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Unbekannt und doch ganz ähnlich: Kulturaustausch führt Neurowissenschaftler der Uni Münster in den Iran

Prof. Sven Meuth und Prof. Ali Gorji (vorn, 4. und 5. v.l.) engagieren sich für den Austausch mit Neurowissenschaftlern im iranischen Mashhad (Foto: privat)

Münster/Mashhad (mfm/sk) - Wer die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes zum Iran liest, wird nicht gleich den nächsten Flieger nach Teheran buchen: Kundgebungen, Menschenansammlungen oder Demonstrationen weiträumig meiden, lautet die Empfehlung. Und die deutsche Botschaft rät dazu, sich auch bei nur kurzen Aufenthalten auf die Krisenvorsorgeliste setzen zu lassen. Wer hingegen mit Dr. Petra Hundehege vom münsterschen Institut für Translationale Neurologie redet, bekommt einen ganz anderen Eindruck. Sie hat zusammen mit 15 Neurowissenschaftlern der Universität Münster den ersten internationalen Kongress zu entzündlichen Erkrankungen des Nervensystems im iranischen Mashhad besucht. Die Reise war der Auftakt zu einem zwölfmonatigen, vom deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) geförderten Forschungs- und Kulturaustausch.„Trotz der kulturellen Unterschiede zwischen den Ländern gibt es viele Parallelen in der Forschung“, erläutert die Biologin. So befassten sich die Kollegen in der islamischen Republik ebenfalls mit der Erforschung der Multiplen Sklerose sowie mit der Rolle unterschiedlicher Zelltypen bei der Entzündung und Degeneration des Nervensystems. Diese Fragen standen im Zentrum der zahlreichen Vorträge von Studierenden und Wissenschaftlern aus Deutschland und dem Iran. „Während der Referate und auch an den Postern entstand ein intensiver Dialog“, berichtet Hundehege. Nach dem offiziellen Programm gingen die Gespräche auch über die Arbeit im Labor hinaus: So begleiteten die iranischen Kollegen ihre Gäste zum Essen oder bei Ausflügen zu iranischen Kulturdenkmälern wie dem Imam-Rezai-Schrein, einem Areal von mehr als 200.000 qm, das jährlich bis zu 20 Millionen Pilger besuchen.Diese kulturelle Exotik stand im krassen Gegensatz zur modernen Einstellung der iranischen Gastgeber. Denn entgegen der Klischees waren auch die Frauen an der Universität alles andere als unterdrückt oder zurückgesetzt. „Es war beeindruckend für uns zu sehen, dass die Frauen wissenschaftlich sehr emanzipiert aufgetreten sind“, erzählt Petra Hundehege. Für Initiator Prof. Dr. Ali Gorji vom Institut für Physiologie I der Universität Münster ging mit der Tour ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Der Biologe mit iranischen Wurzeln forscht seit 1996 in Münster und versucht seitdem kontinuierlich die Kooperation zwischen beiden Ländern zu stärken. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Dr. Sven Meuth, dem Direktor des Instituts für Translationale Neurologie, und gefördert durch das Programm „Hochschuldialog mit der islamischen Welt“ des DAAD wurde dieser Plan nun Wirklichkeit. Der Austauschdienst finanziert ein Jahr lang das Projekt „LIASE - Linking Iran and Germany: Science, Culture and Education“, das Meuth und Gorji gemeinsam entwickelt haben.Die nächsten Schritte der Zusammenarbeit zwischen Neuroimmunologen aus Münster und Mashhad sind bereits geplant. Während der Konferenz wurden die beiden besten Poster prämiert und die Preisträger sind nun zu einem mehrmonatigen Forschungsaufenthalt nach Münster eingeladen. Zudem finanziert der DAAD weiteren Nachwuchswissenschaftlern einen Besuch in Westfalen. In den Laboren der Professoren Meuth und Gorji lernen die Gäste dann wissenschaftliche Methoden, die sie nach der Rückkehr auch in ihrem Heimatland anwenden können. Für die mitgereisten Ärzte aus Westfalen verlief der Wissenstransfer angesichts der aktuellen Flüchtlingskrise in eine ungewohnte Richtung: Sie bekamen Gelegenheit, iranische Fälle gemeinsam mit Kollegen aus Mashhad zu diskutieren. Dabei lernten die Ärzte aus Deutschland, dass es ein paar kulturelle Regeln zu beachten gilt, die auch bei der Behandlung von Muslimen hier in Deutschland bedeutend sind: So begrüßen Ärzte in Deutschland ihre Patienten oft mit einem Händedruck – doch Händeschütteln unter Männern und Frauen ist im Iran verpönt und sollte daher unterbleiben. Wenn es die klinische Situation erlaubt, sollten zudem Frauen von Frauen und Männer von Männern untersucht werden.Doch wenn es darauf ankommt, seien die Unterschiede gering, sagt Dr. Stjepana Kovac, Ärztin an der Klinik für Allgemeine Neurologie der münsterschen Uniklinik: „Es war für uns als deutsche Mediziner schön zu sehen, wie unkompliziert der Umgang mit iranischen Patienten ist, wenn diese wenigen Regeln, die auch unabhängig von der klinischen Situation gelten, eingehalten werden. Der Untersuchungsablauf selbst ist der gleiche und es wird wie in allen Ländern auf einen respektvollen Umgang mit den Patienten geachtet."

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