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Von Pluripotenz zu Totipotenz: Mechanismus zur effizienteren Reprogrammierung von Körperzellen entdeckt

CiM-Doktorandin Rocio Enriquez-Gasca (m.) und MPI-Forschungsgruppenleiter Dr. Juanma Vaquerizas (r.) (Foto: MPI Münster/Müller-Keuker)

Münster – Schon länger ist es möglich, im Labor ausgereifte Körperzellen in pluripotente Zellen umzuwandeln – also in Zellen, die sich in alle Zelltypen des Körpers entwickeln können. Ein internationales Team von Wissenschaftlern um Maria-Elena Torres-Padilla (Institute of Genetics and Molecular and Cellular Biology, Straßburg) und Juanma Vaquerizas (Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin, Münster) hat nun die Reprogrammierung über eine entwicklungsbiologische Hürde gebracht: Die Gruppe hat totipotente Zellen erhalten, die die gleichen Merkmale besitzen wie Zellen aus dem sehr frühen Embryo. Laut der jetzt in "Nature Structural & Molecular Biology“ veröffentlichten Studie haben diese neuen totipotenten Zellen außerdem weitere interessante Eigenschaften.
Kurz nach der Befruchtung, wenn der Embryo aus einer oder zwei Zellen besteht, sind diese „totipotent“. Sie sind also in der Lage, einen kompletten Embryo sowie die Plazenta und die Nabelschnur zu bilden. Während sich Zellen danach weiter teilen, verlieren sie ihre Plastizität und werden „pluripotent“. Im Stadium des Eibläschens (Blastozyste) entstehen etwa 30 Zellen, die embryonalen Stammzellen. Sie können sich in Zellen der verschiedenen Gewebe differenzieren, andererseits aber nicht mehr zu einem kompletten Fötus entwickeln. Pluripotente Zellen spezialisieren sich im Embryo und bilden die verschiedenen Gewebe des Körpers. Dieser Prozess heißt zelluläre Differenzierung.
Seit einigen Jahren ist es möglich, ausdifferenzierte Zellen in ein pluripotentes Stadium zurückzuversetzen, aber ein totipotentes Stadium erreichten sie bisher nicht. Jetzt hat das Team von Maria-Elena Torres-Padilla die Merkmale von embryonalen totipotenten Zellen genau untersucht und Faktoren gefunden, die ausgereifte Zellen in ein Totipotenz-ähnliches Stadium versetzen können. „Totipotenz ist ein weitaus flexiblerer Zustand als Pluripotenz und ermöglicht besonders viele Anwendungen“, sagt Studienleiterin Torres-Padilla.
Die Suche nach Schlüsseln zur Totipotenz
In der Petrischale entstehen bei der Kultivierung von pluripotenten embryonalen Stammzellen ab und zu spontan einige wenige totipotente Zellen. Diese werden 2C-ähnliche Zellen genannt, weil sie Zellen eines Embryos im 2-Zell-Stadium ähneln. Die Wissenschaftler verglichen diese totipotenten Zellen aus der Petrischale mit Zellen aus Maus-Embryos, um übereinstimmende Merkmale zu finden, aber auch Unterschiede gegenüber pluripotenten Zellen. Ergebnis: Das Erbgut war in totipotenten Zellen weniger dicht verpackt und der Proteinkomplex CAF1 war in einer geringeren Menge vorhanden. Genauere Untersuchungen zeigten, dass CAF1, das schon für seine Rolle bei der Verpackung von Chromatin (dem organisiertem Zustand von DNA) bekannt war, für den Erhalt der Pluripotenz verantwortlich ist. Es gewährleistet nämlich, dass die DNA um Verpackungsproteine, die Histone, gewickelt bleibt. Das Team von Torres-Padilla stützte sich hierauf und konnte Totipotenz herbeiführen, indem es die Exprimierung des CAF1-Komplexes unterdrückte. Daraufhin modellierte sich das Chromatin zu einem offeneren Zustand zurück.
Im nächsten Schritt wollte die Arbeitsgruppe Gemeinsamkeiten zwischen 2-Zell-Embryos, 2C-ähnlichen Zellen aus der Kulturschale und solchen, die durch Inaktivierung des CAF1-Komplexes entstanden sind, auf molekularer Ebene genauer untersuchen. Als Partner wählte sie das Labor von Dr. Juanma Vaquerizas, Gruppenleiterin des Max-Planck-Instituts für molekulare Biomedizin: Die gesamten Genmuster der verschiedenen Zellen wurden in Münster miteinander verglichen. Vaquerizas und seine Kollegin Rocio Enriquez-Gasca fanden heraus, dass in totipotenten Zellen, in denen CAF1 fehlt, besonders viele Gene aktiv sind, die in Embryos im 2-Zell-Stadium auch aktiv sind. „Man kann sich vorstellen dass die Genexpression beeinflusst wird, wenn Zellen ihr Chromatin nicht mehr gut verpacken können“, erklärt Enriquez-Gasca, die als Doktorandin des Exzellenzclusters „Cells in Motion“ der Universität Münster die komplexen Analysen durchführte. „Es war also sehr spannend zu sehen, dass die gesamte Genexpression von CAF1-gedrosselten Zellen in der Petrischale tatsächlich in großem Maße mit der von totipotenten Zellen des frühen Embryos übereinstimmt.“
Zudem entdeckte das Team um Vaquerizas, dass bestimmte Arten von repetitiven DNA-Elementen (wiederholende DNA-Sequenzen, die ungefähr die Hälfte des Erbguts der Maus und des Menschen ausmachen) in induzierten totipotenten Zellen hochreguliert waren. Das ist ein typisches Merkmal für Embryos im 2-Zell-Stadium. „Die computergestützte Analyse dieser repetitiven Elemente ist sehr schwierig, weil sie so oft im Erbgut zu finden sind”, sagt Vaquerizas. „Jetzt möchten wir untersuchen, warum diese repetitiven Elemente und Genexpressionsprogramme in totipotenten Zellen hochreguliert sind.”
Die jetzt publizierte Studie trägt zum besseren Verständnis von Pluripotenz bei und könnte die Effizienz der Reprogrammierung von Körperzellen erhöhen, die sich dann in der Regenerativen Medizin einsetzen ließen.

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