Studienbeiträgen finanzierten – „Lehrpuppe“ anmelden können.
Erfahrungen mit der Notfall-Konfrontation von Medizinstudenten außerhalb der regulären Lehre seien ihm nicht bekannt, sagt Hahnenkamp: „Soweit ich weiß, sind wir zumindest in Deutschland Pioniere. Wir möchten daher gerne bald auch mit anderen Unis kooperieren.“ Langfristig könnten auch Studenten anderer Fachrichtungen einbezogen werden, ergänzt Dr. Peter Brinkrolf aus dem STORM-Team. Das biete sich zum Beispiel bei Studiengängen wie Zahnmedizin oder Psychologie  an. „Zumindest Basisfertigkeiten der Herz-Lungen-Wiederbelebung sollte aber prinzipiell jeder beherrschen“, so  Brinkrolf, daher sei auch  eine Ausweitung des Projektes auf alle Studierenden denkbar. Zunächst werden aber vor allem Münsters Medizinstudenten dem Notfallpatienten begegnen – stets unangekündigt, etwa in der Mensa oder zwischen Lehrveranstaltungen in den Einrichtungen der Medizinischen Fakultät.
Mit den Leistungen der ersten Probanden – zwei Dreiergruppen aus dem 9. beziehungsweise 10. Semester – waren Hahnenkamp und Brinkrolf übrigens zufrieden: „Die Studierenden haben die Aufgabe sehr gut gemeistert“. Verbesserungspotenzial sahen die Experten nur bei der Frequenz der Herzmassage; diese hätte teils etwas langsamer sein können. „Aber das schadet nicht dem Patienten, eher dem Ausführenden selbst. Man wird halt schneller müde“, so Hahnenkamp nach der STORM-Premiere.

Website: www.STORM4Life.de (freigeschaltet ab 22.12.11)

Studien zur Relevanz des Themas
Christenson J, Andrusiek D, Everson-Stewart S, et al: Chest compression fraction determines survival in patients with out-of-hospital ventricular fibrillation. Circulation 2009; 120(13):1241-1247
Wachelder EM, Moulaert VR, van Heugten C, et al: Life after survival: long-term daily functioning and quality of life after an out-of-hospital cardiac arrest. Resuscitation 2009; 80(5):517-522.
Studien zur Qualität der Reanimation:
Abella BS, Alvarado JP, Myklebust H, Edelson DP, Barry A, O'Hearn N, Vanden Hoek TL, Becker LB. Quality of cardiopulmonary resuscitation during in-hospital cardiac arrest. JAMA 2005;293:305-310.
Fried DA, Leary M, Smith DA, Sutton RM, Niles D, Herzberg DL, Becker LB, Abella BS. The prevalence of chest compression leaning during in-hospital cardiopulmonary resuscitation. Resuscitation 2011;82:1019-1024.

Nachtrag, 20.12.2012: Die heutige Kick-off-Vorlesung zu STORM besuchten rund 150 Studierende - ein beeindruckender Erfolg und eine Bestätigung des Konzeptes.

This could be interesting for you too: