In 80 Tagen um die Welt: Münstersche Universitätsmedizinerin und Präsidentin des Weltärztinnenbundes Prof. Bettina Pfleiderer

Münster (mfm/jk) – Schwarzes Bild, aus dem Hintergrund schallendes Lachen. So fängt die Reportage an, die der WDR kürzlich über Prof. Bettina Pfleiderer drehte. Und sie fängt genau den Eindruck ein, den man von der quirligen Wissenschaftlerin bekommt. Eine bunt gekleidete, fröhlich strahlende Frau öffnet einem die Tür zu ihrem Büro im Uniklinikum Münster. Der Raum dahinter voll mit Bildern, die die lachende Medizinerin umringt von Kolleginnen zeigen. An den Wänden unzählige Preise. Doch „um Anerkennung geht es in der Arbeit nicht“, wie sie sagt. Es gehe um die Begeisterung für das was man tut, um die Erkenntnisse und vor allem, das scheint im Mittelpunkt zu stehen: um die Freude.

Die „Welt“ schrieb schon vor einigen Jahren über diese erstaunliche Frau, dass allen, die noch Zweifel an der Existenz einer fröhlichen Wissenschaft hegen, ein Besuch bei Prof. Bettina Pfleiderer empfohlen sei. Ihr Geheimrezept ist dabei die große Leidenschaft, die sie für ihre Forschungen hat. Bereits als kleines Mädchen bekam sie von ihrem Vater einen Chemiebaukasten geschenkt, der ihr schnell langweilig wurde und vom nächsten schwierigeren Modell abgelöst wurde. Während andere Kinder draußen Fangen spielten, schrieb sie Versuchsprotokolle. Doch die Liebe für die Naturwissenschaften fing noch früher an.

Pfleiderer wuchs neben einer Wollfabrik auf. Zum Kummer ihrer Mutter verschwand sie in den großen Hallen, zwischen Kesseln mit Farbe und löcherte den Obermeister mit Fragen zu seiner Arbeit. Sie wollte verstehen was da vor sich ging, warum die Stoffstücke von blau nach rot wechselten und was es mit dem ominösen Pulver auf sich hatte, welches unter Aufsicht in die großen Bottiche gekippt wurde.

Dieser Drang nach Verständnis, Verständnis für das große Ganze, brachte sie in die physikalische Chemie. Sie erforschte den Abbau von Silikonimplantaten im weiblichen Körper. Unter anderem an der Harvard Medical School. Die Ergebnisse wurden unter anderem mit dem Deutschen Röntgenpreis ausgezeichnet. Doch das reichte ihr nicht. Sie wollte verstehen. Verstehen, was medizinisch mit dem Silikon weiterhin im Körper passierte. Und so verschlug es sie, mit bereits einem Kind und festem Job in der Forschung, zu einem Medizinstudium an der münsterschen Universität.

Eine gewöhnliche Studentin war sie dabei nie. Im gleichen Jahr in dem ihr der Dekan der medizinischen Fakultät einen Schein über das Fach Radiologie ausstellte, gratulierte er ihr auch zu ihrer Antrittsvorlesung als Privatdozentin. Kommilitoninnen, die mit ihr zusammen im Anatomiekurs büffelten, sind heute ihre Doktoranden. Wenn andere mit einem Attest in der Uni fehlten, musste sie ihr Fehlen mit dem Besuch eines wichtigen Kongresses entschuldigen. Und doch zog sie die Jahre bis zum zweiten Staatsexamen in Regelstudienzeit durch. Fünf Jahre lang hatte sie keinen Urlaub. An Weihnachten saß sie bei ihren Eltern unter dem Tannenbaum und lernte für Physik. Es war aber nicht nur ihre Lebensumstände, die sie von den anderen Studierenden unterschieden. Auch hier stach sie wieder mit ihrer besonderen Art, die Dinge verstehen zu wollen hervor. Der Wissensgewinn war ihr Antrieb, das Maximum an diesem musste doch aus solch einem Studium rauszuholen sein. Vorlesungen, die ihren Ansprüchen nicht genügten, nervten sie geradezu. Zeitverschwendung. Zeit, die sie neben ihrer Arbeit in der Radiologie nicht hatte.

Zeit ist bei ihr bis heute knapp berechnet. Die Medizinerin scheint in einem anderen Rhythmus zu leben. Ihre Termine der nächsten Wochen lesen sich wie die Dreharbeiten für „in 80 Tagen um die Welt“. Von Helsinki nach New York, Abstecher nach Italien und Tallin und zurück ins beschauliche Münster. Sie pendelt zwischen Metropolen und zwischen ihren verschiedenen Rollen als Präsidentin des Weltärztinnenbundes und als Forscherin der Gendermedizin

Im Institut für klinische Radiologie forscht sie in ihrer Arbeitsgruppe „Cognition and Gender“ zu den Unterschieden zwischen den verschiedenen Geschlechtern. Was klingt wie eine medizinische Form des Feminismus ist alles andere als das. Denn sowohl hormonelle als auch neurologische und natürlich genetische Unterschiede zwischen Mann und Frau haben erhebliche Auswirkungen auf die Verläufe von Krankheiten, die Symptomatik, die Therapie. Und das kommt beiden Geschlechtern zugute. Medikamente, die je nach Geschlecht anders vom Körper verarbeitet werden, können als solche kenntlich gemacht werden und die Behandlung optimieren. Aber diese Forschung deckt noch viel mehr Bereiche ab. Sie ist eins der großen interdisziplinären Fächer der Medizin.

Daneben ihre Arbeit als Präsidentin des Weltärztinnenbundes. Und auch hier fällt wieder das Stichwort „Verständnis“. Sie möchte begreifen wem sie da hilft und wie sie überhaupt helfen kann. Und dafür reist sie in die Länder, lässt sich mitreißen von den verschiedenen Kulturen und Bräuchen und gewinnt Eindrücke der Menschen. In diesen Momenten entfacht bei ihr eine Begeisterung, die sich fast automatisch auch auf andere überträgt. Da werden Bilder aus Indien gezeigt oder von den tansanischen Kolleginnen.

Trotz der sage und schreibe tausend Mails, die die Medizinerin täglich erreichen und die sie des Nächtens beantworten muss, verliert sie nicht die Geduld. Für ihre Arbeit im Weltärztinnenbund wird sie nicht bezahlt, sie läuft neben ihrem normalen Tagesgeschäft her. Zuhause hängt deswegen das Bild einer Kamelkarawane. Ein tansanisches Sprichwort, welches ihr eine langjährige Kollegin mit auf den Weg gegeben hat, besagt, dass eine Karawane nur so stark ist wie das schwächste Kamel. Um das gilt es sich zu kümmern, um seine Arbeit mit Erfolg zu krönen. Und nun hängt sie dort, die Karawane. Über Pfleiderers Computer und mit dicken Pfeilen in Richtung des letzten Kamels.

(Mit diesem Bericht setzt der Alumni-Verein „MedAlum“ der Medizinischen Fakultät Münster seine Porträt-Reihe "Köpfe der Fakultät" fort. Mehr zu dem Verein erfahren Sie hier.)

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