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Erbgutpuzzle: Forscher rekonstruieren aus heutigen Tieren die „Urgroßeltern“ von Krokodil und Pinguin

Dr. Alexander Suh aus der Schmitz-Gruppe der Uni Münster bei einer „nichtinvasiven Probenentnahme“ - nach erfolgreicher Klärung der Dominanzfrage (Foto: privat)

Münster (mfm/tw) – Die Letzten ihrer Gruppe: Vor 240 Millionen Jahren trennten sich die Ahnenlinien von Krokodilen und Vögeln, den bis heute überlebenden Archosauria. Damit stehen Krokodile den Vögeln näher als Schildkröten, Schlangen und Echsen. Ein internationales Team mit münsterischer Beteiligung hat jetzt das Erbgut ihres gemeinsamen Urahnen zum Teil rekonstruiert. „Jurassic Park“ bleibt aber Science Fiction: Das rekonstruierte Genom ist fragmentarisch, und wie dieser Urahn aussah, kann die Wissenschaft nicht klären.
Als sich die Ahnenlinien trennten, hatten weder Flugsaurier noch Dinosaurier auf der Weltbühne debütiert. Sie entwickelten sich erst aus dem Archosauria-Urahn in dem Zweig, aus dem später Kolibri und Strauß, Adler, Spatz und Pinguin hervorgingen. Genau genommen sind die Dinosaurier nie komplett ausgestorben, sondern leben als Vögel fort. Während die beeindruckende Vielfalt dieses Zweiges schon Grundschulkinder fasziniert, ließen ihre Verwandten es gemächlicher angehen: Das Genom von Krokodilen und ihren Vorfahren veränderte sich vergleichsweise langsam, möglicherweise besonders wegen der über die Evolutionsgeschichte durchschnittlich längeren Generationenfolge.
„Heute leben noch drei Familien von Krokodilen“, erläutert Privatdozent Dr. Jürgen Schmitz, der am Institut für Experimentelle Pathologie der Uni Münster forscht und mit seinem Team am Projekt beteiligt war: „Alligatoren, Gaviale und Echte Krokodile, die ihre letzten gemeinsamen Vorfahren vor 80 bis 90 Millionen Jahren hatten. In einem internationalen Projekt haben wir Erbgut von drei Vertretern dieser Familien – Mississippi-Alligator, Ganges-Gavial und Leistenkrokodil – gesammelt und analysiert. Zusammen mit dem Erbgut von Vögeln ließen sich rund 584 Millionen Basenpaare des gemeinsamen Vorfahren von Krokodilen, Flugsauriern, ausgestorbenen Dinosauriern und Vögeln rekonstruieren – das entspricht etwa einem Viertel des Erbgutes. Wir schätzen die Genauigkeit des partiell rekonstruierten Genoms auf mehr als 90 Prozent.“
Wie das namenlose Tier im Detail ausgesehen hat, werden die Wissenschaftler mit dem Genom nicht klären können. Dafür können sie daran aber erforschen, was die genetische Grundlage des Gigantismus mancher Dinosaurier oder des Fluges der Vögel ausmacht. Aus weiteren Erbgutanalysen konnten die Forscher schließen, dass die Populationsgrößen aller Krokodillinien im Pleistozän (etwa 2,6 Millionen bis 11.700 Jahre in der Vergangenheit) zurückgingen, wahrscheinlich wegen der globalen Abkühlung in diesem Zeitalter.
Das Multigenom-Projekt wurde von den Amerikanern David A. Ray (Mississippi State University) und Richard E. Green (University of California, Santa Cruz) geleitet. Zu den münsterischen Autoren des nun in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlichen Artikels gehört neben Schmitz auch Dr. Alexander Suh, der als Postdoktorand mehrere Monate in Rays Team gearbeitet hat. Suh ist Fachmann für springende Gene (Transposons), die einzigartige Einblicke in die Evolutionsgeschichte geben können. Suh und Kollegen verfassten einen weiteren Artikel für die Fachzeitschrift Genome Biology and Evolution.

Links zu den Publikationen (erst sichtbar bei Freischaltung durch die Verlage):
Science;Genome Biology and Evolution

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