M1AP & Meiose

In den Industriestaaten sind ~ 7% aller Männer unfruchtbar, doch bei den meisten bleibt die Diagnose einer klaren kausalen Ursache hierfür aus. Die Azoospermie, also das vollständige Fehlen von Spermien im Ejakulat, ist die schwerwiegendste Form der Unfruchtbarkeit. Eine wichtige klinische Herausforderung ist die Unterscheidung zwischen einer Azoospermie, die durch eine fehlerhafte Spermatogenese ausgelöst wird (nicht-obstruktive Azoospermie, NOA) und einer obstruktiven Azoospermie (OA). Dies ist für eine bestmögliche Beratung und Behandlung der Paare und Patienten von entscheidender Bedeutung. Genetische Ursachen werden als häufiger kausaler Grund für eine NOA vermutet, bisher sind jedoch nur wenige krankheitsassoziierte Gene identifiziert und charakterisiert worden.

Die männliche Meiose ist ein hoch komplexer Teilprozess während der Spermatogenese. Eine gestörte Genexpression kann zu einem Stillstand dieser Vorgänge oder einem Teil der Vorgänge führen (Meiose-Arrest, MeiA), was das Fehlen voll ausgebildeter, befruchtungsfähiger Keimzellen zur Folge haben kann. Die Identifizierung neuer Gene und die Entschlüsselung der zugrundeliegenden Mechanismen bei einer gestörten Meiose sind für ein tieferes Verständnis der Spermatogenese und der NOA unerlässlich und bilden daher den Schwerpunkt unserer Forschung. 

Kürzlich konnten wir in einem Projekt das meiosis 1 associated protein-codierende Gen M1AP als potentiellen Kandidaten, der zu einem meiotischen Stillstand, NOA, und demnach zu männlicher Unfruchtbarkeit führt, identifizieren (Wyrwoll et al., 2020).

In unserer MERGE-Kohorte (Male Reproductive Genomics, zu der jährlich circa 200 neue Fälle dazukommen), die die Exome unfruchtbarer Männer enthält, haben wir drei Fälle gefunden, die eine rezidivierende homozygote LoF-Variante (LoF = loss-of-function) in M1AP tragen, wodurch ein stark verkürztes und daher sehr wahrscheinlich nicht-funktionales Protein synthetisiert wird. Unser Befund konnte durch die Identifizierung von drei weiteren Männern mit NOA- und M1AP-LoF-Varianten in Kohorten unserer Kooperationspartner des International Male Infertility Genomics Consortium (IMIGC) validiert werden. Unabhängig von unseren Ergebnissen wurde M1AP außerdem als kausales Gen für männliche Unfruchtbarkeit in einer konsaguinen Familie aus der Türkei beschrieben. Mit jeder weiteren Analyse kommen weitere M1AP-Fälle hinzu. Eine zuvor publizierte M1AP Knockout-Mauslinie ist ebenfalls infertil. Verschiedene Analysen zeigen, dass M1AP vorwiegend im Hoden exprimiert wird. All dies liefert entscheidende Hinweise darauf, dass M1AP eine zentrale Rolle während der Meiose der männlichen Keimzellen spielt.

Abbildung 1: Ein wildtypischer M1AP-Genotyp (A, c.676 WT) mit normaler Spermatogenese der Hodenbiopsie (B), während eine LoF-Variante in M1AP (A c.676 dup) zu meiotischem Arrest im Patienten führt (C). Die Duplikation bewirkt einen Frameshift und den Einbau eines vorzeitigen Stoppcodons (p.Trp226fsTer4). Transfizierte HEK293T-Zellen zeigen die Entstehung eines verkürzten Proteins (D).

Über das genaue Expressionsmuster, die subzelluläre Lokalisation oder die zelluläre Funktion von M1AP ist allerdings bisher wenig bekannt. In unserem Projekt wollen wir M1AP deshalb auf verschiedenen Ebenen untersuchen und so mehr über das Gen und das zugehörige Protein herausfinden. Wir greifen dafür auf zelluläre Modellsysteme, menschliche Hodenbiopsien und eine Knockout-Mauslinie zurück, sodass wir das Wildtypprotein und die genetischen Varianten mittels molekularbiologischer, proteinbiochemischer und mikroskopischer Techniken individuell betrachten können. Darüber hinaus wollen wir durch biomolekulare Massenspektrometrie potentielle Interaktionspartner von M1AP identifizieren und könnten so sogar weitere Kandidatengene aufschlüsseln und das zelluläre Netzwerk von M1AP detailliert beschreiben.

Durch unser Projekt M1AP and meiosis, aber auch durch unsere weiteren Projekte zur Genetik des meiotischen Arrests, werden wir zukünftig die zugrunde liegenden Prozesse und den Ursprung eines MeiA besser verstehen, und so weitere Ursachen männlicher Unfruchtbarkeit diagnostizieren können.