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Multiple Sklerose: Zusammenhang zwischen Blutgerinnungssystem und Entstehen der Krankheit nun auch beim Menschen nachgewiesen

Prof. Sven Meuth, Dr. Kerstin Göbel und Prof. Christoph Kleinschnitz (v.l.) waren maßgeblich an der jetzt veröffentlichten Studie beteiligt (Foto: privat)

Münster - Es könnte der entscheidende Durchbruch sein bei der Frage, was die Multiple Sklerose (MS) im Menschen auslöst: Erstmals konnten Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen (UDE) in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universitäten Münster und Würzburg einen Zusammenhang zwischen dem Blutgerinnungssystem und dem Entstehen von MS beim Menschen nachweisen. Ihre Erkenntnisse hat das Team jetzt im renommierten Fachmagazin „Annal of Neurology“ veröffentlicht.
Die Multiple Sklerose ist eine entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems (ZNS). Betroffen sind vor allem junge Erwachsene; allein für Deutschland geht man von rund 140.000 Patienten aus. MS schreitet in Schüben oft rasch voran. Von der Forschung lässt sich das nur selten behaupten. Ideen, die heute im Reagenzglas funktionieren, erleben im Idealfall die Enkel der aktuellen Patienten als Medikament – oder auch nicht. Auf einen Erfolg kommen hunderte Rückschläge. Umso erstaunlicher ist die jüngste Entdeckung von Neuroimmunologen der Universitätskliniken in Essen, Münster und Würzburg.
Erst vor wenigen Monaten beschrieb die Forschergruppe die Rolle des Gerinnungsfaktors XII im Mausmodell der MS. Und bereits jetzt konnten sie zeigen: Auch bei erkrankten Menschen sind diese und andere Gerinnungsfaktoren offenbar sehr bedeutend. „ Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind sie die entscheidenden Motoren des schädlichen Entzündungsprozesses, der nach und nach das zentrale Nervensystem der Betroffenen angreift und zerstört“, fasst Prof. Christoph Kleinschnitz, Direktor der Neurologischen Klinik der Medizinischen Fakultät der UDE am Universitätsklinikum Essen zusammen.
„Wir haben untersucht, wie sich gesunde Menschen und Patienten mit neuroimmunologischen Krankheiten bei verschiedenen Gerinnungsfaktoren unterscheiden“, so Dr. Kerstin Göbel von der Universitätsklinik für Allgemeine Neurologie in Münster. Im Experiment stellte sich heraus: Dort, wo Entzündungsprozesse stattfinden, ist nicht nur der Faktor XII erhöht. Auch der Spiegel der beiden Gerinnungsfaktoren Prothrombin und FX ist im Blut von Patienten mit schubförmiger MS höher als bei Gesunden. Verläuft die MS jedoch primär progredient oder leiden Patienten an der Erkrankung Neuromyelitis optica, so sind die Gerinnungsfaktoren unauffällig.
„Unsere Untersuchung legt nahe, dass Gerinnungsfaktoren die Entzündungsprozesse bei neurologischen Krankheiten maßgeblich vorantreiben“, erläutert der münstersche Forschungsgruppenleiter Prof. Sven Meuth. „Und dies macht sie zu idealen Zielen, die mögliche künftige Therapien aufgreifen könnten“, ergänzt Prof. Kleinschnitz. Bereits vor einigen Monaten setzte die Arbeitsgruppe erstmals erfolgreich den Wirkstoff Infestin bei Mäusen ein, um den Gerinnungsfaktor XII zu blockieren. Mit ihrer jüngsten Veröffentlichung hat sie bewiesen, dass Gerinnungsfaktoren sich auch beim Menschen als Zielstruktur für MS-Therapien eignen könnten. Wie rasch die Entwicklung von hier an weitergeht, ist jedoch schwer vorauszusagen – auch das typisch für die MS.

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