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Note Vier in planetarer Gesundheit: Wird der medizinische Nachwuchs auf den Klimawandel „ausreichend“ vorbereitet?

Medizinstudierende der Universität Münster während einer Mahnwache für den Klimaschutz am Aasee (Foto: privat)

Münster (mfm/hh) - „Die Folgen des Klimawandels sind das Gesundheitsproblem dieses Jahrhunderts“, sagt Kyra Lilier. „Das Thema müsste schon längst gelehrt werden“. Die Medizinstudentin ist Teil des Teams, das an der Medizinischen Fakultät der Universität Münster die Planetary Health Report Card (PHRC) erstellt hat. Diese wurde am diesjährigen „Earth Day“ veröffentlicht und schätzt die Angebote einer gesundheitswissenschaftlichen Fakultät im Bereich „Planetare Gesundheit“ ein. Die münstersche Hochschulmedizin schneidet in der Gesamtwertung mit der Note „D“ ab; damit liegt sie im Vergleich mit den anderen 60 Universitäten, die international teilgenommen haben, im unteren Mittelfeld. Immerhin: Es gibt ein Ergebnis – das können überhaupt nur fünf der deutschen medizinischen Fakultäten für sich beanspruchen.

Die PHRC bewertet die Angebote im Bereich Planetare Gesundheit an einem Universitätsstandort in den Kategorien Lehre, interdisziplinäre Forschung, Unterstützung studentischer Initiative, kommunale Einbindung und Interessensvertretung sowie Campus-Nachhaltigkeit. Das Instrument wurde von amerikanischen Studierenden entwickelt und im Fachjournal „The Lancet“ veröffentlicht. Die Erhebung wird an jedem Standort von engagierten Studierenden durchgeführt und durch Fakultätsverantwortliche unterstützt. Die Ergebnisse in Münster und andernorts ernüchtern – oder positiv ausgedrückt: Es gibt Verbesserungspotenzial.

Der Bereich „Curriculum“ wird an der Medizinischen Fakultät in Münster mit einem „C“ bewertet, was der Note „drei“ entspricht. Teilaspekte der Planetaren Gesundheit werden im Kernlernplan abgedeckt. Im Wahlfach „Diagnose Klimakrise“ können interessierte Studierende ihr Wissen vertiefen. Das Fazit der PHRC: „Es mangelt an verpflichtenden Lehrveranstaltungen, die wichtige Themen der planetaren Gesundheit behandeln“. Die Studierenden, die die Evaluation durchgeführt haben, möchten das ändern: „Wir möchten durch eine fest im Lehrplan verankerte Veranstaltung die klinischen Fähigkeiten der Studierenden trainieren, die sie als künftige Ärztinnen und Ärzten in Folge des Klimawandels brauchen werden“, so Lilier. Denkbar wären Gespräche mit Simulationspatientinnen und -patienten, die in die Rolle von Hitzegeschädigten schlüpfen.

Auch Prof. Thorsten Kuczius, Bereichsleiter für Umwelthygiene am Institut für Hygiene sowie Fakultätsbetreuer der PHRC, möchte neue Lehrinhalte aufgreifen. „Das Erregerspektrum ändert sich durch den Klimawandel. Neue Krankheiten wie zum Beispiel das West-Nil-Fieber-Virus können über heimische Mücken übertragen werden und breiten sich zum Teil in Bayern und Ostdeutschland aus“. Und das sei nur ein Beispiel der Änderungen durch den Klimawandel. Trotzdem hält er es für eine große Herausforderung, neue verpflichtende Veranstaltungen zu etablieren: „Der Stundenplan der Medizinstudierenden ist bereits jetzt randvoll“. Außerdem fehlten in einem Nebenfach des humanmedizinischen Curriculums wie der Umweltmedizin die personellen Ressourcen, um entsprechende Veranstaltungen zu entwickeln und zu verwirklichen.

Um Ideen in der Lehre umzusetzen, bräuchte es deshalb eine fakultätsinterne Struktur, die den Bereich Planetare Gesundheit fördert. Das Problem laut Kyra Lilier: „Viele Menschen finden die Ideen gut, aber niemand fühlt sich wirklich für das Thema verantwortlich“. Optimal wäre laut der Studierenden eine Stelle am Institut für Ausbildung und Studienangelegenheiten, die Planetare Gesundheit in der Lehre und auf dem Campus etabliert. „Durch die Planetary Health Report Card gibt es jetzt eine Sachstandbeschreibung, die Verbesserungsvorschläge aufzeigt“, sagt Lilier.

Zumindest das Thema „Hitze“ hat es in diesem Sommersemester das erste Mal in die Vorlesungsreihe der Umweltmedizin im fünften klinischen Semester geschafft. Der erste Schritt ist getan – aber aus Sicht des örtlichen PHCR-Teams bleibt noch ein weiter Weg, bis die Medizinischen Fakultäten in Münster und andernorts ihre Studierenden ausreichend auf die Herausforderungen durch den Klimawandel vorbereiten.

Veranstaltungstipp in Sachen Nachhaltigkeit: Unter dem Motto „Campus earth 2022“ richtet die WWU am 20. Oktober 2022 ihren ersten Nachhaltigkeitstag aus. Zu den zahlreichen Angeboten – unter anderem Vorträge, Bürgerdialoge und mobile Labore – ist jede und jeder kosten- und anmeldefrei eingeladen.

Hintergrundinfos zur PHCR: https://phreportcard.org/about/

Ergebnisse: https://phreportcard.org/results/

Ergebnis für Münster: https://phreportcard.org/wp-content/uploads/2022/04/Westfalische-Wilhelms-Universitat-Munster-PHRC-2021-22-1.pdf

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