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Zellen und ihre guten Fortsätze: Forschungsgruppe identifiziert Proteinkomplex als Basis des Zusammenhalts

Identifizierten einen neuen Proteinkomplex: Teamleiter Prof. Klaus Ebnet (r.), Dr. Christian Hartmann (aufgrund Verhinderung via Laptop dabei) und Eva Thüring (Foto: WWU/E. Wibberg)

Münster (mfm/sw) – Zusammenhalt ist alles – im Großen wie im Kleinen: Auch Zellen, die kleinsten lebenden Einheiten des menschlichen Organismus, müssen zusammenhalten, um funktionierende Gewebe und Organe zu bilden. Dass aber auch die einzelnen Zellfortsätze – die Ausstülpungen der Zelle außerhalb der Zellmembran - ordentlich zusammengehalten werden müssen, ist eher unerwartet – und wurde jetzt von einer münsterschen Forschungsgruppe um Prof. Klaus Ebnet, Dr. Christian Hartmann und Eva Thüring herausgefunden. Das Team vom Institut für Medizinische Biochemie der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster entdeckte ein Zelladhäsionsmolekül, das einzelne Zellfortsätze in den Darmepithelzellen zusammenhält. Die Ergebnisse wurden nun in der renommierten Fachzeitschrift Science Signaling veröffentlicht.

Zellfortsätze sind normalerweise für den Stoffaustausch, die Kommunikation und Fortbewegung zuständig. Warum auch sie genau wie Zellen zusammengehalten werden müssen, ist noch nicht erforscht. Umso erstaunter waren Ebnet und sein Team von ihrer Entdeckung: „Wir haben den Bürstensaum der Darmepithelzellen untersucht, der sich an der den Darmhohlräumen zugewandten Zellmembran befindet“, so Ebnet. Die Darmepithelzellen dienen dem Darm als eine Art „Übersetzer“: So können sie einerseits im Darminneren mittels Rezeptoren Bakterien wahrnehmen und dort Entzündungen verhindern, andererseits von außen Bakterien abwehren, indem sie zur Herstellung von Antikörpern anregen.

„Die fingerähnlichen Fortsätze, die den Bürstensaum bilden – die sogenannten Mikrovilli – sind alle etwa gleich lang und haben eine erstaunlich regelmäßige Anordnung mit nahezu identischen Abständen zueinander. Sie dienen in erster Linie der Oberflächenvergrößerung – die wiederum für die Nährstoffaufnahme wichtig ist“, erklärt der Arbeitsgruppenleiter. Die regelmäßige Anordnung scheint eine zelluläre Anpassung an die Notwendigkeit der Oberflächenvergrößerung von Epithelzellen zu sein – mit dem Ziel der optimalen Nahrungsaufnahme ins Zellinnere.

Wie es zu dieser Regelmäßigkeit in der Anordnung der Mikrovilli kommt, ist noch nicht im Einzelnen bekannt. Das Forschungsteam konnte nun einen Proteinkomplex identifizieren, durch den die einzelnen Mikrovilli zusammengehalten werden: das Zelladhäsionsmolekül TMIGD1, was gemeinsam mit einem Aktin-bindenden Protein und zwei Adaptorproteinen den Proteinkomplex bildet. In diesem Komplex dient TMIGD1 dazu, die Mikrovilli aneinander zu koppeln. Fehlt das TMIGD1-Protein, verlieren die Mikrovilli nicht nur ihren (Zusammen-)Halt, sondern bilden auch noch blasenartige Auswüchse. Die Folgen: unklar.

„Welche Krankheiten entstehen könnten oder was mit den Mikrovilli passiert, wenn dieser Zusammenhalt verloren geht, wissen wir noch nicht“, so Ebnet. „Meine Vermutung ist, dass es zu entzündlichen Darmerkrankungen kommen kann“. Um die genauen Folgen eines fehlenden oder defekten TMIGD1-Proteinkomplexes zu identifizieren, sind weitere Studien erforderlich. Eines erscheint Teamleiter Ebnet aber logisch zu sein: „Was im Großen gilt, gilt wohl auch im Kleinen - ohne richtigen Zusammenhalt sieht es schlecht aus“.

PubMed-Link zur Studie