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Wenn der Flimmerhärchen-Teppich versagt: Forschungsgruppe um Prof. Omran beschreibt neuen Mechanismus für männliche Unfruchtbarkeit

Arbeitsgruppenleiter Prof. Heymut Omran und die Erstautorin der neuen Studie, Isabella Aprea, wollen den Ursachen für männliche Unfruchtbarkeit auf den Grund gehen. (Foto: WWU / E. Deiters-Keul)

Münster (mfm/lt) – Unfruchtbarkeit ist für betroffene Männer ein unangenehmes Thema – nicht nur, weil damit oft ein schmerzlich unerfüllter Kinderwunsch verbunden ist: Oft ist auch Scham oder ein Gefühl von Unzulänglichkeit mit im Spiel. Umso wichtiger ist es, die Ursachen von Infertilität zu erforschen und neue Therapieansätze zu entwickeln. Die Forschungsgruppe um den Prof. Heymut Omran, Direktor der münsterschen Universitätskinderklinik, konnte bereits verschiedene Gendefekte identifizieren, die unbewegliche Spermien und somit Unfruchtbarkeit zur Folge haben. Jetzt ist dem Team ein weiterer Erfolg gelungen – die zugrundeliegende multidisziplinäre Arbeit hat die Fachzeitschrift „Molecular Human Reproduction“ veröffentlicht.

Spermien bewegen sich dank eines fadenförmigen Zellfortsatzes fort, der Geißel. Ist diese unbeweglich, kann das ein Grund für männliche Unfruchtbarkeit sein – die Spermien kommen nicht an, wo die Natur sie sehen will: bei der Eizelle. Die Ursachen für solche Fälle sind oftmals noch unbekannt. Die Arbeitsgruppe um Omran erforscht daher seit Jahren die Funktion von Spermiengeißeln. In der von der DFG geförderten klinischen Forschungsgruppe „Male Germ Cells: From Genes to Function“ ist ihr es nun gelungen, einen neuen Mechanismus für männliche Fruchtbarkeit zu beschreiben, bei dem die Funktion der Spermiengeißel keine Rolle spielt. Der Hauptakteur ist ein sogenanntes Flimmerepithel in den ableitenden Samenwegen zwischen Hoden und Nebenhoden, das beim Transport von Spermien in den Nebenhoden besonders wichtig ist.

Flimmerepithele kann man sich vorstellen als einen Teppich aus Millionen von Zellen, die kleine bewegliche Härchen tragen und die in verschiedenen Organen wichtige Funktionen erfüllen. In den Atemwegen sind solche Flimmerhärchen beispielsweise für die Reinigung zuständig, indem sie den Schleim in wellenförmigen Bewegungen abtransportieren. Das Flimmerepithel in den männlichen Fortpflanzungsorganen wurde schon 1856 entdeckt, allerdings blieb seine Rolle bei der Fruchtbarkeit – beziehungsweise Unfruchtbarkeit – des Mannes lange unbeachtet. Auch deswegen geriet es bis zur jüngsten Zeit weitgehend in Vergessenheit.

Die neue Studie aus der Omran-Gruppe hat nun aufgezeigt, dass ein genetischer Funktionsverlust der Flimmerhärchen, verursacht durch DNAH5-Mutationen in den ableitenden Samenwegen, zu einer geringen Anzahl an Spermien in der Samenflüssigkeit führt und somit Unfruchtbarkeit verursacht. Darüber hinaus spekuliert Isabella Aprea, die Erstautorin der aktuellen Publikation, dass auch andere Gendefekte und Medikamente zu einer Fehlfunktion dieser Flimmerhärchen beitragen können. Verschiedene Medikamente, zum Beispiel Betablocker, vermindern nachweislich die Schlagfrequenz von Flimmerhärchen in den Atemwegszellen. Insofern könnte es sein, dass eine Behandlung mit solchen Medikamenten auch die Funktion der Flimmerhärchen in den männlichen Fortpflanzungsorganen beeinflusst. Aprea, Omran und ihre Mitstreiter eröffnen damit ein neues Forschungsfeld und sind optimistisch, dass die neuen Erkenntnisse maßgeblich zur Verbesserung der Diagnostik männlicher Unfruchtbarkeit beitragen sowie auch in der Entwicklung von Therapiemethoden von Bedeutung sein werden.

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