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Helfen oder zum Zuschauen verdammt? 1. Münsterscher Kongress zur Humanitären Hilfe

Veranstalten gemeinsam den Kongress (v.l.): Bernadette Spinnen, Leiterin Münster Marketing, Oberbürgermeister Markus Lewe, FH-Präsidentin Prof. Ute von Lojewski und Prof. Joachim Gardemann, Leiter des Kompetenzzentrums für Humanitäre Hilfe (Foto: FH)

Münster (fh) - Haiti, Libyen, Elfenbeinküste - drei Länder im Ausnahmezustand. Alle eint, dass Menschen dort zurzeit Not leiden. Internationale Hilfsorganisationen wollen helfen. Aber: Dürfen sie das so ohne weiteres? Können sie entgegen dem souveränen Anspruch der betroffenen Staaten Soforthilfe leisten? Und: Darf die internationale Staatengemeinschaft politisch oder gar militärisch intervenieren? Um diese Fragen geht es beim 1. Münsterschen Kongress zur Humanitären Hilfe am 20. Mai - der ersten Veranstaltung bundesweit zu diesem Thema. Verantwortliche von Stadt und FH Münster stellten den nicht zuletzt für Mediziner interessanten Kongress heute in einer Pressekonferenz vor.
Für Oberbürgermeister Markus Lewe ist Münster als Austragungsort geradezu prädestiniert. „Im Friedensschluss von 1648 haben die Verhandlungsparteien die Grundlagen für den souveränen Nationalstaat geschaffen." Das „Westfälische System", so Lewe während der Pressekonferenz, sehe unter anderem die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten vor. Dieses völkerrechtliche Prinzip führe angesichts humanitärer Katastrophen allerdings immer mehr zu einer Gratwanderung für die internationalen Hilfsorganisationen.
Mit dem Kompetenzzentrum Humanitäre Hilfe verfüge die Fachhochschule Münster über eine Einrichtung, die entscheidende Impulse für die internationale Soforthilfe liefere. „Es gibt wohl keine zweite Einrichtung dieser Art, die über alle Fachgrenzen hinweg Kompetenzen zusammenführt, die in Kriseneinsätzen benötigt werden", sagte FH-Präsidentin Prof. Dr. Ute von Lojewski. Ob Bauingenieure, Architekten, Ernährungswissenschaftler oder Designer: Sie alle trügen dazu bei, für Hilfeleister in Notsituationen bestmögliche Bedingungen zu schaffen. Seit zehn Jahre koordiniere der Leiter dieses Zentrums, Prof. Dr. Joachim Gardemann, Projekte im In- und Ausland. „Eine Arbeit, die der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ausdrücklich würdigt." Der umtriebige Professor ist auch an der Medizinischen Fakultät der WWU ein Begriff: Er hat dort einen Lehrauftrag und viele Medizinstudenten nehmen an seinen Trainingscamps teil.
„Das Kongress-Thema könnte nicht besser zu unserer Allianz für Wissenschaft passen." Für Bernadette Spinnen sei mit der ersten Idee zu diesem Kongress klar gewesen, dass sich Münster daran beteiligen werde. Die Leiterin von Münster Marketing habe dabei nicht nur das Alleinstellungsmerkmal vor Augen. „Der Westfälische Frieden ist eines unserer Kernthemen in der von Hochschulen, Wirtschaft und Stadt getragenen Allianz", sagte Spinnen. Daher sei dieser Kongress auch nur der Anfang einer Reihe, die sich mit Friedensfragen und humanitärer Hilfe beschäftigen werde.
Für die internationalen Hilfsorganisationen stelle sich ständig die Frage, ob der Einsatz in einem Krisengebiet völkerrechtlich überhaupt statthaft ist, so Gardemann. „Sofortiges Handeln kann einen Verstoß bedeuten, Zögern eine humanitäre Katastrophe nach sich ziehen." Als Beispiel nannte der an vielen Kriseneinsätzen beteiligte Arzt die erste große internationale Intervention nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Ruanda 1994. „Die UN-Mission unter dem Kommando von General Roméo Dallaire endete tragisch." Aufgrund unzureichender Befehlslage hätten die Blauhelmtruppen den Völkermord nicht verhindern können. Die Weltgemeinschaft trage eine Mitschuld daran. Dallaire, damals zum Zuschauen verdammt, engagiere sich seitdem wie kein Zweiter, vergleichbares Grauen künftig zu verhindern. Gardemann: „Ich freue mich sehr, dass er durch seine Teilnahme unseren Kongress bereichern wird."
Eine Bereicherung dürfte die Veranstaltung auch für Studierende bedeuten. Im Vorfeld sind mehrere Seminarveranstaltungen zur internationalen Soforthilfe geplant. Hochschullehrer von Universität und Fachhochschule beleuchten das Thema aus völkerrechtlicher, geschichtlicher, politischer und ethischer Sicht. Die Vorlesungen finden jeweils donnerstags um 18 Uhr im Schloss statt (5., 12. und 19. Mai, Hörsaal S1).
Der Kongress selbst läuft am 20. Mai im Rathausfestsaal in Münster und richtet sich an Fach- und Führungskräfte von Hilfsorganisationen sowie an interessierte Bürger. Unterstützt wird er durch die Sparkasse Münsterland Ost und den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Weitere Informationen zu den Vorlesungen und zum Kongress unter www.humanitaere-hilfe-muenster.de.

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