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Keine kalte Dusche: WWU-Forscher entdeckten Gendefekt, der die ALS-Forschung voranbringen könnte

Die Arbeitsgruppe zu angeborenen Stoffwechselerkrankungen (v.l.n.r.): Dr. Janine Reunert, Prof. Thorsten Marquardt und Dr. Julien Park (Foto: FZ / J. M. Tronquet)

Münster (mfm/sw) – Amyothrophe Lateralsklerose: eine Nervenerkrankung mit einem komplizierten Namen, die aber trotzdem äußerst bekannt ist – unter ihrer Abkürzung ALS. Tausende von Social-Media-Nutzern, darunter viele Promis, ließen sich bei der „Ice-Bucket-Challenge“ mit Eiswasser überschütten, um auf diese Krankheit aufmerksam zu machen und um Spenden für deren Erforschung zu sammeln. Denn die ist wichtig: ALS gilt bislang als unheilbar. Auch Wissenschaftler der Universität Münster arbeiten daran, die genaue Entstehung von ALS zu klären – und sind dabei nun einen Schritt weitergekommen: Dr. Julien Park, Dr. Christiane Elpers und Dr. Janine Reunert aus der Uniklinik für Kinder- und Jugendmedizin haben eine neue Erkrankung identifiziert, die das Verständnis der Nervenkrankheit verbessern kann: die SOD1-Defizienz. Die Fachzeitschrift „Brain“ veröffentlicht in ihrer aktuellen Ausgabe (23.07.) die Erkenntnisse der Forschergruppe.

Bei ALS handelt es sich um eine schwerwiegende neurodegenerative Erkrankung, bei der Nervenzellen nach und nach absterben. Die Folge: Die betroffenen Patienten verlieren die Kontrolle über ihre Muskulatur, innerhalb weniger Jahre verläuft die Krankheit für sie tödlich. Die genaue Entstehung ist noch ungeklärt – klar ist nur, dass es sporadische Fälle gibt sowie familiäre ALS-Fälle, also Erbkrankheiten (kurz fALS). Schon Veränderungen in wenigen Genen können diese Erbkrankheit verursachen. Unter diesen Genen ist SOD1 ein bedeutendes, bei dem schon eine einzelne fehlerhafte Kopie als krankheitsverursachend angenommen wird – die genaue Entstehung von fALS durch eine solche Mutation bleibt jedoch weiterhin unklar.

Die münsterschen Wissenschaftler konnten nun bei einem jungen Patienten eine homozygote – das meint „reinerbige“ - SOD1-Mutation identifizieren, die zu einem völligen Funktionsverlust des Proteins führt. Der Körper ist deutlich eingeschränkter im Abbau von schädlichen reaktiven Sauerstoffspezies, wodurch Zellschäden eintreten: Die sogenannte SOD1-Defizienz unterscheidet sich damit deutlich von einer ALS und tritt bereits im Kindesalter auf. Doch auch das Auffinden einer neuen Erkrankung kann - indirekt - die ALS-Forschung vorantreiben: Aus der Entdeckung der SOD1-Defizienz ergeben sich wichtige Hinweise für die Krankheitsentstehung von ALS. Ein Funktionsverlust scheint keine Ursache zu sein – der Entstehungsmechanismus der SOD1-verursachten ALS muss also komplizierter sein. Bisher setzten Forscher große Hoffnungen darauf, SOD1 „auszuschalten“, um ALS zu behandeln. Die Autoren der jetzt publizierten Studie mahnen jedoch zur Vorsicht: „Auch ein Funktionsverlust kann negative Folgen habe, wie unser Patient eindrücklich zeigt“, so die Forscher.

Unter Leitung von Prof. Thorsten Marquardt arbeitet der „Bereich Angeborene Stoffwechselerkrankungen“ an der Diagnostik und molekularen Aufklärung sehr seltener Erkrankungen, darunter nun auch ALS. Seine Doktorarbeit hat Teammitglied Park ebenfalls unter Marquardt angefertigt und dafür 2018 den Promotionspreis der Medizinischen Fakultät der WWU erhalten.

Link zur Studie

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