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Neuer Forschungserfolg: MPI-Team entdeckt Blutgefäßtyp, der für die Knochenbildung verantwortlich ist
Münster (mpi) - Die Neubildung von Knochen erfolgt vor allem während des Wachstums und bei der Heilung von Brüchen; in geringerem Umfang wird auch das Skelettsystem von gesunden Erwachsenen stetig erneuert. Knochensubstanz kann jedoch altersbedingt oder bei Krankheiten wie der Osteoporose verloren gehen. Die gezielte Förderung der Gefäßneubildung im Knochen könnte hier möglicherweise gegensteuern. Doch ist die Erforschung von Knochen technisch sehr schwierig und folglich nur wenig über die genauen Mechanismen von Knochen- und Gefäßbildung bekannt. Ein Forscher-Team um Ralf H. Adams vom Max-Planck-Institut (MPI) für molekulare Biomedizin hat die technischen Schwierigkeiten nun überwinden können und einen neuen Typ Blutgefäß im Knochen entdeckt, der für die Knochenbildung verantwortlich ist. Die Wissenschaftler identifizierten auch Signalwege, die das Gefäßwachstum und somit die Knochenbildung beeinflussen. Die jetzt in „Nature“ veröffentlichten Erkenntnisse könnten für die Entwicklung künftiger Therapien für Skelettfrakturen und Knochenschwund von großem Nutzen sein.
Blutgefäße ermöglichen nicht nur den Transport von Sauerstoff, Nährstoffen und Abfallprodukten, sondern transportieren auch Hormone, die beim Organwachstum und beim physiologischen Gleichgewicht eine wichtige Rolle spielen. Endothelzellen bekleiden die gesamte innere Fläche der Blutgefäße und üben unterschiedliche Funktionen aus – je nachdem, in welchem Organ sie vorkommen. Wissenschaftler vermuten schon länger, dass eine molekulare Verbindung zwischen Endothelzellen und knochenbildenden Zellen existiert. Weil vaskuläre und knochenbildende Zellen häufig dicht bei einander beobachtet wurden, bestand sogar die Vermutung, dass Gefäßwachstum bei Knochenbrüchen eine Rolle spielt. Die genauen molekularen und zellulären Verflechtungen dieser Prozesse waren jedoch bislang unbekannt. Ebenso wenig war klar, wie das Netzwerk der Knochengefäße überhaupt aufgebaut ist.
Diese Wissenslücke hat einen technischen Hintergrund: Der Knochen ist außen sehr hart und innen, wo sich das Knochenmark befindet, ist er weich. Will man Knochen im Mikroskop untersuchen, müssen dünne Schnitte erstellt werden. Dafür muss das Gewebe zuvor aufgeweicht werden; Gewebeproben von Knochen werden dazu entkalkt. Doch mit der Härte verschwindet auch die Gewebestruktur - und mit ihr die korrekte Position der Blutgefäße. Zudem ist oft keine immunhistologische Anfärbung von spezifischen Markern mehr möglich.
Professor Dr. Ralf Adams vom MPI Münster, zugleich Professor der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, und zwei seiner Mitarbeiter, Dr. Anjali Kusumbe und Dr. Saravana Ramasamy, haben die technischen Hürden überwunden, indem sie die Aufbereitungsprozedur modifizierten und eine neue hoch auflösende 3D-Bildgebung anwendeten. Kusumbe und Ramasamy kreierten transgene Mäuse, deren Blutgefäße im Fluoreszenzmikroskop grün leuchten. Schienbein und Oberschenkelknochen standen Modell für ihre Untersuchungen.
Entsprechend der verschiedenen Areale im Knochen fanden die beiden Wissenschaftler zwei unterschiedliche Gefäßtypen, die sie aufgrund der Anteile der spezifischen Markerproteine CD31 und Endomucin H- und L-Typ nannten (H für ‚high’ und L für ‚low’). Anjali Kusumbe erläutert: „In der Wachstumsplatte des Knochens fanden wir ausschließlich längliche H-Typ-Kapillaren und im Inneren des Knochens fanden wir nur Kapillaren des L-Typs, die im Knochenmark ein Netzwerk kurzer, stark verzweigter Gefäße bildeten.“ Sie erklärt weiter: „Interessant war zudem, dass wir knochenbildende Zellen vorwiegend in direkter Nähe der H-Typ-Kapillaren beobachteten“. Dies ist ein klarer Hinweis dafür, dass die H-Typ-Kapillaren die schon vorher vermutete Verbindung zwischen Gefäß- und Knochenbildung darstellen.
Die Forscher gingen nun den molekularen Mechanismen auf den Grund. Sie stießen auf zwei Signalwege, die eine wichtige Rolle bei der Knochenbildung spielen: HIF und Notch. Letzterer war den Forschern schon aus früheren Studien zur Gefäßbildung in der Retina bekannt. Doch im Knochen scheint Notch die Gefäßbildung anders zu regulieren: „Entgegen unserer Erwartungen sahen wir, dass Notch die Gefäßbildung in Knochen fördert, statt sie zu reduzieren,“ sagt Saravana Ramasamy. Und auch HIF wirkte sich positiv auf die Gefäß- und Knochenbildung aus.
Dieses Wissen benutzten die Wissenschaftler, um genetisch und pharmakologisch in diese Signalwege einzugreifen und so die Knochenbildung anzuregen: In Knochen der Mäuse, die kein HIF in Endothelzellen bilden können, wurden keine H-Typ-Kapillaren gefunden. Dadurch ging gleichzeitig Knochensubstanz verloren. In Knochen von Mäusen, die übermäßig HIF bildeten, gab es vermehrt H-Typ-Kapillaren und entsprechend auch mehr Knochenmasse.
Auch in der Art, wie neue Blutgefäße entstehen, unterscheiden sich die Knochengefäße von Gefäßen in anderen Organen: „Die Bildung neuer Gefäße geschieht nicht durch sogenannten ‚tip cells’ wie wir in einer früheren Studie in der Retina gefunden haben, sondern durch röhrenförmige Schlaufen“, sagt Ramasamy.
Vom Menschen weiß man: Die Knochenbildung nimmt im Alter ab, weshalb sich Knochenqualität und Knochenheilung verschlechtern. Gleichzeitig werden ältere Menschen anfälliger für Knochenbrüche. Kusumbe und Ramasamy schauten sich die Endothelzelltypen deswegen auch in alten Mäusen an. Und tatsächlich: „In alten Mäusen sahen wir nur wenige Kapillaren des H-Typs. Und wir beobachteten weniger knochenbildende Zellen und eine Abnahme der Knochenmasse“, so Kusumbe.
Mit den modifizierten und neuen Methoden haben die Forscher um Ralf Adams eine seit Jahrzehnten klaffende Wissenslücke geschlossen. Sie zeigten nicht nur, dass sich die Blutgefäßbildung in Knochen grundlegend von der in anderen Organen unterscheidet – sie entdeckten in den verschiedenen Knochenbereichen zwei verschiedene Typen Kapillaren, die sehr spezialisierte Funktionen haben. Einer der neu identifizierten Gefäßtypen ist für die Knochenbildung verantwortlich. „Diese Ergebnisse haben eine sehr große Relevanz für die Entwicklung von zukünftigen Therapien für Knochenbrüche und Knochenschwund, wie sie im Alter und beispielsweise bei Osteoporose auftreten“, so Ralf Adams. „Wenn wir die Bildung von H-Typ-Kapillaren pharmakologisch anregen könnten, würden wir wahrscheinlich so die Knochen stärken. Auch eine geringe, zehnprozentige Zunahme der Knochenmasse brächte schon spürbare Verbesserungen für Patienten“, so Adams.
Links zu den Publikationen:
Coupling of angiogenesis and osteogenesis by a specific vessel subtype in bone
Endothelial Notch activity promotes angiogenesis and osteogenesis in bone
Blutgefäße ermöglichen nicht nur den Transport von Sauerstoff, Nährstoffen und Abfallprodukten, sondern transportieren auch Hormone, die beim Organwachstum und beim physiologischen Gleichgewicht eine wichtige Rolle spielen. Endothelzellen bekleiden die gesamte innere Fläche der Blutgefäße und üben unterschiedliche Funktionen aus – je nachdem, in welchem Organ sie vorkommen. Wissenschaftler vermuten schon länger, dass eine molekulare Verbindung zwischen Endothelzellen und knochenbildenden Zellen existiert. Weil vaskuläre und knochenbildende Zellen häufig dicht bei einander beobachtet wurden, bestand sogar die Vermutung, dass Gefäßwachstum bei Knochenbrüchen eine Rolle spielt. Die genauen molekularen und zellulären Verflechtungen dieser Prozesse waren jedoch bislang unbekannt. Ebenso wenig war klar, wie das Netzwerk der Knochengefäße überhaupt aufgebaut ist.
Diese Wissenslücke hat einen technischen Hintergrund: Der Knochen ist außen sehr hart und innen, wo sich das Knochenmark befindet, ist er weich. Will man Knochen im Mikroskop untersuchen, müssen dünne Schnitte erstellt werden. Dafür muss das Gewebe zuvor aufgeweicht werden; Gewebeproben von Knochen werden dazu entkalkt. Doch mit der Härte verschwindet auch die Gewebestruktur - und mit ihr die korrekte Position der Blutgefäße. Zudem ist oft keine immunhistologische Anfärbung von spezifischen Markern mehr möglich.
Professor Dr. Ralf Adams vom MPI Münster, zugleich Professor der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, und zwei seiner Mitarbeiter, Dr. Anjali Kusumbe und Dr. Saravana Ramasamy, haben die technischen Hürden überwunden, indem sie die Aufbereitungsprozedur modifizierten und eine neue hoch auflösende 3D-Bildgebung anwendeten. Kusumbe und Ramasamy kreierten transgene Mäuse, deren Blutgefäße im Fluoreszenzmikroskop grün leuchten. Schienbein und Oberschenkelknochen standen Modell für ihre Untersuchungen.
Entsprechend der verschiedenen Areale im Knochen fanden die beiden Wissenschaftler zwei unterschiedliche Gefäßtypen, die sie aufgrund der Anteile der spezifischen Markerproteine CD31 und Endomucin H- und L-Typ nannten (H für ‚high’ und L für ‚low’). Anjali Kusumbe erläutert: „In der Wachstumsplatte des Knochens fanden wir ausschließlich längliche H-Typ-Kapillaren und im Inneren des Knochens fanden wir nur Kapillaren des L-Typs, die im Knochenmark ein Netzwerk kurzer, stark verzweigter Gefäße bildeten.“ Sie erklärt weiter: „Interessant war zudem, dass wir knochenbildende Zellen vorwiegend in direkter Nähe der H-Typ-Kapillaren beobachteten“. Dies ist ein klarer Hinweis dafür, dass die H-Typ-Kapillaren die schon vorher vermutete Verbindung zwischen Gefäß- und Knochenbildung darstellen.
Die Forscher gingen nun den molekularen Mechanismen auf den Grund. Sie stießen auf zwei Signalwege, die eine wichtige Rolle bei der Knochenbildung spielen: HIF und Notch. Letzterer war den Forschern schon aus früheren Studien zur Gefäßbildung in der Retina bekannt. Doch im Knochen scheint Notch die Gefäßbildung anders zu regulieren: „Entgegen unserer Erwartungen sahen wir, dass Notch die Gefäßbildung in Knochen fördert, statt sie zu reduzieren,“ sagt Saravana Ramasamy. Und auch HIF wirkte sich positiv auf die Gefäß- und Knochenbildung aus.
Dieses Wissen benutzten die Wissenschaftler, um genetisch und pharmakologisch in diese Signalwege einzugreifen und so die Knochenbildung anzuregen: In Knochen der Mäuse, die kein HIF in Endothelzellen bilden können, wurden keine H-Typ-Kapillaren gefunden. Dadurch ging gleichzeitig Knochensubstanz verloren. In Knochen von Mäusen, die übermäßig HIF bildeten, gab es vermehrt H-Typ-Kapillaren und entsprechend auch mehr Knochenmasse.
Auch in der Art, wie neue Blutgefäße entstehen, unterscheiden sich die Knochengefäße von Gefäßen in anderen Organen: „Die Bildung neuer Gefäße geschieht nicht durch sogenannten ‚tip cells’ wie wir in einer früheren Studie in der Retina gefunden haben, sondern durch röhrenförmige Schlaufen“, sagt Ramasamy.
Vom Menschen weiß man: Die Knochenbildung nimmt im Alter ab, weshalb sich Knochenqualität und Knochenheilung verschlechtern. Gleichzeitig werden ältere Menschen anfälliger für Knochenbrüche. Kusumbe und Ramasamy schauten sich die Endothelzelltypen deswegen auch in alten Mäusen an. Und tatsächlich: „In alten Mäusen sahen wir nur wenige Kapillaren des H-Typs. Und wir beobachteten weniger knochenbildende Zellen und eine Abnahme der Knochenmasse“, so Kusumbe.
Mit den modifizierten und neuen Methoden haben die Forscher um Ralf Adams eine seit Jahrzehnten klaffende Wissenslücke geschlossen. Sie zeigten nicht nur, dass sich die Blutgefäßbildung in Knochen grundlegend von der in anderen Organen unterscheidet – sie entdeckten in den verschiedenen Knochenbereichen zwei verschiedene Typen Kapillaren, die sehr spezialisierte Funktionen haben. Einer der neu identifizierten Gefäßtypen ist für die Knochenbildung verantwortlich. „Diese Ergebnisse haben eine sehr große Relevanz für die Entwicklung von zukünftigen Therapien für Knochenbrüche und Knochenschwund, wie sie im Alter und beispielsweise bei Osteoporose auftreten“, so Ralf Adams. „Wenn wir die Bildung von H-Typ-Kapillaren pharmakologisch anregen könnten, würden wir wahrscheinlich so die Knochen stärken. Auch eine geringe, zehnprozentige Zunahme der Knochenmasse brächte schon spürbare Verbesserungen für Patienten“, so Adams.
Links zu den Publikationen:
Coupling of angiogenesis and osteogenesis by a specific vessel subtype in bone
Endothelial Notch activity promotes angiogenesis and osteogenesis in bone