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Chronische Krankheit statt tödlicher Seuche: Welt-AIDS-Tag am 1. Dezember

HI-Virus, das sich gerade aus einer Immunzelle herauslöst (Abb.: Wikipedia/ J. Oliveira)

Weltweit leben 35,3 Millionen Menschen mit einer HIV-Infektion. In Deutschland sind es 60.000, in Münster 300. Das Virus greift das Immunsystem an, AIDS-Kranke entwickeln lebensgefährliche Infektionen und Tumoren. Anlässlich des Welt-AIDS-Tages laufen am 1. Dezember in vielen Städten Aktionen, um sich mit den Betroffenen zu solidarisieren und über die Krankheit aufzuklären. Ein Wissenschaftler der Universität Münster, der Neurologe und emeritierte Professor Ingo-Wilhelm Husstedt, gehört auf seinem Gebiet zu den weltweit führenden Forschern und ist Vorsitzender der Deutschen Neuro-AIDS-Arbeitsgemeinschaft in der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Seine Botschaft anlässlich des Welt-AIDS-Tages macht Hoffnung: „HIV-Infizierte haben heutzutage eine ähnliche Lebenserwartung wie Nichtinfizierte.“
Seit mehr als 30 Jahren arbeitet der Wissenschaftler mit Betroffenen, die an dem Virus erkrankt sind. Als Neurologe beschäftigt er sich vor allem mit den Auswirkungen, die die Krankheit auf das Gehirn und das Nervensystem hat. „Rund 90 Prozent aller Betroffenen entwickeln im Krankheitsverlauf eine Beteiligung des Nervensystems,  20 bis  30 Prozent eine sogenannte HIV-assoziierte neurokognitive Störung, eine Art Demenz“, erklärt der Wissenschaftler. Aber auch schwere Gehirnentzündungen oder Läsionen des Rückenmarks sind Folgen.
Noch gut erinnert er sich an seinen ersten AIDS-Patienten Mitte der Achtzigerjahre, einen damals 18-jährigen jungen Mann, der an einer sehr schweren HIV-assoziierten neurokognitiven Störung erkrankt war. Er war Bluter und war über eine Konserve mit dem Virus infiziert worden. Auf der neurologischen Station nahm sich Husstedt seiner an und erlebte, wie zerstörerisch die Krankheit war. „Nach einem Jahr verstarb er“, erinnert sich der Mediziner. Damals stand die heutige moderne Therapie „cART“ (combined Anti-Retroviral Therapy), eine Kombination aus drei Medikamenten, noch nicht zur Verfügung.
Solche Fälle erlebte er in den Anfangsjahren seiner Arbeit mit AIDSkranken häufig: Viele Infektionen wurden erst spät diagnostiziert, die Forschung steckte noch in den Kinderschuhen, wirksame Medikamente waren Mangelware. Heute sind rund 20 Prozent aller HIV-Infizierten über 50 und haben eine gute Prognose, ähnlich alt zu werden wie ihre Mitmenschen ohne AIDS – vorausgesetzt, die Infektion wird früh genug diagnostiziert und die spezielle Kombinationstherapie eingesetzt, die die Erreger in Schach hält. „Trotzdem sind die Betroffenen eingeschränkt: Sie müssen lebenslang Medikamente nehmen und sich regelmäßigen medizinischen Kontrollen unterziehen“, weiß der Experte.
Einem allzu laxen Umgang mit der Infektionskrankheit tritt er deshalb entgegen: „Immer noch werden jedes Jahr bundesweit über 3.000 Menschen mit der Diagnose ‚HIV positiv‘ entdeckt.“ Nach wie vor seien Aufklärung und Prävention die wichtigsten Mittel im Kampf gegen die Krankheit. Betroffene litten häufig nicht nur unter den Nebenwirkungen der Medikamente, sondern seien auch gesellschaftlich stigmatisiert – trotz aller Kampagnen. „Ich kenne viele Fälle, in denen sich ein offener Umgang mit AIDS im sozialen und beruflichen Bereich negativ ausgewirkt hat.“
Bahnbrechende Erkenntnisse – etwa Medikamente, die das Virus nicht nur eindämmen, sondern komplett zerstören, oder einen validen Impfstoff – erwartet er in den nächsten Jahren nicht mehr, zu schwierig und komplex ist die Forschung inzwischen. Auch, dass AIDS die größte medizinische Herausforderung der Menschheit bleibt, glaubt der Neurologe Husstedt nicht: „Jährlich sterben weltweit mehr Menschen an Tuberkulose und Malaria.“ Diese „alten Klassiker“, wie er sie nennt, seien eigentlich gut behandelbar, doch in vielen Entwicklungsländern noch eine häufige Todesursache – aufgrund mangelnder Versorgung.  (Quelle: WWU-Zeitung „wissen.leben“)

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