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Der Übeltäter heißt CD-8: Münstersche Neuroimmunologen publizieren neue Erkenntnisse zu den Ursachen der Rasmussen-Enzephalitis

Freuen sich über die hochrangige Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse (v.l.n.r.:): Prof. Heinz Wiendl, Dr. Tilman Schneider-Hohendorf, Prof. Gerhard Kurlemann und PD Dr. Nicholas Schwab (Foto: FZ/M. Thomas)

Münster (mfm/sk) - Die Ursache:  eine rätselhafte Entzündung einer Gehirnhälfte. Die Folgen: Sprachstörungen, Lähmungen und Krämpfe, die ohne Therapie zum Tod führen können. Die Diagnose: Rasmussen-Enzephalitis, kurz RE. Diese Krankheit betrifft vor allem Kinder unter zehn Jahren – und ist sehr selten. Weniger als 50 Fälle werden jährlich in Deutschland neu festgestellt, somit ist RE in der Forschung kein sehr allzu großes Thema und Therapiemöglichkeiten gibt es kaum. Die Entfernung der befallenen Gehirnregion ist oft der letzte Ausweg für die Betroffenen. Neuroimmunologen der Universität Münster liefern nun neue Hinweise zum Verständnis der Krankheit: Das Team entschlüsselte die biochemische und genetische Zusammensetzung der Zellen, die vermutlich RE auslösen, und publizierte seine Erkenntnisse jetzt im renommierten Fachmagazin „Nature Communications“.
Wissenschaftler der neurologischen Uniklinik von Prof. Heinz Wiendl hatten bereits 2009 bestimmte Immunzellen identifiziert, die Schäden im Gehirn von Rasmussen-Patienten verursachen, nämlich die zytotoxischen CD8-T-Zellen. Seitdem haben sie diese Zellen detaillierter analysiert und fanden heraus: Je schwerer die Krankheit verläuft, desto mehr der schädlichen Zellen finden sich.
„Überraschenderweise haben wir diese krankhaft vermehrten Zellen auch im Blut festgestellt, obwohl der Krankheitsprozess selbst ja ausschließlich im Gehirn abläuft“ erläutert Arbeitsgruppenleiter PD Dr. Nicholas Schwab. Seine Kollegen und er schlussfolgerten: Die schädlichen Zellen bilden sich in der Blutbahn und wandern von dort vermutlich über die Blut-Hirn-Schranke in das Gehirn, wo sie das Gewebe angreifen und die Rasmussen-Enzephalitis auslösen.
Das optimale Medikament würde dafür sorgen, dass sich die CD8-T-Zellen gar nicht erst ausbreiten oder nur geschwächt ins Hirngewebe eindringen können. Das können auch die neueren Immuntherapeutika bislang nicht leisten: „Wir haben einzelne Patienten untersucht, die mit unterschiedlichen Medikamenten behandelt wurden: Keines der Präparate veränderte die CD8-Zellen oder machte sie unschädlich. Die Zahl der Zellen in der Peripherie zu beschränken, könnte eine Möglichkeit sein, die Krankheit einzudämmen. Dafür bedarf es klinischer Studien, die bei der geringen Zahl der Patienten aber nur schwer durchzuführen sind“, resümiert Schwab.
Zur Entwicklung eines wirksamen Medikaments ist es also noch ein langer Weg. Durch ihre Entdeckung sind die münsterschen Neurowissenschaftler mit Unterstützung von Kollegen aus Bonn, Bielefeld-Bethel und München ihrem Ziel jedoch ein großes Stück nähergekommen, so Prof. Wiendl: „Mit Hilfe des genetischen Codes der schädlichen CD8-Zellen können wir vielleicht herausfinden, gegen welche speziellen Proteine im Gehirn sich die Krankheit richtet“. Das sei der nächste wichtige Schritt im Verständnis der Krankheit, auf dem dann eine Therapie aufbauen könne.

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