Von der Brache zur Denkfabrik: Großprojekte MedForCe und BBIM feiern pünktlich Richtfest

„Wenn nun das Glas in Scherben springt …“: Nach dem Richtspruch von Polier Urim Rihani (2.v.r.) gab es für KD Dr. Christoph Hoppenheit, Dekan Prof. Frank Ulrich Müller, Architekt Hieronymus Nickl, NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen, Bürgermeisterin Angela Stähler, WWU-Rektor Prof. Johannes Wessels, ÄD Prof. Alex W. Friedrich und BBIM-Initiator Prof. Heinz Wiendl den traditionellen Umtrunk (Foto: WWU/Th. Hauss)

Es gibt nur einen Weg nach ganz oben – jedenfalls beim BBIM: Auf das Dach des Rohbaus, den Schauplatz des Richtfestes, ging es für die Gäste der Veranstaltung mit dem Bauaufzug (Foto: WWU/Th. Hauss)

So werden BBIM (l.) und MedForCe (r.) vom Stadtring aus gesehen nach Fertigstellung aussehen (Visualisierung: Nickl & Partner)

Münster (mfm/tb) - Ein trister Parkplatz, der sich nach jedem Regenschauer in eine lehmige Pfützenlandschaft verwandelte: Ein trostloser Anblick bot sich jahrzehntelang am „Coesfelder Kreuz“ in Münster, dem wichtigsten Verkehrsknoten der Stadt in Richtung Westen. Diese Zeiten sind vorbei: Auf dem städtebaulichen Filetstück entstehen derzeit zwei Großbauten für die münstersche Universitätsmedizin. Die Arbeiten am „MedForCe“ und am „BBIM“ liegen voll im Plan – keine Selbstverständlichkeit bei solchen Projekten. Universität und Universitätsklinikum Münster konnten daher heute [11.04.2022] das Richtfest feiern und zu diesem auch NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen begrüßen. In die positive Stimmung mischten sich Sorgen angesichts der Entwicklung im Baubereich und des Ukraine-Kriegs.

Das Medizinische Forschungs-Zentrum (MedForCe) sowie das Body & Brain Institute Münster (BBIM) sind die ersten Bauprojekte auf dem „Forschungscampus Ost“, der seinerseits Teil des Masterplans zur funktionalen und baulichen Neugliederung der Universitätsmedizin in Münster ist. Nach Fertigstellung werden bis zu 900 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler modernste Arbeitsplätze in den beiden Gebäuden erhalten. Drei Institute - Virologie, Hygiene, Medizinische Mikrobiologie -, die derzeit weit von voneinander entfernt arbeiten müssen, bekommen im MedForCe eine neue Heimat. Damit rückt die Infektionsmedizin, ein ausgewiesener Forschungsschwerpunkt des Medizin-Standortes Münster und einer mit internationalem Renommee, buchstäblich enger zusammen. Das Gros der 32.000 qm großen Flächen des MedForCe entfällt aber auf neue Laboreinheiten. Beim BBIM, das direkt angrenzt und zusammen mit dem MedForCe einen Gebäuderiegel entlang des Orleans-Rings bildet, ist das Besondere, das dort interdisziplinär an nur einem Thema geforscht wird, am Zusammenspiel von Hirn und Körper.

Auf rund 240 Millionen Euro belaufen sich – die Ersteinrichtung sowie wissenschaftliche Großgeräte und Ausstattungsgegenstände eingerechnet – die Investitionen für die Neubauten. Den Löwenanteil finanziert mit rund 205 Millionen Euro das Land Nordrhein-Westfalen; beim BBIM beteiligt sich aufgrund des besonderen Nutzungskonzeptes auch der Bund. Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, sagt: „Das BBIM und das MedForCe werden die medizinische Forschung der Universitätsmedizin in Münster in Bereichen wie der Infektionsmedizin, der Krebsforschung oder der neuropsychiatrischen Forschung in den kommenden Jahren enorm voranbringen. In beiden Gebäuden werden neue Forschungsflächen mit modernster Ausstattung geschaffen. Durch die gemeinsame Nutzung von Anlagen wie etwa MRT-Geräten sollen der wissenschaftliche Austausch und die interdisziplinäre Forschung gefördert werden."

Vor der Ministerin hatte der Kaufmännische Direktor des Universitätsklinikums Münster (UKM) einen Rückblick gegeben auf die Entwicklung von Münsters derzeit größter Baustelle. „Den Grundstein haben wir im Oktober 2020 in einer neun Meter tiefen Baugrube gelegt, das Richtfest begehen wir auf einer Höhe von 17 Metern auf dem Dach eines sechsstöckigen Rohbaus“, veranschaulichte Dr. Christoph Hoppenheit den Baufortschritt in nicht einmal anderthalb Jahren. Trotz der immensen Baustellenlogistik, zu der beispielsweise die Verarbeitung von 4.000 Tonnen Baustahl und 24.500 Kubikmetern Beton (der Füllmenge von über 3.000 Betonmischern), der Einsatz von fünf Großkränen und der Betrieb von zwei Wertstoffhöfen gehöre, habe es in der Bauzeit keine größeren Vorkommnisse und Verzögerungen gegeben. Keine einzige Anwohnerbeschwerde sei bei der UKM IM GmbH eingegangen, die als Tochterfirma des UKM die Projektleitung innehat. Selbst vom Kälteeinbruch Anfang 2021 ließen sich die Bauarbeiter nicht ausbremsen: Sie funktionierten ihre Fahrzeuge spontan zu Schneepflügen um und halfen beim Räumen des Klinikgeländes. „Die beiden Bauprojekte sind finanziell und zeitlich im Takt“, so die Bilanz von Dr. Hoppenheit.

Über diese Aussage freut sich insbesondere Prof. Frank Ulrich Müller: Als Dekan der Medizinischen Fakultät ist er quasi der spätere „Hauptnutzer“ von MedForCe und BBIM. In seiner Rede unterstrich er, warum die beiden Bauvorhaben so wichtig sind für die medizinische Forschung an der Universität Münster: „Mit den neuen Gebäuden werden zwei Defizite angegangen, die die zentralen Hemmnisse sind bei der Weiterentwicklung unseres Standortes: die aus der Historie resultierende dezentrale Struktur des Medizin-Campus und zweitens der Mangel an Laborflächen.“ Prof. Müller knüpft große Erwartungen an die Neubauten, nicht nur bezüglich der besseren Arbeitsbedingungen für die verlagerten Institute. Die kommenden Laborflächen würden auf Zeit und in internen Auswahlverwahren vergeben, abhängig vom Thema und von der wissenschaftlichen Exzellenz der Anträge. „Das verhindert Verkrustungen und fördert Qualität“, so Müller. Neue Impulse soll auch das innovative Konzept des BBIM bringen: In ihm werden zehn Arbeitsgruppen ihren Sitz haben und hochgradig interdisziplinär vorgehen.  Multiple Sklerose, Entzündungen des zentralen Nervensystems sowie Angststörungen dienen als Modellerkrankungen, um typische Ursachen und Prozesse der Interaktion zwischen Hirn und Körper zu erkennen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen neue Behandlungsstrategien für neurologische und psychiatrische Erkrankungen ermöglichen.

Die Fertigstellung ist beim BBIM für Sommer 2024 geplant, das wesentlich größere MedForCe soll ein Jahr später folgen. Ob sich die Termine und Kostenpläne halten lassen, hängt sehr stark von der weiteren Entwicklung im Bausektor ab. Und die ist turbulent: Auftragnehmer sind zunehmend schwer zu finden, die Preise für Baustoffe und Material explodieren. So kletterte der Preis für eine auf der Baustelle benötigte Edelstahlsorte in wenigen Monaten von 4.400 auf 6.800 Euro je Tonne. „Durch vorausschauende Kalkulationen und Vertragsabschlüsse sowie durch die gute Arbeit unserer Disponenten konnten wir bisher verhindern, dass die Trends auf das MedForCe und das BBIM durchschlagen“, lobt Dr. Hoppenheit sein Bauteam. Dieses erstellte bereits für die Förderanträge Risikoberechnungen, die vom Land NRW – seinerzeit ein Novum, inzwischen Standard – bei den Bewilligungen berücksichtigt wurden; diese Vorsorge zahlt sich nun aus.

 

Video: Statement von NRW-Wissenschaftsministerium zur Bedeutung der Neubauten

 

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