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Gefürchteter Krankenhauskeim: Wissenschaftler aus Münster und Nottingham entschlüsseln wichtiges Enzym des Bakteriums Pseudomonas aeruginosa

Erstautor Steffen Drees mit Prof. Susanne Fetzner (Foto: WWU/F. Birmes)

Münster (upm) - Sogenannte Krankenhauskeime treiben Medizinern und Hygiene-Experten die Sorgenfalten auf die Stirn: Für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem können diese Bakterien zur Gefahr werden. Das gilt vor allem, wenn die Keime gegen ein oder mehrere Antibiotika resistent sind und sich durch einen Biofilm quasi mit einem Schutzschild umgeben. Mikrobiologen der Universitäten Münster und Nottingham (Großbritannien) haben nun ein Enzym untersucht, das eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Infektionen mit dem Krankenhauskeim "Pseudomonas aeruginosa" spielen könnte. Sie haben die dreidimensionale Struktur des Enzyms entschlüsselt und seine Funktion aufgedeckt. Die Arbeit ist in der aktuellen Ausgabe des "Journal of Biological Chemistry" publiziert und als "Veröffentlichung der Woche" hervorgehoben. Diese besondere Würdigung erfahren maximal 100 der jährlich mehr als 6.600 Fachaufsätze in der Fachzeitschrift.
Das Bakterium "Pseudomonas aeruginosa" ist der weltweit vierthäufigste Erreger von Infektionen, die sich Patienten in Krankenhäusern zuziehen. Der Keim ist weit verbreitet. Er kommt beispielsweise an feuchten Orten wie Waschbecken und Duschen vor. Bei Menschen mit Vorerkrankungen oder einem geschwächten Immunsystem kann er unter anderem Lungenentzündungen und Blutvergiftung auslösen. "Das Bakterium ist unter Krankenhaus-Hygienikern gefürchtet", sagt Prof. Dr. Susanne Fetzner, die das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt initiierte und das münstersche Teilprojekt leitete. Pseudomonas aeruginosa bildet eine Vielzahl von Virulenz-Faktoren. Dazu gehören Zellgifte und Gewebe schädigende Enzyme, die den Bakterien unter anderem zur Verteidigung gegen die Immunabwehr des Menschen dienen und die Erregerausbreitung im Körper begünstigen.
Da Antibiotika-Resistenzen zunehmend Probleme verursachen, verfolgen Wissenschaftler weltweit neue Therapie-Ansätze. Dazu zählt die Entwicklung antivirulent wirkender Stoffe. Diese Substanzen beeinträchtigen nicht das Bakterien-Wachstum, hemmen aber die Ausbildung der Virulenz-Faktoren. Das Enzym, das die Wissenschaftler aus Münster und Nottingham untersuchten, spielt bei der Produktion der Virulenz-Faktoren von Pseudomonas aeruginosa eine wichtige Rolle. Könnte man es durch Medikamente ausschalten, würden die Bakterien krankmachende Eigenschaften gar nicht erst entwickeln.
Doktorand Steffen Drees, Erstautor der Studie, erklärt diesen Ansatz: "Bakterien wie  Pseudomonas aeruginosa haben eine spannende Eigenschaft: Sie kommunizieren untereinander mithilfe von Signalmolekülen. So können sie feststellen, wie viele Bakterienzellen es in ihrer Nachbarschaft gibt. Erst wenn die 'Armee' stark genug ist, bilden die Bakterien ihre Virulenz-Faktoren. Würde man das von uns untersuchte Enzym durch Medikamente blockieren, könnten die Bakterien keine Signalmoleküle mehr bilden. So würden sie nicht merken, dass die Population die nötige hohe Dichte an Bakterienzellen erreicht hat – entsprechend würden sie keine Virulenz-Faktoren bilden."
Das Enzym ist nicht das einzige Protein, das auf molekularer Ebene als Ziel für therapeutische Wirkstoffe dienen könnte. Andere Studien zeigen Alternativen auf. "Das von uns untersuchte Enzym ist jedoch besonders vielversprechend, da es ein Schlüsselenzym bei der Ausbildung von Signalmolekülen und somit von Virulenz-Faktoren ist", unterstreicht Biologin Susanne Fetzner. Die Wissenschaftler sehen ihre Arbeit als ersten Schritt auf dem Weg zu einer möglichen neuen Therapie. "Man muss ein Enzym erst verstehen, um Wirkstoffe zu entwickeln, die es ausschalten. Und das ist uns gelungen."

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