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Mehr als 10.000 Proteine analysiert: Forschungsteams finden neue Erkenntnisse zu Lebererkrankungen

Prof. Jonel Trebicka (Foto: WWU/Erk Wibberg)

Münster (mfm/mew) - „Wenn Sie nicht wissen, in welchem Organ das Protein gebildet wird oder der Stoffwechselweg abläuft, sagen Sie einfach ‚in der Leber‘. Meist liegen Sie damit richtig.“ Dieser Tipp eines Biochemie-Professors hat schon vielen Studierenden die Prüfung gerettet. Tatsächlich übernimmt die Leber Hunderte von Funktionen, vor allem die Entgiftung des Körpers von Medikamenten, überschüssigen Fetten oder Alkohol. Bei etwa 1.5 Milliarden Menschen weltweit aber kann die Leber diese Leistungen nicht mehr vollbringen: Sie leiden an einer chronischen Lebererkrankung. Jährlich sterben zwei Millionen Menschen an einer Leberzirrhose oder einem Leberkarzinom. Welche Veränderungen bei Lebererkrankungen im Proteinbestand - dem Proteom - der Leberzellen auftreten, hat nun eine internationale Kooperation verschiedener Forschungsteams um Prof. Matthias Mann vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried und den Prof. Jonel Trebicka von der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster analysiert. Ihre Erkenntnisse haben die Arbeitsgruppen in der Fachzeitschrift „Molecular Systems Biology“ veröffentlicht.

Prof. Jonel Trebicka (45) leitet seit Mai die Klinik für Innere Medizin B des Universitätsklinikums Münster. Schon vor seiner Berufung an die WWU arbeitete er an der Goethe-Universität Frankfurt zusammen mit Prof. Matthias Mann vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried auf dem Gebiet der Proteinanalyse. Die aus der Kooperation entstandenen Studien beinhalten neue Erkenntnisse zu zellulären Grundlagen der Leber, die für die Entwicklung von Medikamenten und Testverfahren relevant sind. Das Team konnte insgesamt mehr als 10.000 Proteine der Leber quantifizieren und stellt seine Ergebnisse in Form einer interaktiven Datenbank auch anderen Forschenden zur Verfügung.

In der jetzt publizierten Forschung wurden mit Hilfe der Massenspektrometrie die vier Hauptzelltypen der Leber - die Hepatozyten, Sternzellen, Kupfferzellen und Sinusoidentdothelzellen – bei Gesunden und bei Patienten mit Leberzirrhose oder nicht-alkoholischer Fettleber (NASH) untersucht. Die Massenspektrometrie ist ein Verfahren, bei dem sich große Zahlen an Proteinen nach Größe und Ladung sortieren sowie quantifizieren lassen. Da Proteine die wichtigsten Funktionen in den Zellen übernehmen, ist eine Kenntnis über ihre Veränderungen bedeutsam, um die Entstehung von Leberkrankheiten zu verstehen. Außerdem besteht die Hoffnung, mit Hilfe von neuen Biomarkern die Diagnostik in frühen, noch reversiblen Stadien der Lebererkrankung zu verbessern.

Bereits bekannt ist, dass der Krankheitsprozess mit der Schädigung von Hepatozyten - den Grundbausteinen der Leber - beginnt, wodurch die Immunzellen der Leber, die Kupfferzellen, eine Entzündung hervorrufen. Dies führt zur „Aktivierung“ der Sternzellen, die dann vermehrt Bindegewebe produzieren, wodurch gesundes Gewebe in Narbengewebe umgewandelt wird (Fibroisierung). „Eine erstaunliche Erkenntnis unserer Studie ist, dass in den Sternzellen nach Aktivierung auch 70 Proteine der Immunantwort verstärkt gebildet werden, was auf eine bisher unbekannte Rolle dieses Zelltyps bei Entzündungen hinweist“, erläutert Prof. Trebicka. Außerdem konnte die Arbeitsgruppe zeigen, dass die Fettsäuresynthese heruntergefahren wird. „Ein Aufrechterhalten der Synthese könnte somit einen potenziellen Ansatzpunkt als Wirkungsort für antifibrotische Medikamente darstellen“, so der Leberexperte.

In der Studie wurden neben Veränderungen im Proteom bei Lebererkrankungen auch Veränderungen nach der Isolation von Zellen für die Forschung gezeigt. So stellte sich heraus, dass sich 41 Prozent der Proteine bereits nach sieben Tagen signifikant veränderten. Diese Ergebnisse sind relevant für die Bewertung, wie gut sich Medikamentenstudien an Leberzellen auf die Situation im lebenden Organismus übertragen lassen. Gefördert wurde die Studie von der Novo Nordisk Fonden (Microb-Liver), der Max-Planck-Gesellschaft und dem Horizon-2020-Programm der Europäischen Union (Galaxy und Microb-Predict).

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