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Virtuelle Plattform für Medizin-Lehre: Interdisziplinäres Team erforscht Einsatz von Virtual Reality

Ein interdisziplinäres Team der FH Münster erforscht im Verbundprojekt „medical tr.AI.ning“ den Einsatz von Virtual Reality für Medizinstudierende (Foto: FH Münster/J. Bade)

Gemeinsam entwickelt das Team unter anderem ein Konzept zur virtuellen Interaktion im medizinischen Behandlungskontext: Prof. Kathrin Ungru, Philipp Bozdere, Mariel Kruithoff und Prof. Tina Glückselig (v.l.n.r.; Foto: FH Münster/J. Bade)

Münster/Steinfurt (fh) - Vorsichtig nimmt Philipp Bozdere das Dermatoskop – ein medizinisches Instrument, das Hautärztinnen und Hautärzte zur Krebserkennung einsetzen – vom Schreibtisch. Sein Blick wandert langsam durch das Behandlungszimmer um ihn herum. Bis auf wenige Möbelstücke ist der Raum karg und leer. „Das ändern wir noch, an die Wände sollen zum Beispiel noch Bilder, damit es realistischer und persönlicher aussieht“, sagt er – und lugt unter seiner Virtual-Reality-Brille hervor. Denn das Szenario existiert nur in der digitalen Welt. Statt eines Dermatoskops hält Bozdere zwei Controller in den Händen, das Behandlungszimmer ist in Wirklichkeit ein Seminarraum. Was er durch die Brille sieht, wird über einen Computerbildschirm sichtbar. Der Master-Designstudent ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Forschungsprojekt der FH Münster, das seinerseits Teil ist des von der Universität Münster geleiteten Verbundvorhabens „medical tr.AI.ning – Intelligente Virtuelle Agenten für die Medizinische Ausbildung“.

Gemeinsam mit Prof. Kathrin Ungru, Prof. Tina Glückselig und dem Informatikstudenten Mariel Kruithoff untersucht Bozdere den Einsatz von Virtual Reality in der medizinischen Lehre. Die vierköpfige Gruppe arbeitet daran, das „clinical reasoning“ – also Denk- und Entscheidungsprozesse während des therapeutischen Handelns – angehender Medizinerinnen und Mediziner zu fördern. Unter Federführung der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster bauen Forschende der FH Münster, der Universität des Saarlandes und der Hochschule der Bildenden Künste Saar eine Virtual-Reality-Trainingsplattform auf, die ins Medizinstudium integriert werden soll und aktuelle Lehrkonzepte erweitert. „Einige Behandlungssituationen lassen sich schlecht oder gar nicht von den Schauspielern nachstellen, die als Simulationspatienten in vielen medizinischen Trainings mitwirken“, erläutert Glückselig vom Institut für Gesellschaft und Digitales. Der Fokus des Projektes liegt daher aktuell auf dermatologischen Untersuchungen. „Einige Hauterkrankungen kann man nicht durch Schminken nachbilden. In einer virtuellen Umgebung haben wir ganz andere Möglichkeiten, um diese Krankheiten darzustellen“, fährt sie fort.

Die FH-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gestalten in ihrem Teilprojekt die sogenannte User Experience, die alle Eindrücke und Erlebnisse auf Nutzerseite umfasst, sowie das Interface, also die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Die Basis des Trainings sind interaktive Szenarien mit „intelligenten virtuellen Agenten“. „Studierende nehmen dabei die Ich-Perspektive ein“, erklärt Ungru, Leiterin des Labors für Visual Computing. „Die simulierte Umgebung sollte möglichst authentisch sein. Durch die Gestaltung des Raums, der Darstellung der eigenen Hände in blauen Einweghandschuhen und der Bewegungen möchten wir die Immersion, das Eintauchen, steigern. Dabei kommt es auf Kleinigkeiten an: Wie hält jemand einen Kugelschreiber? Wie öffnet man eine Tür?“, beschreibt sie. Mittels eines sogenannten Autorentools werden Studierende und Lehrende außerdem in der Lage sein, individuelle Szenarien zu konfigurieren. Eine künstliche Intelligenz erzeugt die individuellen Ausprägungen der Krankheitsbilder dann entsprechend den eingestellten Parametern. Die persönliche Begegnung soll durch die neue Trainingsplattform jedoch keinesfalls ersetzt werden. „Berührungen und soziale Interaktion können nicht durch Technik nachgebildet werden, das ist nicht unsere Absicht“, unterstreicht Glückselig.

Der Einsatz von Virtual Reality in der medizinischen Lehre werde inzwischen auch andernorts in Deutschland erprobt. „Unser Ansatz, dass Medizindidaktikerinnen und -didaktiker Szenen selbst erstellen können, ist allerdings neu. Wir kaufen keine technische Lösung von der Stange, sondern entwickeln sie selbst. Außerdem möchten wir unser Angebot später kostenlos an andere Institutionen herantragen“, betont Glückselig. Einen großen Mehrwert sieht sie zudem in der interdisziplinären Zusammenarbeit innerhalb des Verbundprojektes, aber auch innerhalb des FH-Vorhabens. „Jede und jeder spricht im Prinzip eine andere Sprache und bringt andere Vorstellungen mit – sei es aus der Informatik, Didaktik, Medizin oder dem Bereich Design. Das ist zwar eine Herausforderung, aber am Ende wird unser Projekt hoffentlich vielen Anforderungen gerecht.“ Für Ungru und Glückselig ist es außerdem nicht das erste gemeinsame Projekt. „Informatik und Design gehören einfach zusammen“, sind sie sich einig.

Das Verbundprojekt wird bis Ende 2024 über die Bund‐Länder‐Förderinitiative „Künstliche Intelligenz in der Hochschulbildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit einer Gesamtsumme von rund 2,6 Millionen Euro gefördert.

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