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Hoffnung für krebskranke Jungen: Experimentelle Therapie eröffnet Optionen für spätere eigene Kinder

Prof. Stefan Schlatt in seinem Labor (Foto: FZ)

Münster (mfm/nh) – Wie können Männer und Jugendliche, deren Zeugungsfähigkeit durch Krebs gefährdet ist, trotzdem später Kinder haben? Meist wird Ihnen geraten, vorbeugend Spermienzellen einfrieren zu lassen. Aber was kann die Medizin Eltern anbieten, deren kranke Jungen die Pubertät erst noch vor sich haben und die daher noch keine Spermienzellen bilden? Mit dieser Frage befassen sich Prof. Stefan Schlatt von grundlagenwissenschaftlicher und seine Kollegin Prof. Sabine Kliesch von ärztlicher Seite  im Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA) in Münster. Ergebnis ist eine neue Therapieoption.
Eine Chemo- oder Radiotherapie setzt bei der Eigenschaft von Krebszellen an, besonders schnell zu wachsen. Als Nebenwirkung werden dann allerdings auch alle anderen Zellen mit der derselben Eigenschaft im Körper angegriffen. Neben Haut, Haaren und Nägeln attackiert die Therapie auch  Stammzellen der Spermienproduktion – dies führt oft zur Unfruchtbarkeit der kleinen Patienten.
In neuesten Forschungen konnten Schlatt und sein Team anhand von Tiermodellen zeigen, dass es möglich werden könnte, den Betroffenen eine Gewebetransplantationstherapie zu bieten und damit den betroffenen Patienten - nach Übertragung der experimentellen Daten in eine klinische Anwendung - den späteren Wunsch nach leiblichen Kindern zu erfüllen. Den Wissenschaftlern gelang es tierexperimentell, Hodengewebe vor der Bestrahlung zu entnehmen und einzufrieren. Nach Abschluss der Pubertät wurde das konservierte Hodengewebe aufgetaut und unter die Haut des Skrotums (Hodensack) verpflanzt. Dort wuchs das eigene Hodengewebe heran und bildete schließlich Spermienzellen. Diese Ergebnisse seien bahnbrechend für die Weiterentwicklung dieser Methode und Basis für den Transfer in die klinische Anwendung.
Hegen die einstigen Krebspatienten im Erwachsenenalter einen Kinderwunsch, dann wäre es trotz einer Infertilität („Unfruchtbarkeit“) durch das Verfahren möglich, mit den aus dem transplantierten Gewebestück gewonnenen Spermien eine Eizelle zu befruchten. Dies erfolgt dann mittels einer so genannten In-vitro-Fertilisation, also einer „Zeugung im Reagenzglas“.
 „Diese Form der Reproduktion bedeutet natürlich keine Heilung für die Patienten“, erklärt Schlatt, „aber sie ist derzeit unsere beste Möglichkeit einer Therapie.“ Denn oft hätten die Patienten nach ihrer Genesung mit den Spätfolgen der Behandlung und einer verminderten Lebensqualität zu kämpfen.  „Mit Blick auf die Zukunft stimmen die meisten Eltern der kleinen Patienten unserem Vorschlag zu, auch wenn dies natürlich einen weiteren Eingriff für die ohnehin belasteten Betroffenen bedeutet“, ergänzt Schlatts Kollegin Sabine Kliesch. So verzeichnen beide bisher eine große positive Resonanz bei den Eltern. „Es ist ein Fünkchen Hoffnung, dass behandelnde Ärzte den Eltern krebskranker Jungen geben können“, sind sich Schlatt und Kliesch sicher.
Keine zehn der in Europa führenden Krankenhäuser legen derzeit solche Hodengewebsbanken an, das Universitätsklinikum Münster gehört dazu. In Zusammenarbeit mit dem Kinderonkologen Prof. Heribert Jürgens konnten bereits die ersten Gewebeproben eingefroren werden. Zudem haben Schlatt und Kliesch „Androprotect“ ins Leben gerufen, ein Netzwerk zur männlichen Fertilitätsprotektion. („Schutz der Zeugungsfähigkeit“). Mit diesem möchten sie deutschlandweit die Krankenhäuser und Ärzte motivieren, Hodengewebe von krebskranken Jungen für die spätere Nutzung  zu entnehmen und einfrieren zu lassen, um den Familien und ihren kranken Kindern neue Hoffnung zu geben.
Die Ergebnisse der Forschungen am Tiermodell wurden in „Cancer Research“ publiziert: https://hwmaint.cancerres.aacrjournals.org/cgi/content/short/0008-5472.CAN-12-1317v2

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