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Sexuelle Aktivität kann gegen Migräne helfen: Doktorandin befragte 400 Patienten zu ihren Erfahrungen

Führte die Studie für ihre Dissertation durch: Anke Hambach (Foto: privat)

Münster (mfm/tw) – Sex contra Kopfschmerz: Neurologen der Universität Münster haben herausgefunden, dass sexuelle Aktivität gegen Kopfschmerzen helfen kann – zumindest bei bestimmten Migränepatienten. Anke Hambach verteilte für ihre Doktorarbeit Fragebögen an Patienten der Klinik für Neurologie der Uniklinik Münster, die unter Migräne oder Clusterkopfschmerz (der sich durch extreme Schmerzattacken auszeichnet) leiden. Die meisten der Antwortenden verzichten auf sexuelle Aktivität, während sie Kopfschmerzen haben – wer aber sich darauf einlässt, verspürt häufig eine Besserung.
„Ein Drittel der Migränepatienten hat Erfahrung mit sexueller Aktivität während einer Kopfschmerzphase“, sagt Hambach: „Bei 60 Prozent von ihnen verringert sich der Schmerz durch Sex,  bei 33 Prozent wird er schlimmer.“ Gegen Migräne kann Sex also helfen – mögliche Ursachen dafür sind die Ablenkung vom Schmerz und die Ausschüttung von Endorphinen. Ein Partner ist laut der Studie für den positiven Effekt nicht nötig: Die Art sexueller Aktivität, Masturbation eingeschlossen, hat bei den Interviewten keinen Einfluss auf die schmerzlindernde Wirkung.
Von den Patienten, die unter Clusterkopfschmerz leiden, hat ebenfalls rund ein Drittel Erfahrung mit Sex unter Kopfschmerzen – von ihnen profitierten aber nur 37 Prozent, während sich der Schmerz bei der Hälfte noch verschlimmerte. „Der Kopfschmerz bei Clusterattacken ist viel intensiver“, erläutert Professor Dr. Stefan Evers, der die Studie betreut hat: „Die Stimulation reicht häufig vermutlich nicht aus, um den Schmerz zu verringern. Außerdem dauern Migräneattacken länger, dadurch ist die Wahrscheinlichkeit höher, den richtigen Zeitpunkt für Sex zu erwischen.“
Bei beiden Formen des Kopfschmerzes profitieren Männer stärker als Frauen, die schmerzlindernde Wirkung tritt häufiger und in höherem Maße auf. 36 Prozent der männlichen Migränepatienten, die den Fragebogen zurückgesandt haben, setzen Sex sogar bewusst als „therapeutisches Werkzeug“ zur Schmerzlinderung ein, von den Frauen tun das nur 14 Prozent.
Die Fragebögen gingen an 800 Migränepatienten und an 200 Patienten mit Clusterkopfschmerzen. Insgesamt kamen 400 Bögen zurück – von den Migränepatienten antworteten 38 Prozent, von den Cluster-Patienten 48 Prozent. Die Aussagekraft der Studie halten die Autoren ungeachtet der hohen Zahlen für begrenzt: Trotz des Studiendesigns, das eine vollständige Anonymität gewährleistete, seien die Antworten möglicherweise nicht repräsentativ für die kontaktierten Patienten; außerdem wurden nur Patienten der überregionalen Kopfschmerzambulanz angeschrieben, die besonders schwer von Kopfschmerzen betroffen sind.
Die Ergebnisse der Patientenbefragung sind in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Cephalalgia nachzulesen, das von International Headache Society publiziert wird. Auch in deutscher Sprache sind die Ergebnisse verfügbar: Das März-Heft der „Nervenheilkunde“ veröffentlicht einen Überblicksartikel zum Zusammenhang zwischen Kopfschmerz und sexueller Aktivität; dieser befasst sich auch mit durch Sex ausgelösten Kopfschmerz.
Hambach, Anke et al. (2013): The impact of sexual activity on idiopathic headaches: An observational study. In: Cephalalgia. Published online before print February 19, 2013.
Hambach, Anke/Evers, Stefan/Frese, Achim (2013): Sexuelle Aktivität und Kopfschmerz: Auslöser oder Entlastung? In: Nervenheilkunde 3/2013.