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Wasser für ein UN-Musterdorf: „Unterwasserstaudamm“ als Gemeinschaftsprojekt der münsterschen Hochschulen

Im Juli reisen Willems und Hartkemeyer nach Koraro. Die Sponsoren Dr. S. Schiller Lerg (l.) und E. Krüger sowie A. Bankamp (2.v.r.) informierten sich bei ihnen und den Betreuern Prof. Mathys (r.) und Prof. J. Gardemann über den Einsatz (Foto: FZ)

Münster (mfm/tb) – „Stimmt, dieses Projekt muss man immer erst erläutern“, lächelt Stefanie Willems. Wenn sie und ihre Kommilitonin Lisa Maria Hartkemeyer vom Anlass ihrer kommenden Äthiopienreise erzählen, blicken sie in erstaunte Gesichter. In einem kleinen afrikanischen Dorf erproben die Vereinten Nationen den Kampf gegen die Armut. Ein münstersches Hochschul-Netzwerk unterstützt sie dabei – mit einem „Unterwasserstaudamm“. Studierende der Fachhochschule haben ihn gebaut, nun untersuchen die beiden Medizinstudentinnen der Universität die Wasserqualität. Sponsoren finanzieren die Forschungen.
Eine staubige Halbwüste mit sommerlichen Temperaturen über 40 Grad – das ist das Lebensumfeld der rund 200 Einwohner von Koraro. Das Dorf liegt im nördlichen Hochland Äthopiens, einem der ärmsten Länder der Welt. Eines der größten Probleme der 40 meist von der Landwirtschaft lebenden Familien: Was die Vereinten Nationen als Menschenrecht definieren, fehlt dem Ort, nämlich ein gesicherter Zugang zu Trinkwasser. Außerhalb der dreimonatigen Regenzeit fällt der am Dorf gelegene Fluss trocken. Das lebenswichtige Nass muss dann zu Fuß von einer rund fünf Kilometer entfernten Quelle beschafft werden, oft mehrfach täglich. Das Wasserholen übernehmen die Frauen und Kinder - was deren soziale, schulische und berufliche Chancen noch weiter vermindert.
Doch die Menschen von Koraro können auf ein besseres Leben hoffen: Der kleine Ort wurde von den Vereinten Nationen als so genanntes Millennium-Dorf ausgewählt. Hier, in der Region Tigray, soll im Kleinen erprobt werden, wie sich die Armut in wirtschaftlich unterentwickelten Ländern abbauen lässt. Dazu gehört als einer der ersten Schritte der Aufbau einer sicheren Wasserversorgung – den sich TAWI, die Tigray und Afar Wasserinitiative, zum Ziel gesetzt hat. Das an der Fachhochschule Münster angesiedelte Forschungs- und Entwicklungsprojekt kann sich auf eine breite Expertise in der Stadt stützen: Seit 2004 bündeln 30 Arbeitsgruppen der Fachhochschule, der Universität und des Universitätsklinikums ihre Kompetenz im „Netzwerk Wasser – Hochschulen in Münster“.
Keine Mücken-Brutplätze - keine Malaria
Die Idee von FH-Professor und TAWI-Projektleiter Dr. Rainer Mohn: ein Unterwasser- oder, wissenschaftlich exakt - Untergrundstaudamm. Denn wenn die kurze Regenzeit vorbei und der Fluss scheinbar wieder ausgetrocknet ist, fließt im Untergrund des Gewässerbetts weiter Wasser ab. Eine Dichtungswand aus Ton, die quer zur Fließrichtung drei Meter tief in das Gewässerbett eingebaut wird, soll es aufhalten. Vom Flussbett aus, so der Plan, könnte das Wasser durch einen Filter in einen sieben Meter tiefen Brunnen geleitet und mit einer Pumpe entnommen werden. Zusätzlicher Vorteil: Weil alles unterirdisch abläuft, gibt es keine Brutplätze für die hier häufigen Mücken – und damit keine Verbreitungsbasis für die Malaria.
Im vergangenen Jahr konnte TAWI mit der Umsetzung starten: Zwei angehende Wasserbau-Ingenieure von der FH Münster sowie Betreuer von „Ingenieure ohne Grenzen“ reisten nach Äthiopien, um dort den Bau des Unterwasserstaudamms zu leiten. „Bei solchen Projekten ist es wichtig, mit angepasster, vor Ort vorhandener Technologie zu arbeiten“, erläutert der Mediziner und FH-Professor Joachim Gardemann, dessen „Kompetenzzentrum Humanitäre Hilfe“ ebenfalls am TAWI-Projekt mitwirkt. So wurden alle Arbeiten von den Bauern aus Koraro selbst übernommen; statt Baggern kamen Spitzhacken und Schaufeln zum Einsatz. Der Ton für die Staumauer stammt aus abgetragenen Termitenhügeln. Der Plan ging auf: In der letzten Trockenzeit lieferte die Anlage bereits für drei Monate Wasser.
Aber hält dessen Qualität auch, was sich die Initiatoren von ihr versprechen? Das werden nun zwei Medizinstudentinnen der Universität Münster ermitteln: Stefanie Willems und Lisa Maria Hartkemeyer fliegen im Juli nach Ostafrika, um das mit dem Damm gewonnene Wasser nach hygienischen Kriterien zu untersuchen. Beide schreiben bei Prof. Werner Mathys vom Institut für Hygiene ihre Doktorarbeit und werden die Forschungsergebnisse aus Äthiopien dafür auswerten. Zwei Monate wollen die Nachwuchsärztinnen in Koraro verbringen – ebenso wie ihre Vorgänger mit viel Improvisation und in einfachen Hütten ohne Strom.
Datensammlung für Nachfolgeprojekte
„Eine umfassende Erfolgskontrolle des Koraro-Projektes ist sehr wichtig, da dieses Modellcharakter für weitere Vorhaben hat“, sagt Mathys, auch er im „Netzwerk Wasser“ aktiv. Hier, an der ersten Musteranlage, werde die Damm-Idee anhand von Betriebserfahrungen. technisch weiterentwickelt und die Wasserqualität sowie die Häufigkeit von Malariaerkrankungen, insbesondere im Vergleich zu den bisherigen Wasserquellen, analysiert. „Vom Koraro erhoffen wir uns Schneeballeffekt“, so Prof. Mathys. Untersuchungsgeräte und Labormaterial sollen zum größten Teil in Äthiopien zurückbleiben, um von den Kollegen der Universität Mekelle weiter genutzt zu werden.
Ermöglicht wird die Forschungsreise der Doktorandinnen durch Sponsoren: Die münsterländischen Clubs von Soroptimist International (SI), weltweit größte Serviceorganisation berufstätiger Frauen, unterstützen das Projekt mit 3.000 Euro. „SI befasst sich auch weltweit schon lange mit dem Thema Wasser und kam darüber auf regionaler Ebene in Kontakt mit dem Netzwerk. Bei diesem Projekt können wir zugleich die Lebensbedingungen der Frauen vor Ort und das Engagement zweier mutiger Studentinnen fördern“, erläutert Soroptimist-Sprecherin Elisabeth Krüger aus Münster.
Die Serviceclubs holten REMONDIS, eines der größten Unternehmen der Wasser- und Kreislaufwirtschaft, mit ins Boot. Durch die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Lehre einerseits und der Praxis andererseits sieht die Firma Ansätze, künftig verstärkt Lösungen gerade in den Regionen anbieten zu können, in denen Wasserknappheit herrscht. „Über die Unterstützung des aktuelles Projektes hinaus planen wir, ein Stipendium einzurichten“, verspricht Andreas Bankamp, Geschäftsführer der REMONDIS Aqua GmbH & Co. KG, den TAWI-Initiatoren. In einer langfristigen Zusammenarbeit mit den beteiligten Hochschulen sieht er auch eine Chance, den eigenen Personalbedarf an Nachwuchsführungskräften im internationalen Markt der Wasser- und Kreislaufwirtschaft besser decken zu können.

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