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Kann gute Gebäudeplanung vor Infektionen schützen? Interdisziplinäres Team will Empfehlungen für Klinikneubauten erarbeiten

In Notaufnahmen kommen viele Patientinnen und Patienten mit zunächst ungeklärtem Infektionsstatus zusammen (Foto: IKE/TU Braunschweig)

Prof. Andre Karch (hintere Reihe, m.) und seine Arbeitsgruppe wirken mit beim neuen Projekt InnoBRI (Foto: WWU/Th. Haus)

Braunschweig/Münster (tub/mfm) – Bis zu einer Million Fälle soll es allein in Deutschland pro Jahr geben: Nosokomiale Infektionen, also solche, die Patienten bei einem stationären Krankenhaus-Aufenthalt bekommen, sind ein riesiges Problem. Gibt es über strenge Hygienemaßnahmen hinaus weitere Möglichkeiten, eine Infektionsübertragung in Kliniken zu vermeiden – vielleicht schon durch intelligente Gebäudeplanung? Dieser Frage - die in Zeiten einer Pandemie noch größere Bedeutung bekommen hat – geht das neue Projekt InnoBRI nach. Beteiligt sind auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Münster.

Das Verbundprojekt erforscht, welche baulichen Maßnahmen im Krankenhaus dazu beitragen können, die Übertragung von Krankheitserregern zu vermindern und Infektionen zu verhindern. Dazu gehören die Auswahl von Material und Oberflächen ebenso wie räumliche Strukturen, die bestimmte Arbeitsabläufe des medizinischen Personals bestimmen oder auch die Art und Anzahl der sanitären Anlagen für die Patienten. Neben der Auswahl dieser sogenannten baulichen Interventionen zur Infektionsunterbrechung wollen die Projektpartner auch ihre Effektivität berechnen – für möglichst einfache, praxisnahe und bezahlbare bauliche Lösungen. Um die komplexe Aufgabe zu meistern, arbeiten in dem Projekt Architektinnen und Architekten mit Experten für Krankenhaushygiene, Infektiologie, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie zusammen.

Untersuchen will die Arbeitsgruppe Bereiche wie die Notaufnahme, da hier in Stoßzeiten viele Menschen mit zunächst ungeklärtem Infektionsstatus zusammentreffen. Sie durchlaufen binnen kurzer Zeit viele Räume, so die Anmeldung, die Wartezone, Untersuchungs- und Behandlungszimmer sowie spezielle Diagnostikbereiche. Mit den Räumen wechselt meist auch das medizinische Personal. Hier setzt InnoBRI an: „Zum einen geht es darum, hygienerobuste Materialien und Oberflächen auszuwählen. Zum anderen wollen wir untersuchen, wie zum Beispiel räumliche Strukturen bestimmte Arbeitsabläufe des medizinischen Personals aus infektionspräventiver Sicht unterstützen oder die Zuweisung räumlicher Bereiche für besondere Personen innerhalb eines Infektionsgeschehens die Übertragungsraten senken können“, erläutert Prof. André Karch vom Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin der Universität Münster. Als Experte für Infektionsepidemiologie ist der Medizinprofessor mit seiner Arbeitsgruppe einer der Partner im InnoBRI-Projekt.

Auf Basis einer Analyse der verfügbaren Forschungsliteratur und von Beobachtungen der Weltgesundheitsorganisation, aus Daten mikrobiologischer Übertragungsstudien sowie Interviews mit Nutzern und Fachleuten will das Team mögliche bauliche Interventionen identifizieren und in Parameterwerte überführen. In Simulationsstudien überprüft die Arbeitsgruppe dann deren Effektivität. Diesen Methodenmix hebt der Sprecher des Forschungsverbundes, Dr. Jan Holzhausen, besonders hervor: „Mit der Simulation der Effektivität haben wir eine Möglichkeit entwickelt, unsere Entwürfe - zum Beispiel die von Krankenhaus-Stationen - auf ihre potenzielle Eigenschaft der Infektionsprävention zu überprüfen und gegebenenfalls nachzusteuern.“ 

Die Ergebnisse werden in Muster-Baukonzepte überführt und als Planungsempfehlungen für Krankenhäuser aufbereitet. Die InnoBRI-Akteure hoffen, dass ihre Vorschläge letztlich von den Bundesländern aufgegriffen und zur Grundlage gemacht werden für eine Standardisierung Kosten-Nutzen-effizienter Krankenhaus-Neubauten.

Hintergrund

Die Projekt InnoBRI - voller Name: „Optimierte Patientenversorgung durch innovative Baukonzepte zur Reduktion nosokomialer Infektionsübertragungen“ - wird mit rund 1,5 Mill. Euro aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert und läuft bis Frühjahr 2023. In dem Verbund arbeiten vier Einrichtungen zusammen: das Institut für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau der TU Braunschweig, bei dem auch die Koordination des Projektes liegt, das Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, das Institut für Krankenhaushygiene und Infektiologie der Universitätsmedizin Göttingen sowie das Center for Health Economics Research der Leibniz-Universität Hannover.