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Das "Paper of the Month" 11/2020 geht an zwei Studien zur Kardiologie und zur Inflammation

Die Autoren der Studie (v.l.n.r.): Dr. Eva Freisinger (Erstautorin), Dr. Jeanette Köppe und Prof. Gerhard-Paul Diller (geteilte Letztautoren) (Fotos: privat)

Die Autoren der Studie (v.l.n.r.): Prof. Alexander Zarbock (Letztautor), Dr. Giulia Germena und Dr. Alexander Margraf (geteilte Erstautoren) (Fotos: UKM Fotozentrale und privat)

Für den Monat November 2020 wurden ausnahmsweise zwei Publikationen vom Dekanat zum "Paper of the Month" der Medizinischen Fakultät der WWU Münster gekürt - eines in der Kategorie "Klinische Forschung" und eines in der Kategorie "Experimentelle Forschung". Es handelt sich um:

Dr. Jeanette Köppe, Dr. Eva Freisinger und Prof. Gerhard-Paul Diller aus dem Institut für Biometrie und Klinische Forschung und den Kliniken für Kardiologie I und III in der Kategorie "Klinische Forschung" für die Publikation:

Current use and safety of novel oral anticoagulants in adults with congenital heart disease: results of a nationwide analysis including more than 44 000 patients
BY: Freisinger, Eva; Gerß, Joachim; Makowski, Lena et. al.,
EUROPEAN HEART JOURNAL    Published: NOV 2020

und um

Dr. Andreas Margraf, Dr. Giulia Germena und Prof. Alexander Zarbock aus der Klinik für Anästhesiologie, operative lntensivmedizin und Schmerztherapie in der Kategorie "Experimentelle Forschung" für die Publikation:

The integrin linked kinase is required für chemokine-triggered high affinity conformation of neutrophil β2-integrin LFA1
BY: Margraf, Andreas; Germena, Giulia; Drexler, Hannes C. A. et. al.,
BLOOD    Published: NOV 2020

 

Begründung der Auswahl (Köppe, Freisinger, Dillinger):
Die Kardiologen und die Biometriker untersuchen in einer nationalen Gesamtkohorte in Deutschland bei 44.000 Patienten (Krankenkassendaten) mit kongenitalen Herzerkrankungen den Einfluss der veränderten Benutzung von Vitamin K Antagonisten (z.B. Marcumar) versus den neuen oralen antikoagulatorischen Medikamenten (NOACs, Faktor Xa und Thrombin-Antagonisten). Sie finden eine deutliche Zunahme der Verwendung von NOACs, was allerdings mit einer Erhöhung schwerer kardiovaskulärer Zwischenfälle und der Mortalität einhergeht. Dabei spielt die Zunahme von Blutungszwischenfällen eine Rolle. Aus dieser Untersuchung schließen die Autoren, dass vor einer breiten Empfehlung der NOACs in diesen Situationen weitere Untersuchungen notwendig seien.

Zu Hintergrund, Fragestellung und Bedeutung der Publikation:
Patienten mit angeborenem Herzfehler erreichen dank moderner Therapien mittlerweile häufig das Erwachsenenalter (EMAH). Damit treten zunehmend Indikationen für eine orale Antikoagulation ein (z.B. Vorhofflimmern, Thrombose, Lungenembolie). Der Stellenwert der neuen Antikoagulanzien (sog. NOAKs) bei diesem besonderen Patientenkollektiv ist im Vergleich zur Antikoagulation mit Vitamin K Antagonisten (VKAs) bisher nicht untersucht. 

Unter Nutzung bundesweiter Krankenkassendaten konnte bei EMAH Patienten ein stetiger Zuwachs der Verschreibung von NOAKs bis hin zu einem Anteil von 45% in 2018 beobachtet werden. EMAH Patienten unter Medikation mit NOAKs hatten höhere thrombembolische Ereignisraten (3.8% vs. 2.8%), ebenso erhöhte MACE (7.8% vs. 6.0%), Blutungen (11.7% vs. 9.0%) und Gesamtsterblichkeit (4.0% vs. 2.8%; all p < 0.05) nach 1 Jahr im Vergleich zu VKAs. Nach umfangreicher Adjustierung waren NOAKs weiterhin mit erhöhtem Risiko für schwerwiegende kardiale Ereignisse (MACE; HR 1.22) und Sterblichkeit (HR 1.43; both p < 0.001), aber auch Blutungen (HR 1.16; p = 0.007) im Langzeitverlauf assoziiert. 

Trotz unzureichender Evidenz in EMAH Patienten ersetzen NOAKs zunehmend die Standardtherapie mit VKAs und machen mittlerweile fast die Hälfte der eingesetzten Antikoagulanzien aus. NOAKs sind dieser bundesweiten Studie zu Folge mit erhöhtem Risiko schwerwiegender kardialer Ereignisse und erhöhter Langzeitsterblichkeit behaftet. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit prospektiver Studien, bevor abschließende Empfehlungen für den Einsatz von NOAKs bei EMAH Patienten ausgesprochen werden können.

Background and fundamental question of the publication:
Patients with congenital heart disease frequently reach adulthood (ACHD) due to modern therapy. Thus, indication for oral anticoagulation such as atrial fibrillation, thrombosis or pulmonary embolism increasingly occur in ACHD. However, the significance of the novel oral anticoagulants (NOACs) compared to standard therapy with vitamin K antagonists (VKA) in this special patient cohort is unclear. 

Using data from one of Germany’s largest Health Insurers in Germany from 2005 until 2018, the use of NOACs increased constantly to 45% of prescribed anticoagulants in ACHD. ACHD patients on NOACs had higher thromboembolic events (3.8% vs. 2.8%), MACE (7.8% vs. 6.0%), bleeding rates (11.7% vs. 9.0%), and all-cause mortality (4.0% vs. 2.8%; all p < 0.05) after 1 year of therapy compared to VKAs. After adjustment, NOACs were still associated with increased risk of MACE (HR 1.22) and increased all-cause mortality (HR 1.43; both p < 0.001), but also bleeding (HR 1.16; p = 0.007) during long-term follow-up. 

Despite the lack of evidence in ACHD, NOACs are increasingly replacing VKAs accounting for almost half of all oral anticoagulant prescriptions. Particularly, NOACs were associated with excess long-term risk of MACE, and mortality in this nationwide analysis, emphasizing the need for prospective studies before solid recommendations for their use in ACHD can be provided.

 

Begründung der Auswahl (Margraf, Germena, Zarbock):
Die Anästhesisten ,zusammen mit dem MPI, den Pathologen und weiteren Beteiligten untersuchen die Bedeutung einer Integrinkinase auf molekulare Vorgänge der Leukozyten-Gefäßwandadhäsion und -Extravasation. Eine methodisch breite und elegante Laborstudie - kurz und knapp als brief report mitgeteilt - zu einem Einzel-Vorgang, der im Konzert mit anderen Vorgängen von grundsätzlicher Bedeutung bei der Leukozytendistribution in vielen Krankheitszuständen, z.B. der Entzündung, Reperfusions Organschaden etc. ist.

Zu Hintergrund, Fragestellung und Bedeutung der Publikation:
Leukozyten und insbesondere neutrophile Granulozyten sind essentiell für eine adäquate Immunabwehr. Eine unkontrollierte Rekrutierung und Aktivierung dieser Zellen kann jedoch in schweren Organschäden resultieren, wie es z.B. in Sepsispatienten beobachtbar ist. Die Rekrutierung dieser inflammatorischen Zellen basiert u.a. auf Integrinen, speziellen Signalrezeptoren. Ein Integrin, welches maßgeblich zur Neutrophilenadhäsion beiträgt ist LFA-1. 

In der aktuellen Arbeit konnte erstmalig ein wichtiger Signalmechanismus in der Aktivierung des Integrins LFA-1 in neutrophilen Granulozyten aufgezeigt werden. Mittels verschiedener Techniken (u.a. Proteomics, Phospho-Assays und in-vivo Bildgebung) wurde beobachtet, dass die Integrin-Linked-Kinase (ILK) die Rekrutierung und Aktivierung von PKC reguliert. PKC widerum phosphoryliert Kindlin-3, ein für die Aktivierung von Integrinen unabdingbares Protein, und reguliert hierdurch dessen Rekrutierung. Interessanterweise beeinflusst der ILK-Signalweg spezifisch LFA-1, ohne auf die Funktion des Integrins Mac1 einzuwirken.Die Abwesenheit von ILK führt nicht nur zur verminderten Adhäsion neutrophiler Granulozyten, sondern reduziert hierdurch ebenfalls die experimentelle Schädigung der Niere. 

Die Arbeit unterstreicht die grundlegende Bedeutung der ILK-vermittelten Kindlin-3 Rekrutierung in der Aktivierung des Integrins LFA-1 in neutrophilen Granulozyten, welches die Adhäsion der Zellen reguliert. Hierdurch bieten sich mögliche Angriffspunkte für  künftige translationale Ansätze in der Inflammationsforschung und Behandlung von Patienten.

Background and fundamental question of the publication:
Leukocytes and more specifically neutrophils are crucially needed for appropriate immune defense. Nonetheless, overactivation of these cells and uncontrolled recruitment can result in auto-immunity and severe organ-damage, as can be observed in sepsis-patients.The recruitment of these inflammatory cells crucially relies on a specific class of signaling receptors termed integrins. One integrin prominently involved in neutrophil adhesion is LFA-1. 

In the current study, the authors could decipher an important signaling mechanism in the activation cascade of the integrin LFA-1 in neutrophils. Using a variety of different techniques (including proteomics, phospho-assays and in-vivo imaging), it was observed that the integrin-linked-kinase (ILK) regulates the recruitment and activation of PKC. PKC then phosphorylates and by this controls the recruitment of kindlin-3, which is crucial for the chemokine-induced functionality of integrins. This ILK-pathway specifically targets LFA-1 without affecting the integrin Mac1. Importantly, the absence of ILK in neutrophil granulocytes impairs not only cell adhesion itself but this phenotype translates into a reduction in organ infiltration and -damage in a model of acute kidney injury. 

This work emphasizes the importance of the ILK-mediated kindlin-3 recruitment in the activation of the integrin LFA-1 in neutrophils and its relevance for the adhesion of the cell. By this, the current study offers possible insights for future targeted translational endeavors in inflammation research and treatment of patients.

 

Die bisherigen ausgezeichneten "Papers of the Month" finden Sie HIER.