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Das leidige zweite X-Chromosom: Internationales Experten-Treffen in Münster befasst sich mit dem Klinefelter-Syndrom

Zweimal X und einmal Y: Das Logo des Workshops greift die Ursache des Klinefelter-Syndroms auf

Münster (mfm/tw) – Ein amerikanischer Medizinprofessor beschrieb es 1942 erstmals und wurde dadurch zum Namensgeber: das Klinefelter-Syndrom. In Münster findet in dieser Woche (10. bis 12. März) der zweite Internationale Workshop zu dieser in der Bevölkerung wenig bekannten genetischen Störung bei Männern statt. Sie kann zu Kinderlosigkeit, Testosteronmangel, Erektionsstörungen, Osteoporose und Diabetes mellitus führen. Wird sie rechtzeitig erkannt, lassen sich Folgeerkrankungen häufig vermeiden – das Gros der Klinefelter-Betroffenen weiß allerdings gar nichts von der Veranlagung.
Für gewöhnlich tragen Frauen zwei X-Chromosomen im Erbgut (Karyotyp XX), Männer hingegen ein X- und ein Y-Chromosom (Karyotyp XY). So simpel, wie es in den Schulbüchern gelehrt wird, ist es mit dem biologischen Geschlecht aber nicht immer: Männer mit dem Klinefelter-Syndrom beispielsweise verfügen über ein zusätzliches X-Chromosom (Karyotyp XXY). Einer von 500 Männern gehört zu dieser Gruppe, die meisten von ihnen erfahren aber nie davon – denn offenkundig wird das Klinefelter-Syndrom nur in rund 20 Prozent der Fälle, häufig dann, wenn die Männer sich wegen ihrer krankheitsbedingten Unfruchtbarkeit behandeln lassen.
„Dass das Symptom viel zu selten erkannt wird, ist ein großes Problem. Zudem weiß man bisher viel zu wenig über die Rolle des zweiten X-Chromosoms beim Mann“, sagt Professor Jörg Gromoll vom Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA). Die an der münsterschen Uniklinik angesiedelte Einrichtung forscht intensiv zum Klinefelter-Syndrom. „Eine frühzeitige Diagnose ist ausgesprochen wichtig, um Betroffenen ein gesundes Leben zu ermöglichen. Da sind wir inzwischen viel weiter als noch vor wenigen Jahren“, so Gromoll, der auch Tagungsleiter des Workshops ist. Den Hormonmangel lasse sich meist gut behandeln und selbst der Kinderwunsch müsse nicht mehr unerfüllt bleiben: „Bei etwa der Hälfte der Klinefelter-Patienten können wir operativ zeugungsfähige Spermien gewinnen“, berichtet Prof. Sabine Kliesch, Chefärztin  der Klinischen Andrologie am CeRA.
Allerdings hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass das zusätzliche X-Chromosom auch auf subtilerer Ebene wirkt. Es beeinflusst zum Beispiel den Stoffwechsel und begünstigt kardiovaskuläre Erkrankungen. Mehr als 100 Wissenschaftler und Kliniker treffen sich im Factory-Hotel auf dem Germania-Campus in Münsters Norden, um hierzu und zu anderen Themen neueste Forschungsergebnisse auszutauschen. Neben renommierten Experten spricht die Veranstaltung gezielt auch Nachwuchswissenschaftler und junge Ärzte an, die aktuelle Arbeitserbnisse vorstellen können; darüber hinaus sind mehrere Patientengruppen vertreten.
Der erste internationale Klinefelter-Workshop fand 2010 in Kopenhagen statt. Für das aktuelle Expertentreffen bietet Münster nicht nur wissenschaftlich, sondern auch klinisch ausgezeichnete Voraussetzungen: Am CeRA arbeitet die deutschlandweit größte Klinefelter-Ambulanz.

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