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Nebenwirkung besser prognostizierbar: Forscher entdecken Biomarker für Gehirnentzündungen bei MS-Patienten

Prof. Heinz Wiendl mit Mitgliedern seiner Arbeitsgruppe (Foto: FZ)

Münster (mfm/sk) - Seit seiner Einführung als Medikament 2006 ist Natalizumab ein wichtiger Wirkstoff zur Behandlung der Multiplen Sklerose (MS). Besonders die schweren Fälle der schubförmigen MS können damit erfolgreich therapiert werden. Die Kehrseite: Bei Langzeitbehandlung kann es in seltenen Fällen zu einer schweren Nebenwirkung - einer virusvermittelten Gehirnentzündung - kommen. Forscher der Universität Münster haben nun herausgefunden, worin die Anfälligkeit der Betroffenen begründet ist. Dadurch ist für jeden Patienten eine individuelle Risikoabschätzung möglich – für die MS-Medizin ein großer Schritt nach vorn.
Nach der Studie, die die Fachzeitschrift „Neurology“ in ihrer aktuellen Ausgabe veröffentlicht hat, macht ein Adhäsionsmolekül namens L-Selektin den Unterschied aus: Patienten, die eine Progressive multifokale Leukoenzephalopathie (PML) entwickeln, fehlt dieses auf der Oberfläche bestimmter Immunzellen zu findende Molekül. Es ist unter anderem wichtig für die ersten Schritte, mit denen das Immunsystem auf Krankheitserreger reagiert. Mit der Entdeckung dieses Biomarkers bekommen Ärzte eine wesentlich genauere Methodik für Prognosen in die Hand, denn bislang ließ sich nur statistisch bestimmen, ob ein MS-Patient mit eher hoher oder geringer Wahrscheinlichkeit im Laufe der Langzeitbehandlung mit Natalizumab an einer PML erkranken wird.
Als Risikoparameter dienten bislang die Vorbehandlung mit Immunsuppressiva und das Vorhandensein von Antikörpern gegen das Virus, das die gefährliche PML verursacht (JC-Virus). Allerdings: Nicht alle Patienten der Hochrisikogruppe sind gleichermaßen gefährdet: Nur ein Prozent von ihnen entwickelt die virusvermittelte Gehirnentzündung. Beim Großteil hingegen wurde womöglich eine hochwirksame Therapie zu Unrecht abgesetzt – meist ohne  adäquate Behandlungsalternativen.
Für ihre Studie testeten Wissenschaftler von Universitätsklinika und Krankenhäusern in Osnabrück, Heidelberg, Würzburg, Bordeaux, Lille, Nizza, Toulouse und Brescia mehr als 300 Patienten aus Europa und den USA. In Münster erfolgte dann die Untersuchung der Blutproben mit Hilfe immunologischer Methoden. Der neue Test macht es möglich, jedem Patienten individuell mitzuteilen, ob er Gefahr läuft, an einer PML zu erkranken oder nicht. Wird L-Selektin nachgewiesen, würde dem Patienten ein geringes Risiko attestiert, fehlt hingegen das Molekül, ist das Risiko hoch.
Zwar kann ein negatives Ergebnis - also der Nachweis von L-Selektin - bislang das Risiko, eine PML zu entwickeln, nicht komplett ausschließen. „Doch der Test ist ein erster Schritt auf dem Weg, individuelle Therapie-Empfehlungen für die Natalizumab-Behandlung auszusprechen“, sagt Univ.-Prof. Dr. med. Heinz Wiendl, Direktor der Klinik für Allgemeine  Neurologie am Universitätsklinikum Münster. Seine Arbeitsgruppe hat das Adhäsionsmolekül L-Selektin als Biomarker entdeckt und den Test maßgeblich entworfen. Die Studie wurde innerhalb des Krankheitsbezogenen Kompetenznetzes Multiple Sklerose (KKNMS) erarbeitet und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Medizinischen Fakultät der Universität Münster, dem Bundesforschungsministerium und der Europäischen Union finanziell unterstützt.

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