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Noch nicht volljährig, aber schon mitten im Studium: „U18-Studierende“ im Fach Medizin

Sophie im Hörsaal (Foto: mk)

Münster (mfm/mk) – Sophie darf noch nicht alleine Auto fahren, keine Verträge unterschreiben und auch nicht ihre Stimme bei der Bundestagswahl abgeben – aber sie studiert schon: Medizin im ersten Semester an der Universität Münster. Sie ist zwar im laufenden Wintersemester die einzige Studentin unter 18 an der Medizinischen Fakultät – in den kommenden Jahren dürfte sich dies durch das achtjährige Gymnasium allerdings ändern. Wie kommen Fakultät und Studierende mit dem Umstand zurecht, dass Studierende wie Sophie zwar noch nicht jeden Film im Kino sehen, aber trotzdem Anatomie-Kurse besuchen dürfen?
Zumindest juristische Schwierigkeiten gibt es nach der Einschreibung an der Universität nicht mehr, wie der Stuidendekan der Medizinischen Fakultät, Dr. Bernhard Marschall, berichtet: „Die Studierenden dürfen, auch wenn sie noch nicht 18 sind, dann an allen Veranstaltungen teilnehmen“, so Marschall. „Ein Einverständnis der Eltern für bestimmte Veranstaltungen wie beispielsweise die Präparationskurse ist nicht erforderlich; das Studium wird als ‚Gesamtpaket’ eingegangen.“ Marschall sieht allerdings keinen großen Unterschied zwischen 17-jährigen Studierenden und solchen, die schon volljährig sind: „Sensible Themen wie Tod und Sterben oder Sexualität sind für alle Studierenden herausfordernd, egal wie alt diese sind, und werden deshalb besonders ohnehin vorsichtig in den Lehrplan eingebettet.“, erzählt Marschall.
Vielmehr seien soziale Belange manchmal schwierig für die jungen Studierenden: „Der Unterschied zur Schule ist sehr groß: dort waren sie oft ‚Überflieger’, hier sind herausragende Leistungen ganz normal.“ Die meisten Medizin-Erstsemester seien außerdem um die 20 Jahre alt, „da ist der Unterschied dann gar nicht so groß – und Münster steht ohnehin für eine besondere persönliche Betreuung“, so Marschall.
Auch Sophie sieht die Probleme für junge Leute eher im außeruniversitären Bereich. Zwar waren für Auswahltest und die spätere Einschreibung die Unterschriften beider Eltern nötig, größere Probleme bereiteten allerdings Wohnungssuche und die Orientierungswoche. „Wenn man noch minderjährig ist und die Eltern extra anreisen müssen, um einen Mietvertrag zu unterschreiben, ist es nicht einfach, ein Zimmer zu finden“, erzählt sie. „Viele Wohngemeinschaften haben außerdem bei 17-jährigen anscheinend ein Bild von feierwütigen, pubertierenden Teenies im Kopf.“ Und auch in der Orientierungswoche war ihr junges Alter ein Nachteil: „Bei der ‚Kneipen-Rallye’ musste ich um 24 Uhr zu Hause sein – und an fast allen Türen hingen Schilder, auf denen stand, dass man eigentlich sowieso nicht reindarf.“
Im Studium an sich gab es für Sophie bisher keine Probleme: „Der weiße Kittel verbindet und macht vieles einfacher“, erzählt sie. Die Kommilitonen nehmen Sophies Alter überwiegend mit Unglauben und Überraschung auf, „manche sind allerdings auch neidisch“, so Sophie. Auch ihre Kommilitonin Nadine empfand den Umgang mit den älteren Kommilitonen als nicht immer einfach: „Der Altersunterschied war mitunter schon präsent“, berichtet die mittlerweile 20-Jährige, die knapp ein Jahr lang als noch nicht Volljährige Medizin in Münster studierte.
Allerdings gibt es auch eindeutige Vorteile, so früh mit dem Studium anzufangen, wie Nadine berichtet: „Ich muss mir um den zeitlichen Ablauf meines Studiums überhaupt keine Sorgen machen und kann ohne Probleme Auslandserfahrungen sammeln oder ein Freisemester für die Doktorarbeit machen.“ Und nach dem Schulabschluss mit 17 gebe es auch wenige Alternativen dazu, ein Studium anzufangen: „Work & Travel oder Au-Pair sind ja auch erst ab 18 möglich“, so Nadine. Sie ist glücklich mit ihrer Entscheidung, „aber es kommt auch immer auf den Einzelnen an, die geistige Reife und den wirklichen Wunsch, an die Uni zu gehen – dann kann ein Studium unter 18 wie bei mir eine gute Wahl sein.“
Auch Sophie ist froh, schon mit 17 den Weg an die Universität gewählt zu haben: „Ich finde es toll, studieren zu dürfen und es war auch der richtige Zeitpunkt, aus der Kleinstadt meiner Heimat herauszukommen.“ Es sei außerdem schön, zu wissen, so früh schon so viel erreicht zu haben: „ich habe überhaupt keinen Zeitdruck, kann jede Möglichkeit zu einem Auslandsaufenthalt nutzen – und Studieren macht einfach Spaß“, so Sophie.
Der Kneipenbesuch ist für sie kein Problem mehr: Kürzlich hat Sophie ihren 18. Geburtstag gefeiert.

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