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„Mobile Miniapotheken“ im Praxistest: Forschungsverbund untersucht den Einsatz einer neuartigen Zelltherapie gegen Krebs

Prof. Claudia Rössig hat sechs Millionen Euro Bundesmittel für die Entwicklung einer neuen Zell-Therapie eingeworben (Foto: E. Wibberg)

Münster (mfm/ik) - Wenn Chemotherapie oder Medikamente nicht jede einzelne der bösartigen Zellen zerstören können und so die Krankheit wiederkehrt, ist sie die Hoffnung vieler Krebspatienten: die CAR-T-Zell-Therapie. Bei dieser Behandlung sollen gentechnisch veränderte T-Zellen die Krebszellen aufspüren und vernichten. Um die Einsatzmöglichkeiten dieses Ansatzes zu untersuchen, fördert das Bundesforschungsministerium jetzt mit sechs Millionen Euro ein nationales Verbundprojekt, an dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus vier Universitäten gemeinsam mit einer Biotechnologie-Firma arbeiten. „Ziel ist, hochwirksame CAR-T-Zellen zu entwickeln, die nicht nur bestimmte Formen der Leukämie erfolgreich behandeln können, sondern auch andere bösartige Tumoren mit bislang ungünstiger Prognose“, erklärt Medizinprofessorin Claudia Rössig von der Universität Münster, die das Forschungsprojekt koordiniert.

Bei einigen Leukämien und Lymphomen ist es bereits gelungen, die wirksamsten Abwehrzellen des körpereigenen Immunsystems, nämlich T-Zellen, so zu verändern, dass sie die Krebszellen als fremd erkennen und abstoßen. Dazu werden den Patienten T-Zellen aus dem Blut entnommen und mit speziellen „Fühlern“ für die Krebszellen ausgestattet, sogenannten chimären Antigen-Rezeptoren oder kurz "CAR". Nach einer milden und kurzen Chemotherapie werden die Zellen dem Patienten zurückgegeben. Im Körper vermehren sie sich, spüren Krebszellen auf und vernichten sie. „Anschließend schützen sie den Patienten oft noch über viele Monate und sogar Jahre gegen eine Rückkehr der Erkrankung“, betont Prof. Claudia Rössig. Bisher sei die Behandlung mit CAR-T-Zellen nur bei sehr wenigen Krebserkrankungen erfolgreich angewendet worden, so die Direktorin der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie am Universitätsklinikum Münster. Gegen die meisten Tumoren reicht die Wirksamkeit verfügbarer CAR-T-Zell-Therapeutika nicht aus: Solide Tumoren können sich sehr gut gegen das Abwehrsystem schützen.

Deshalb erarbeitet eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Münster, Erlangen, Hannover und Regensburg gemeinsam mit der Biotechnologie-Firma Miltenyi Biotec ein neues Wirkprinzip, das die Aktivität von CAR-T-Zellen gegen solche widerstandsfähigen Tumoren gezielt verstärkt. Dafür tragen die Therapie-Zellen einen Wirkstoff in sich, den sie erst nach Bindung an die Tumorzellen freigeben. Dabei handelt es sich um einen starken Botenstoff des Abwehrsystems, der die Wirkung der T-Zellen gegen den Tumor vervielfacht und ihnen ermöglicht, sich im Tumor zu vermehren und optimal zu funktionieren. „CAR-T-Zellen werden also wie eine Art mobile Miniapotheken benutzt, die den Wirkstoff dahin tragen, wo er gebraucht wird. Das soll Nebenwirkungen an gesunden Geweben vermeiden“, erläutert Rössig. Das in dem Verbund entwickelte Zellprodukt erkennt ein Merkmal, das auf Zellen eines speziellen Tumors des Kindesalters, dem Neuroblastom, sowie einigen Fällen von Knochensarkomen und Brustkrebs zu finden ist.

Mit sechs Millionen Euro unterstützt das Bundesforschungsministerium das nationale Verbundprojekt. Die Förderung ermöglicht die klinische Prüfung dieser neuen, vielversprechenden Strategie. In einer Vorbereitungszeit von zwei Jahren werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihren Laboren die neuen CAR-T-Zellen weiterentwickeln. Gleichzeitig wird an zwei akademischen Standorten, Münster und Erlangen, die Herstellung des Zell-Produkts nach pharmazeutischen Sicherheitsstandards etabliert. Schließlich werden in einer klinischen Studie an vier Standorten in Deutschland, darunter beide Standorte des Westdeutschen Tumorzentrums – WTZ Netzwerkpartner Münster und WTZ Essen –, die Sicherheit und Wirksamkeit der klinischen Anwendung des neuen CAR-T-Zell-Produkts bei Kindern und Erwachsenen mit bislang unheilbaren Krebserkrankungen geprüft.   Ilona Kovrygina

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