News

Dichgans-Kommission attestiert Münsters Hochschulmedizin hervorragende Leistungen

Drei Arbeitsschwerpunkte mit „exzellent“ oder „sehr gut“ bewertet – Mit Abstand höchste Quote bei leistungsabhängiger Mittelverteilung – Kurze Studienzeiten von durchschnittlich 12,6 Semestern
Münster (mfm/tb) - Gute Noten sind nichts Ungewöhnliches an der Medizinischen Fakultät der Universität Münster. Einen Schnitt von 1,2 brauchen Abiturienten derzeit, um ohne Wartezeit dort studieren zu können. Dass die guten Noten der Dichgans-Kommission dennoch nicht übersehen wurden, liegt auch an der Verpackung: Das „Zeugnis“ umfasst über 200 Seiten. Entscheidend aber ist der Inhalt der Studie zur „Hochschulmedizin in Nordrhein-Westfalen“, die das Expertenteam um Professor Johannes Dichgans erarbeitet hat. In den Ergebnissen sehen die Verantwortlichen von Medizinischer Fakultät und Universitätsklinikum eine Bestätigung ihres Kurses.
Als Entscheidungsgrundlage für die geplante Neuordnung der Hochschulmedizin in Nordrhein-Westfalen hat die Düsseldorfer Landesregierung zwei umfangreiche Gutachten in Auftrag gegeben. Mit dem Gemeinschaftswerk von Dichgans und neun weiteren Hochschulexperten liegt nach anderthalbjähriger Bearbeitungszeit die erste dieser Untersuchungen vor. Sie befasst sich mit den Leistungen, die die sieben Medizinischen Fakultäten des Bundeslandes in Forschung und Lehre erbringen.
Die Bestandsaufnahme und die darauf basierenden Empfehlungen der Kommission sollen die Einrichtungen darin unterstützen, eigenständige Profile zu entwickeln. Dahinter steht das Ziel, die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Die Organisationsstruk­­turen der Universitätsklinika sowie ihre Wirtschaftlichkeit sind nicht Gegenstand der Dich­gans-Studie. Damit beschäftigt sich eine eigene, ebenfalls abgeschlossene und voraussichtlich noch in dieser Woche veröffentlichte Expertise der Unternehmensberatung Berger.
Kernaussage von Prof. Dichgans und seinen Mitautoren: Wollen sie im wissenschaftlichen Wettbewerb bestehen, können Medizinische Fakultäten nicht alle Forschungsgebiete gleichwertig abdecken. Um bundes-, europa- oder gar weltweit wahrgenommen zu werden, sei die Ausbildung von Schwerpunkten unumgänglich. Dies erfordere im Gegenzug ein Zurückfahren anderer Forschungsbereiche auf das für die Zwecke der Krankversorgung oder Ausbildung notwendige Maß.
Der Münsteraner Fakultät bescheinigt die Studie, die vom Wissenschaftsrat schon „im Jahr 2000 positiv hervorgehobene Forschungsorientierung und ihr sichtbares Engagement erfolgreich fortgesetzt“ zu haben. In den Einzelbewertungen der in der Westfalenmetropole betriebenen Forschungsschwerpunkte spiegelt sich diese Einschätzung wider. Über die beste von vier möglichen Bewertungen, nämlich „exzellent“, dürfen sich die Vertreter der Entzündungs- und Transplantationsmedizin freuen. Als „sehr gut“ beurteilen die Gutachter die Leistungen der Herz- und Gefäßmedizin sowie diejenige der Tumormedizin.
Die anderen beiden Münsteraner Forschungsschwerpunkte fanden die Experten in einer Phase des Umbruchs vor, weshalb sie auf ausführliche Bewertungen verzichteten. Bezüglich der Neuromedizin sehen sie jedoch „exzellente Chancen, sich zu einem überragenden Schwerpunkt zu entwickeln“. Die Zukunft der in Münster qualitativ besonders hervortretenden Prä-, Perinatal- und Reproduktionsmedizin sei wesentlich abhängig von der Verpflichtung eines neuen, renommierten Sprechers.
Weiterhin wird die Eingliederung dieses Forschungsbereichs in einen Schwerpunkt für regenerative Medizin empfohlen, nicht zuletzt da sich eine solche Bündelung mit fast allen bestehenden Kompetenzfeldern verknüpfen lasse. Auf diese Empfehlungen hat die Fakultät, auch angesichts der renommierten Stammzellforschung am Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin, bereits reagiert. Beim künftigen Ausbau der Schwerpunkte sollte daneben auch das hiesige Leibniz-Institut für Arterioskleroseforschung eine wichtige Rolle spielen, so die Auffassung der Autoren.
Ausführlich geht die Studie auf die einzelnen medizinischen Fächer ein. Wie bei den anderen Standorten fällt die Bestandsaufnahme hier auch für Münster sehr unterschiedlich aus – keine Überraschung angesichts der rund 60 „Disziplinen“ von Anatomie bis Zellbiologie, mit denen sich die Expertenkommission zu befassen hatte. Einheitlich hingegen deren Eindruck vom wissenschaftlichen „Ausstoß“: Die Publikationsleistungen der Münsteraner Forscher lägen weit über dem NRW-Durchschnitt, heißt es in der Untersuchung. Auf dem ersten Platz rangiert die Fakultät auch bei der Zahl der Promotionen und Habitilationen.
Bezüglich der Lehre zeichnet die Studie das Bild einer mittelgroßen, aber keineswegs mittelmäßigen Fakultät. Die rund 270 Studierenden, die hier jährlich ein Medizinstudium aufnehmen, absolvieren dieses rechnerisch in 12,6 Semestern und damit in vergleichsweise kurzer Zeit. Bei den staatlichen Prüfungen fallen die künftigen Ärzte durch gute Resultate auf. Zwar sackte die Erfolgskurve zeitweise etwas ab, doch hat Studiendekan Dr. Bernhard Marschall dafür eine einfache Erklärung: „Ab 2002 haben wir das Studium komplett umstrukturiert, um es auf die Anforderungen der neuen ärztlichen Zulassungsordnung auszurichten. Inzwischen belegt Münster in allen Bereichen wieder sehr gute Plätze“, so der Chirurg.
Für ein wichtiges Instrument, um die Fakultäten im wissenschaftlichen Wettbewerb nach vorn zu bringen, halten die Gutachter die flexible Ressourceverteilung innerhalb der Einrichtungen: Wer Spitzenleistungen erbringe, solle dafür mit zusätzlichem Geld und Personal belohnt werden. Ein solches Anreizsystem, die so genannte Leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM), führte die Münsteraner Fakultät bereits 2001 ein. Wohl auch deshalb liegt sie im NRW-Vergleich mit großem Abstand vorn: Fast ein Viertel der vom Land überwiesenen Zuschüsse verteilt sie intern bereits nach Leistungskriterien. Die Werte der anderen Standorte schwankten im Berichtszeitraum der Studie zwischen 1,3 und knapp zehn Prozent.
Trotz seiner hohen Quote liegt allerdings auch Münster noch unter der Zielmarke, die die Landesregierung ausgegeben hat, nämlich 40 Prozent. Auf anderen Gebieten sehen die Gutachter ebenfalls Verbesserungsmöglichkeiten, so bei der Einwerbung von Drittmitteln, also von Einnahmen jenseits der Landesfinanzierung. Zwar weise Münster eine insgesamt hohe Förderung aus solchen Quellen auf, doch liege die Drittmitteleinwerbung pro Professor unter dem NRW-Durchschnitt.
Ein gravierendes Handicap im Wettbewerb sehen die Gutachter im Mangel an Forschungsflächen, weshalb sie sich der früheren Forderung des Wissenschaftsrates nach einem Ausbau ausdrücklich anschließen. „Dieses Manko ist im Masterplan für die Sanierung des Universitätsklinikums schon berücksichtigt“, erläutert Prof. Dr. Volker Arolt, der als Dekan der Medizinischen Fakultät zugleich dem Vorstand des Klinikums angehört.
Insgesamt könnten beide Einrichtungen mit den Ergebnissen der Dichgans-Kommission sehr zufrieden sein, so der 52jährige Psychiater. „Wir wollen unsere Leistungen in den Forschungs­schwerpunkten noch steigern und müssen hierfür unsere Anstrengungen bündeln. In dieser Hinsicht gibt die Studie wertvolle Anregungen. Zugleich zeigt sie, dass der eingeschla­gene Weg richtig ist“, zieht Arolt ein positives Fazit für den Bericht der Expertenkommission. Dieser kann kostenlos beim Wissenschaftsministerium des Landes Nordrhein-West­falen bestellt oder auf dessen Internetseite heruntergeladen werden www.innovation.nrw.de/Service/broschueren/BroschuerenDownload/HochschulmedizinNRW.pdf